Facebook wendet sich gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Außerdem in der Presseschau: Expertenanhörung zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz und geschlossener Geldhahn für die NPD?
Thema des Tages
Facebook I – Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Jetzt hat sich auch Facebook zum Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes geäußert. Der Entwurf sei verfassungswidrig, zu unklar formuliert und könne die Meinungsfreiheit einschränken, heißt es laut Hbl (Heike Anger) in einer Stellungnahme des Unternehmens. Zudem bestehe das Risiko, dass sich mehr Menschen radikalisierten, weil sie auf nicht regulierte Plattformen abwandern würden. In einem separaten Kommentar spricht sich Heike Anger dafür aus, die tatsächlichen Täter stärker ins Visier zu nehmen. Wer für Hasskriminalität im Netz drakonische Strafen und hohe Schadensersatzforderungen fürchten müsse, der würde vor strafbaren Posts zurückschrecken.
Laut lto.de hat der britische Guardian interne Anweisungen des Unternehmens an seine Mitarbeiter veröffentlicht. Danach sollen nur "glaubhafte" Morddrohungen und Kindesmisshandlung oder Tierquälerei unter bestimmten Bedingungen gelöscht werden. Damit würden, so lto.de, die Forderungen des Justizministers nach mehr Transparenz gestützt.
Fabian Reinbold (spiegel.de) wirft Facebook vor, gerade die sinnvollen Passagen des Gesetzes zu kritisieren.
Rechtspolitik
Urheberrecht: Anlässlich der gestrigen Expertenanhörung wird in der Bild der Entwurf des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes kritisiert. "Gut gemeint, schlecht gemacht", lautet das Fazit. Mit dem neuen Gesetz soll unter anderem festgelegt werden, inwieweit urheberrechtlich geschützte Werke im Unterricht und in der Forschung frei genutzt werden dürfen und inwieweit dabei die Urheberrechte außen vor bleiben sollen. netzpolitik.org (Leonard Dobusch), der selbst als Sachverständiger teilgenommen hatte, berichtet über die Anhörung genauso wie die SZ (Lothar Müller), die dabei auch die Bedenken von Verlegern und des Börsenvereins darstellt.
Strengere Sanktionen bei Abgasmanipulationen: Die EU will laut einem Bericht der SZ (Markus Balser/Thomas Kirchner) strengere Kfz-Typzulassungsregeln einführen. Danach sollen beispielsweise Firmen Strafen von bis zu 30.000 Euro pro Auto zahlen, wenn sie etwa Abgastests manipulierten. Anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen und vom Europaparlament beschlossen, sollen die Mitgliedstaaten bei der Verhängung der Strafen aber das letzte Wort behalten, heißt es in einem Beitrag der FAZ (Hendrik Kafsack). In seinem Kommentar bezeichnet Hendrik Kafsack (FAZ) den Beschluss als eine "Verbesserung mit Augenmaß".
Die SZ (Markus Balser) berichtet darüber hinaus, dass die von VW eingeräumte Verlängerung der Gewährleistungsfrist zum Ende des Jahres ausläuft und daher eine neue Klagewelle betroffener Kunden drohen könnte.
Ausschluss von Parteienfinanzierung: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) befasst sich mit den beiden Gesetzentwürfen, die Regelungen vorschlagen, nach denen einer verfassungsfeindlichen Partei die Finanzierung entzogen werden kann. Anlass ist die gestrige Expertenanhörung im Bundestag. Dort haben insbesondere die beiden Berliner Verfassungsrechtler Christoph Möllers und Christian Waldhoff Bedenken gegen die bisher vorgesehene Gesetzeskonstruktion geäußert. Wenn die betroffene Partei von sich aus den Antrag auf Aufhebung des Ausschlusses von der Parteienfinanzierung stellen könnte, liege der Schalter, das Verfahren in Karlsruhe neu aufs Programm zu setzen, allein in der Hand der Partei. Diese könne damit die Überwachung durch den Verfassungsschutz "dauerhaft ausknipsen".
Anti-Mobbing-Vorstoß: Laut Hbl (Frank Specht) hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der ein Anti-Mobbing-Gesetz zum Ziel hat. Danach sollen Arbeitgeber, die von Mobbing erfahren oder selbst mobben, zu wirksamer Abhilfe verpflichtet werden oder schadensersatzpflichtig sein. Die Fraktion beruft sich dabei auf entsprechende Regelungen, die in Frankreich, Serbien und einigen skandinavischen Ländern existieren.
Justiz
EuGH zu H.C. Chavez-Vilchez: Ibrahim Kanalan (verfassungsblog.de) beleuchtet die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum abgeleiteten Aufenthaltsrecht aus der Unionsbürgerschaft. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Gerichtshof in der Entscheidung die Rechte des Kindes und des drittstaatsangehörigen Elternteils, der die tatsächliche und tägliche Sorge wahrnimmt, gestärkt habe.
LG München – NSU-Verfahren: Heute soll im NSU-Verfahren der vom Gericht bestellte Gutachter Henning Saß die Aussagen von Psychiater Joachim Bauer, der ein Gutachten über Beate Zschäpe abgegeben hatte, bewerten. Die taz (Konrad Litschko) zitiert aus der schriftlichen Stellungnahme von Saß, wonach Bauers Gutachten "offensichtlich nicht gestützt auf die speziellen Kenntnisse und Erfahrungen in der forensischen Psychiatrie" sei. Anders als Bauer hatte Saß der Angeklagten volle Schuldfähigkeit attestiert.
LG Dessau – Vergewaltigungs- und Mordprozess: Die SZ (Annette Ramelsberger) stellt einen Fall dar, der derzeit vor dem Landgericht Dessau verhandelt wird. Im Mai vergangenen Jahres soll der Angeklagte die 25-jährige chinesische Studentin Yangjie Li brutal vergewaltigt und ermordet haben. Es sei ein zutiefst verstörender Prozess, in dem der mutmaßliche Täter keinerlei Reue zeige, so Ramelsberger.
LG Stuttgart zu Schlecker-Bankrott. Das Landgericht Stuttgart hat das Verfahren gegen Christa Schlecker, die Ehefrau des Chefs der Drogeriekette Anton Schlecker, gegen Zahlung von 60.000 Euro eingestellt. Ihr war Beihilfe zum Bankrott vorgeworfen worden, weil sie üppige Beraterhonorare noch zu einem Zeitpunkt erhalten hatte, als das Unternehmen bereits zahlungsunfähig war. lto.de, Hbl (Martin-W. Buchenau) und SZ (Stefan Mayr) berichten.
OLG Hamm zu wilden Wisenten: SZ (Jan Bielicki), taz (Heike Holdinghausen) und lto.de berichten über eine aktuelle Entscheidung zu den Pflichten im Umgang mit wilden Wisenten. Der Verein "Wisent-Welt-Wittgenstein" hatte vor einiger Zeit eine Herde Wisente ausgewildert. Da diese aber Schäden am Baumbestand verursachten, erhoben die betroffenen Waldbesitzer Klage. Das Oberlandesgericht Hamm hat nun den beklagten Verein verurteilt, "geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die freigelassenen Wisente die auf den klägerischen Waldgrundstücken wachsenden Bäume beschädigen". Allerdings treffe dies den Verein nur, soweit "dem beklagten Verein die nach Bundesnaturschutzgesetz erforderlichen Ausnahmegenehmigungen durch die zuständigen Behörden erteilt werden". Die Revision wurde zugelassen.
Recht in der Welt
Türkei – 50.000 Inhaftierte nach Putschversuch: Unter anderem die SZ und Bild vermelden, dass im Zusammenhang mit dem Putschversuch mehr als 50.000 Verdächtige wegen angeblicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung in Untersuchungshaft sitzen. Darunter befänden sich allein fast 2.500 Richter und Staatsanwälte.
Brasilien – Kabinettsumbildung: Der brasilianische Präsident Michel Temer hat den ehemaligen Richter am Obersten Wahlgericht Torquato Jardim zum neuen Justizminister des Landes berufen. Die FAZ (Matthias Rüb) vermutet, dass der Präsident sich damit bessere Aussichten verschaffen will, trotz Ermittlungen der Justiz wegen des Verdachts der Bestechlichkeit sein Amt zu behalten.
Italien – Entschädigungsleistungen für Kriegsverbrechen: Die FAZ (Reinhard Müller) berichtet von einer Tagung in Italien, auf der sich Völkerrechtsexperten darüber austauschten, inwieweit Deutschland noch Entschädigungsansprüchen wegen während des Zweiten Weltkrieges begangener Verbrechen ausgesetzt sein könnte.
Sonstiges
Interview Susanne Baer: Im Gespräch mit der SZ (Wolfgang Janisch) legt die Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer ihre Vorstellung von einem "Forum Recht" dar, das in Karlsruhe gegründet werden soll. Der Rechtsstaat brauche Verständnis, Wertschätzung und Auseinandersetzung. Die Idee des "Forums Recht" sei nicht Musealisierung, sondern Thematisierung des Rechtsstaats, so Baer.
Facebook II – Wiederherstellung gelöschter Inhalte: Der Fotograf und Blogger Markus Hibbeler hat nach Angaben der FAZ (Hendrik Wieduwilt) erfolgreich die Onlineplattform Facebook dazu gebracht, einen zuvor vom Unternehmen gelöschten Inhalt wiederherzustellen. Nachdem am Freitag eine entsprechende Abmahnung durch den beauftragten Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel übersandt wurde, hat gestern Facebook reagiert. Der Tsp (Jost-Müller-Neuhof) stellt den Anwalt Steinhöfel vor.
Mehr Gerichtspressesprecher: Für einen Ausbau der Pressearbeit bei den Gerichten hat sich der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, stark gemacht, schreibt lto.de. Es brauche "in allen Bundesländern verbindliche Vorgaben, inwieweit Richter an Amts-, Land-, und Oberlandesgerichten für die Pressearbeit freigestellt werden", wird Gnisa zitiert. Die Justizminister seien gefordert, "nach Gerichtsgrößen gestaffelte Freistellungen für die Pressearbeit einzuführen und den Gerichten die dafür erforderlichen Stellen zu bewilligen".
Amri – Ermittlungen gegen Berliner Polizisten: In Berlin wurden laut spiegel.de Wohnungen und Arbeitsplätze von Polizisten durchsucht. Hintergrund ist der Verdacht, dass im Fall des Attentäters Anis Amri Ermittlungsakten manipuliert wurden. Der Berliner Innensenator hatte Strafanzeige gestellt, nachdem bekannt geworden war, dass Ermittlungsakten zu Amri nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zurückdatiert und abgemildert wurden.
Wie der Tsp (Sabine Beikler) berichtet, soll der Untersuchungsausschuss zum Fall Amri im Berliner Abgeordnetenhaus im Juli seine Arbeit aufnehmen.
Absetzbarkeit des Arbeitszimmers: Marko Wieczorek, der Chefredakteur der Zeitschrift "Der Betrieb", fasst im Hbl die Voraussetzungen zur steuerlichen Berücksichtigung eines Arbeitszimmers bei Gewerbetreibenden und Freiberuflern zusammen.
Das Letzte zum Schluss
Unsaubere Geschäfte: Eine tschechische Juristin hat sich auf besondere Weise an ihrer Vorgesetzten gerächt: Über mehrere Jahre hat sie ihrer Chefin Abführmittel ins Wasser gemischt. Herausgekommen ist die perfide Tat durch eine versteckte Kamera, wie lto.de berichtet. Ein Gericht hat jetzt die Missetäterin zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Außerdem muss sie ihrem Opfer umgerechnet knapp 38.000 Euro Entschädigung zahlen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der jeweiligen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30.Mai 2017: Netzwerkdurchsetzungsgesetz / Urheberrecht / Parteienfinanzierung . In: Legal Tribune Online, 30.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23055/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
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