Ab nächsten Sommer soll es den Widerrufsjoker nicht mehr geben. Außerdem in der Presseschau: BGH zu Eizellspende, Rücktritt vom VW-Kauf und ein Diebstahl, der in die Hose ging.
Thema des Tages
Widerrufsjoker: Der "ewige Widerrufsjoker" bei Immobilienkrediten soll abgeschafft werden. Eine entsprechende Regelung will die große Koalition in das bereits laufende Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie einbauen. Die Regelung soll für Darlehensverträge aus den Jahren 2002-2010 gelten und den Widerruf wegen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung nach einer dreimonatige Übergangsfrist ab Inkrafttreten ausschließen. Im nächsten Frühjahr soll die Regel erlassen werden und so den Joker zum Sommer beenden, meldet die FAZ (Joachim Jahn).
Joachim Jahn (FAZ) begrüßt die Regelung, da das Argument mangelhafter Belehrung oft nur vorgeschoben sei, um die aktuellen Niedrigzinsen zu nutzen und Banken seinerzeit "beim besten Willen" nicht wissen konnten, wie sie richtig hätten belehren müssen.
Rechtspolitik
Privatisierung der Strafverfolgung: Marcus Rohwetter (Zeit) kritisiert, dass die VW-Affäre von Anwaltskanzleien aufgeklärt wird. Das sei zwar effektiv, lasse aber rechtsstaatliche Grundsätze wie das Recht zu Schweigen auf der Strecke. Deshalb sei in Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu investieren. Dass die USA Vorreiter in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität sind, begrüßt der Autor zwar, kritisiert aber das dadurch entstehende Primat des US-Rechts, dem mit Abkommen über internationale Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu begegnen sei.
Prostituiertenschutzgesetz: Die taz (Christian Rath) beschäftigt sich mit der Frage, ob das geplante Prostituiertenschutzgesetz zustimmungspflichtig ist. Im Hinblick auf Artikel 104a des Grundgesetzes könne die geplante Verpflichtung der Länder zur Einführung der "Gesundheitsfürsorge" dafür sprechen.
Suizidhilfe: Die SZ (Berit Uhlmann) erklärt die maßgeblichen Begriffe und geltenden Regelungen zu Sterbehilfe sowie Suizidhilfe und fasst die im November zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe zusammen. In einem weiteren Beitrag berichtet die SZ (Berit Uhlmann) vom Gesundheitsforum der Zeitung und der Evangelischen Stadtakademie München, auf welchem es mit Experten um das Thema Suizid- und Sterbehilfe ging.
Glücksspiel: Aus Hessen kommt ein neuer Vorschlag zur Regelung des Glücksspiels. Darin geht es um die Erlaubnis von Glücksspiel im Internet, die Aufhebung der Begrenzung von Sportwettkonzessionen und die Abschaffung des Glücksspielkollegiums. Eine Aufsichtsbehörde nach britischem oder französischem Vorbild soll die Aufsicht übernehmen, berichtet die FAZ (Michael Anselm).
Digitalagentur: Bundeswirtschafts- und -jusitzministerium haben einen 10-Punkte-Plan für den Verbraucherschutz in der digitalen Welt vorgelegt, berichtet das Handelsblatt (Dana Heide/Anja Stehle). Teil davon soll der Aufbau einer Digitalagentur sein, in der Wettbewerbs-, Markt- und Verbraucherfragen im Bereich der Digitalisierung gebündelt werden.
Justiz
BGH – Vorbehandlung zu Eizellspende: Für die in Deutschland verbotene Eizellspende reisen Frauen in Länder ohne solche Verbote, etwa Tschechien. Ein tschechischer Arzt hatte mit der Vergünstigung des Verfahrens geworben, wenn die Frauen die Vorbehandlung mit Hormonen bei einem Arzt in Deutschland durchführen lassen. Ob die Vorbehandlung in Deutschland auch illegal ist und damit die Werbung, muss nun der BGH aufgrund der Klage eines deutschen Gynäkologen klären, berichtet die Welt (Hannelore Crolly).
EuGH zu "Safe Harbour": Rechtsanwältin Julia Dönch erläutert im Interview mit lto.de (Pia Lorenz) die Möglichkeiten von Unternehmen, trotz der Unwirksamkeit des "Safe Harbour"-Abkommens, rechtmäßig personenbezogene Daten aus der EU in die USA zu übermitteln. Die Zeit (Götz Hamann) betrachtet das "Safe Harbour"-Abkommen und seine Geschichte und fragt, warum es immer wieder Richtersprüche braucht, "um die digitale Welt im Sinne der Bürger zu gestalten." Im Schwerpunkt zum Urteil auf verfassungsblog.de diskutieren Rechtsexperten aus Europa und den USA das Urteil. Auch Rechtsanwalt Thomas Gennert bespricht auf dem Handelsblatt Rechtsboard das Urteil und die Folgen.
EuGH – Wohnsitzauflage: Auch lto.de schreibt nun über die Stellungnahme des Generalanwalts Villalón zur Unionsrechtswidrigkeit der Wohnsitzauflage für subsidiär Schutzberechtigte.
OLG München – NSU-Prozess: Die "Alt-Verteidiger" Beate Zschäpes fordern dienstliche Erklärungen der Richter, zu der Frage, wie eine nicht existierende Nebenklägerin zugelassen werden konnte. Das berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen) in einem Artikel, der sich auch mit den früh schon bestehenden Zweifeln hinsichtlich der vorgelegten Unterlagen befasst sowie weiter andauerndem Zwist zwischen den Verteidigern. Auch SZ (Tanjev Schultz), zeit.de (Tom Sundermann) und taz (Konrad Litschko) berichten. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, verteidigt im Interview mit der SZ (Anette Rammelsberger) die Nebenklage. Die Querelen im NSU-Prozess dürften nicht dazu führen, das Institut in Frage zu stellen.
LG Braunschweig – VW-Rückabwicklung: Eine Frau, die sich bewusst für einen VW der "Blue Motion"-Reihe entschieden hatte, um umweltfreundlich zu fahren, will sich mit einer Nachrüstung nicht zufrieden geben. Sie will die Rückabwicklung des Kaufvertrages nun gerichtlich durchsetzen und hat Klage beim Landgericht Braunschweig eingereicht, meldet lto.de.
LG Halle – "Fördermittelaffäre": Vor dem Landgericht Halle begann am gestrigen Mittwoch der Prozess um die sogenannte "Dessauer Fördermittelaffäre", berichtet die taz (Michael Bartsch). Die Anklage lautet auf Subventionsbetrug nach § 264 des Strafgesetzbuches mit einer Schadenssumme von zwei Millionen Euro.
VG Berlin zu Rußpartikelfilter: Auch ein nur selten in Betrieb genommenes Diesel-Notstromaggregat muss mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet werden, bestätigte das Verwaltungsgericht Berlin die Ansicht des Bezirksamts. Dass der Einbau teuer sei, genügte dem Gericht nicht, Rußpartikel seien krebserregend, auf die Menge komme es nicht an. Das meldet lto.de.
StA Augsburg – Embryonenspende: Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt gegen das Netzwerk Embryonenspende, berichtet die FAZ (Helene Bubrowski). Das Netzwerk vermittelt eingefrorene Embryonen von Paaren, die sie doch nicht mehr brauchen, an Paare mit Kinderwunsch. Die Verpflanzung einer fremden Eizelle ist in Deutschland verboten, für Embryonen gilt das Verbot nicht. Umstritten ist die Rechtslage bei Zellen, die nach Imprägnation aber vor Kernverschmelzung tiefgefroren wurden.
StA Frankfurt/Darmstadt – Frachtfirmen: Am Mittwoch, haben groß angelegte Durchsuchungen durch die Staatsanwaltschaften Frankfurt und Darmstadt stattgefunden, melden SZ, taz und FAZ. Den Beschuldigten wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Über ein Firmengeflecht sollen sie Dienstleistungen im Bereich Fracht und Gepäckabfertigung angeboten haben, ohne ordnungsgemäße Sozialversicherung der Mitarbeiter und Zahlung von Lohn- und Umsatzsteuer – vermuteter Schaden: mindestens 17,6 Millionen.
Recht in der Welt
EuG zu Umstrukturierung von Staatsschulden: Das Europäische Gericht hat entschieden, dass sich private Anleger, die bei der Umstrukturierung griechischer Staatsschulden Verluste erlitten haben, nicht bei der Europäischen Zentralbank schadlos halten können. Das berichten Rechtsprofessor Joachim Wieland auf lto.de und die FAZ (Joachim Jahn). Die Geldpolitik der EZB sei Teil des Spekulationsrisikos, sie müsse ständig der wirtschaftlichen Lage angepasst werden, weshalb Vertrauensschutz nicht gelte.
Sonstiges
Studium für Flüchtlinge: Die FAZ (Heike Schmoll) befasst sich mit den Voraussetzungen des Hochschulzugangs für Flüchtlinge. Er sei grundsätzlich der gleiche wie für alle Nicht-EU-Ausländer. Wie mit fehlenden Nachweisen einer Hochschulzugangsberechtigung umzugehen ist, sei bisher ungeklärt, die Hürden hier zu sehr zu senken, könnte zu Gleichbehandlungsklagen anderer ausländischer Studienbewerber führen.
Schirachs "Terror": Auch die Zeit (Peter Kümmel) rezensiert nun das Justizdrama "Terror" von Ferdinand von Schirach.
Das Letzte zum Schluss
Platz in der Hose: Mal wieder hat sich jemand gedacht Diebesgut in der Hose zu verstecken sei eine gute Idee, berichtet justillon.de (Stephan Weinberger). Vielleicht hätte er die Packungen mit Weißwürsten und die Flasche Getriebeöl wenigstens herausnehmen sollen bevor er versuchte auf sein Fahrrad zu steigen. So ging alles schief und er flog nicht nur hin sondern auf. Aber wer kann damit schon rechnen, bei 2,25 Promille.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Oktober 2015: Widerrufsjoker am Ende – Vorbehandlung illegal? – Anlegerverluste und EZB . In: Legal Tribune Online, 08.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17131/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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