Die rechtliche Handhabung der Suizidhilfe wird am Donnerstag im Bundestag debattiert. Außerdem in der Presseschau: Der Tatbestand der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung soll reformiert werden, BVerfG gegen Heimunterricht, BVerwG bestätigt Aufenthaltserlaubnispflicht für türkische Kinder und Jugendliche, Arbeitsgerichte erklären GDL-Streik für verhältnismäßig und wie ein Arbeitnehmer 4.000 Navis klaute.
Thema des Tages
Suizidhilfe: An diesem Donnerstag debattiert der Bundestag über die rechtliche Regelung der Suizidhilfe, meldet unter anderem die Montags-taz und fasst die Vorschläge der Abgeordnetengruppe um Peter Hintze (CDU) zusammen, die für eine liberale Regelung eintritt. Straffreie Suizidhilfe soll danach bei volljährigen und einsichtsfähigen Personen möglich sein, die an einer unheilbaren Krankheit leiden, die unumkehrbar zum Tode führt und unter dieser Krankheit leiden. Zudem soll eine umfassende Aufklärungspflicht über alternative Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Im Interview mit dem Spiegel (Christiane Hoffmann/Peter Müller, Vorabmeldung) sagte Hintze, dass er nicht auf einer gesetzlichen Regelung bestehen werde, wenn die Ärztekammer das Berufsrecht ändere und entsprechende Möglichkeiten für Ausnahmesituationen vorsähe. Ferner begrüßt er den Vorschlag von Parteikollgen, die organisierte Suizidhilfe zu verbieten. In einem ausführlichen Beitrag stellt der Focus (Petra Hollweg u.a.) die aktuelle Rechtslage und die Positionen von Sterbehilfevereinen und Ärzten dar. Helene Bubrowski (Montags-FAZ) kritisiert, dass der Selbstmord der US-Amerikanerin Brittany Maynard in den USA benutzt werde, um für die Legalisierung der Suizidhilfe zu werben und beschäftigt sich mit dem Konzept der Würde. Unter dem Begriff würden unterschiedliche Konzepte gefasst, sodass die Bundestagsdebatte "den Begriff der Würde nicht überstrapazieren" solle.
Rechtspolitik
Sexualstrafrecht: Die Justizminister der Länder haben auf der Herbstkonferenz vom letzten Donnerstag beschlossen, Opfer von Vergewaltigung und sexueller Nötigung besser zu schützen. Justizminister Heiko Maas (SPD) habe eine baldige Reform angekündigt, berichtet der Spiegel (Melanie Amann/Ann-Katrin Müller, Vorabmeldung) und lto.de. Es gehe um die Erfassung von Fällen, in denen das Opfer beispielsweise "nein" sagt, aber keine Gegenwehr leistet. Die WZ (Peter Kurz) stellt zudem die aktuelle Gesetzeslage und die Diskussionen rund um die Reformforderungen zusammen. Anna von Gall und Cara Röhner kommen auf verfassungsblog.de zu dem Schluss, dass die deutsche Rechtslage weder mit der Entscheidung des Ausschuss der Frauenrechtskonvention der Vereinten Nationen im Fall R.P.B. v. the Philippines noch mit der Istanbul-Konvention vereinbar ist.
Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) kommentriert: "Das 'Nein' der Frau zum Geschlechtsakt in ein effektives Verbot zu übersetzen, muss das Bestreben einer Zivilisation sein, die den Schutz der Menschenwürde zum Fundament erklärt hat."
EU-Ausländer: Mit den geplanten Einschränkungen des Freizügigkeits-Rechts in Großbritannien und Deutschland beschäftigt sich die FAS (Corinna Budras). Während das Vorhaben der Briten, eine Höchstgrenze einzuführen, eine Änderung der Verträge nötig machen würde, sei der deutsche Gesetzentwurf europarechtskonform. Dieser sehe eine Beschränkung des Aufenthaltsrecht für arbeitssuchende EU-Bürger auf sechs Monate vor. Zudem verweist die Autorin auf die am Dienstag erwartete Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall der Rumänin Dano, der in Deutschland Sozialleistungen verweigert wurden.
Verbraucherstreitigkeiten: Die Montags-FAZ (Joachim Jahn) schildert einen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zur Schaffung von Schiedsstellen für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Der Entwurf gehe auf eine EU-Richtlinie zurück, die die Schaffung einer Möglichkeit zur Wahrnehmung von Verbraucherrechten im außergerichtlichen Verfahren fordert. Das Verfahren werde nicht verpflichtend und für die Verbraucher kostenlos sein.
Tarifeinheit: Die Professoren Gregor Thüsing und Justus Haucap diskutieren in der Montags-SZ den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit, den die Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Ende Oktober vorgelegt hat. Der Entwurf sei wegen der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Grundgesetz problematisch und führe nicht zum gewünschten Ziel. Stattdessen sollen Regeln für die Arbeitsniederlegung eine Berücksichtigung von Interessen Dritter vorsehen, wie etwa in Frankreich, wo ein Streik vorher angekündigt werden muss.
Steuerverwaltung: Laut Montags-SZ (Claus Hulverscheidt) hat die steuerpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus, vorgeschlagen, im Kampf gegen Steuerhinterzieher und –trickser eine Spezialeinheit der Bundesregierung einzurichten, die für die Überprüfung von Steuerbescheiden zuständig sein soll. Langfristig würden die Grünen planen, für die Steuererhebung und-prüfung eine Bundessteuerverwaltung einzurichten.
Frauenquote: blog.beck.de (Markus Stoffels) stellt ein Gutachten des Rechtsprofessors Kay Windthorst vor, der den Gesetzentwurf zur Einführung einer Frauenquote für börsennotierte Unternehmen begutachtet hat. Für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstandes ergeben sich "Bedenken im Hinblick auf Konsistenz, Bestimmbarkeit und praktischer Realisierbarkeit der Zielvorgaben". Zudem sollte die starre Quote um eine Härtefallklausel ergänzt werden.
Justiz
BVerfG zu Heimunterricht: Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag die Verfassungsbeschwerde von Eltern nicht zur Entscheidung angenommen, die ihre Kinder zuhause unterrichtet hatten und dafür mehrfach strafrechtlich belangt worden waren. Die Allgemeinheit habe ein "berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten 'Parallelgesellschaften' entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren." Die hessische Strafnorm sei deshalb mit dem Grundgesetz vereinbar. lawblog.de (Udo Vetter) berichtet.
BVerwG zur Aufenthaltserlaubnispflicht: Rechtsanwalt Rolf Gutmann erläutert und kritisiert auf lto.de das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Aufenthaltserlaubnispflicht für türkische Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Trotz der sogenannten Standstill-Klausel des Art. 13 des Assoziationsrats EWG-Türkei (ARB 1/80), die Beschränkungen für den Zugang von türkischen Arbeitnehmern und ihrer Familienangehörigen für den deutschen Arbeitsmarkt untersagt, wurde 1997 eine Aufenthaltserlaubnispflicht für türkische Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren eingeführt, die vorher nicht bestanden hat. Das BVerwG habe nun entschieden, dass der Verstoß gegen die Stillstand-Klausel wegen des Allgemeininteresses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle gerechtfertigt sei. Die Entscheidung beruhe auf dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Juli dieses Jahres zum deutschen Sprachtest für türkische Ehepartner.
BVerwG zu Behandlungskosten von Beamten: Die Samstags-Welt (Sven Eichstädt) stellt drei Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostenerstattung von Behandlungskosten bei Beamten vor, die sich in privaten Kliniken haben behandeln lassen. Die Erstattung der Kosten nach der früher geltenden Beihilfeverordnung in Baden-Württemberg müsse sich nicht nach den Aufwendungen des billigsten, öffentlichen Krankenhauses richten, wie es das Land in den drei Fällen berechnet habe.
BGH zu Brillenwerbung: Ein Optiker hat auf einem Werbeflyer mit einer kostenlosen Zweitbrille geworben und verstieß damit nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs gegen das Heilmittelwerbegesetz. Bei der Werbungs habe es sich um eine "unzulässige Ankündigung einer Zuwendung" gehandelt, meldet lto.de.
BGH zu Bewertungsportalen: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf die Veröffentlichung eines Urteils des Bundesgerichtshofs hin, das die Zulässigkeit von öffentlichen Ärztebewertung auf dem Online-Portal jameda.de zum Gegenstand hatte. Der BGH habe keinen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz angenommen, weil das Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Arztes die Kommunikationsfreiheit des Beklagten nicht überwiege.
LAG Hessen/ArbG Frankfurt zu GDL: Sowohl das Arbeitsgericht Frankfurt als auch das Landesarbeitsgericht Hessen entschieden vergangene Woche im Eilverfahren, dass der Streik der GDL rechtmäßig war. Unter anderem die Samstags-SZ (Daniela Kuhr/Andrea Rexer) und die Samstags-FAZ (Kerstin Schwenn) berichten. Arbeitsrechtsprofessor Michael Fuhlrott erläutert auf lto.de die gesetzliche Grundlage von Streiks, die Rechte der Arbeitgeber im Streikfall und die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks. Das Ziel der GDL, auch das Begleitpersonal zu vertreten, sei rechtlich legitim. Auch die Entscheidung des ArbG Frankfurt, dass der Streik nicht unverhältnismäßig war, sei nicht überraschend gewesen, weil die Messlatte sehr hoch liege. Arbeitsrechtsprofessor Stefan Greiner kommt im Interview mit spiegel.de (Dietmar Hipp) zur ähnlichen Einschätzung. Zudem hält er den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit für verfassungsrechtlich bedenklich und unterbreitet eigene Vorschläge.
KG Berlin zu Uber: Das Berliner Kammergericht habe den Antrag eines Taxiunternehmens auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen den Fahrdienstvermittler Uber aus formellen Gründen zurückgewiesen, weil das Taxiunternehmen die Monatsfrist zur Vollziehung des Urteils versäumt habe. Die Frage der Rechtmäßigkeit bleibe damit weiter offen, meldet lto.de.
BVerfG– Pflege: Sieben Personen haben mit Unterstützung des Sozialverbands VdK eine Verfassungsbeschwerde wegen Pflegenotstands eingereicht, berichten die Samstags-SZ (Heribert Prantl). Die Beschwerdeführer erwarten, dass sie bald in Pflegeheime einziehen müssen und machen geltend, dass der Staat wegen der Missstände in der Pflege seiner Schutzpflicht nicht ausreichend nachkomme.
BVerwG – Elbvertiefung: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung zur Fahrrinnenanpassung der Elbe bei Hamburg ausgesetzt, um die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Weservertiefung abzuwarten. Daniel Welss stellt auf juwiss.de den Hintergrund des Falles vor dem BVerwG und das aktuelle Verfahren vor dem EuGH dar.
OLG München – NSU: Die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz) stellt zehn gängige Verschwörungstheorien zusammen, die mittlerweile um den NSU-Komplex entstanden seien und überprüft sie auf ihre ihre Stichhaltigkeit.
Recht in der Welt
ICTY – Vojislav Šešelj: Wie die Samstags-FAZ (Michael Martens) schildert, wurde Vojislav Šešelj nach fast zwölf Jahren Verfahrensdauer vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wegen seines Gesundheitszustandes vorzeitig aus der Haft entlassen. Dem ehemaligen Anführer der nationalistischen Partei "Serbische Radikale Partei" werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Zerfallskriege in den 90ern vorgeworfen. Das Urteil gegen ihn stehe noch aus.
USA - gleichgeschlechtliche Ehe: Das Berufungsgericht in Cincinnati, Ohio, hat die Entscheidung der Vorinstanzen zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen aufgehoben, meldet die Samstags-FAZ (Andreas Ross). Damit bleibe die Ehe für homosexuelle Paare in Kentucky, Tennessee, Ohio und Michigan erst einmal unzugänglich. Es werde erwartet, dass sich nun das Supreme Court mit der Frage befassen werde.
Großbritannien – Neuordnung des Vereinigten Königreichs?: Im Interview mit der Montags-taz (Daniel Zylbersztajn) erläutert Mark Elliott, Professor für Staatsrecht in Cambridge, die vom schottischen Referendum ausgelöste Debatte um die Struktur des Vereinigten Königreichs. Geklärt werden müssen die zusätzlichen Zuständigkeiten des schottischen Parlaments, die Erweiterung der Autonomie von Nordirland und Wales und die Abstimmungsbefugnisse im Unterhaus für rein englische Belange.
Sonstiges
Urheberrecht und Parodie: Aus Anlass eines Parodie-Videos des Neo-Magazins klärt telemedicus.info (Fabian Rack) auf, wann die Verwendung von Originalaufnahmen zum Zwecke der Parodie zulässig ist. Der Beitrag fasst die urheberrechtlichen Voraussetzungen und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Fall "Kalkofes Mattscheibe" zusammen.
Rechtswidrige Bankgebühren: Der Bundesgerichtshof hat in zwei Urteilen im Mai und Oktober dieses Jahres entschieden, dass Banken für die Verarbeitung von Krediten unzulässige Gebühren verlangt hatten und dass die Rückforderungen erst nach zehn Jahren verjähren. spiegel.de (Hermann-Josef Tenhagen) weist auf einen Musterbrief und Adressen der Ombudsleute der Banken hin, um sie Rückforderungen geltend zu machen.
Filmempfehlung von Maas: Justizminister Heiko Maas (SPD) empfiehlt in der Samstags-SZ den Film "Im Labyrinth des Schweigens", der diese Woche in die Kinos kommt und von der Vorgeschichte der Auschwitz-Prozesse handelt. Maas würdigt die Verdienste von Fritz Bauer, der die Auschwitz-Prozesse vorangetrieben hat und verweist auf die Bedeutung der Aufarbeitung von NS-Verbrechen: "Schuld verjährt, Verantwortung nicht."
Mietstreitigkeiten: Laut dem Focus (Göran Schattauer, Zusammenfassung) nehmen Mietstreitigkeiten und Anfragen zu Rechten und Pflichten aus dem Mietvertrag bei Mietvereinen zu; Mietrechtsfälle machen mittlerweile 23 Prozent der Zivilstreitigkeiten aus. Der Beitrag befasst sich zudem mit einer Entscheidung des Amtsgerichts Starnberg, das eine Mietminderung für Schimmelbefall für zulässig erklärt hatte.
Das Letzte zum Schluss
Diebischer Mitarbeiter: Ein 29-jähriger Arbeitnehmer hat sich im Mercedes-Benz-Werk in Rastatt einen lukrativen Zusatzverdienst verschafft. Wie spiegel.de meldet, soll der Mann über mehrere Jahre 4.000 Navigationsgeräte entwendet und über das Internet verkauft haben. Eine fünfköpfige Ermittlungsgruppe der Kriminalpolizei sei ihm schließlich auf die Schliche gekommen. Nun werde auch gegen 700 Käufer wegen des Verdachts auf Hehlerei ermittelt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. - 10. November 2014: Gesetzliche Regelung der Suizidhilfe - Urteile zum GDL-Streik - Verfassungsbeschwerde wegen Pflegenotstands . In: Legal Tribune Online, 10.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13751/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag