Das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath vor dem LG Regensburg beginnt – welche Lehren müssen Justiz und Gesetzgeber aus dem Fall ziehen? Außerdem in der Presseschau: mehr Transparenz beim Freihandelsabkommen, ein BND-Doppelagent, der BGH zu Wucherpreisen beim Abschleppen, Innenminister verbietet Rockerabzeichen und ein "Kampfmönch" verunsichert Rottweiler Bürger.
Thema des Tages
LG Regensburg - Wiederaufnahmeverfahren Mollath: Am Montag beginnt das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Gustl Mollath vor dem Landgericht Regensburg. Laut spiegel.de wird dabei aufs Neue geklärt werden müssen, "ob Mollath seine Frau eingesperrt, geschlagen und gewürgt und auf teils lebensgefährdende Weise Reifen zerstochen hat", ob er schuldfähig war und ob von ihm heute noch Gefahr ausgeht. 17 Verhandlungstage sind angesetzt, 41 Zeugen sind geladen.
Was Justiz und Gesetzgeber aus dem Fall Mollath lernen müssen, untersucht Heribert Prantl (Samstags-SZ). Zunächst sei das Verfahren als ein "Wiedergutmachungsverfahren für den Angeklagten und ein Selbstreinigungsverfahren für die Justiz" zu sehen. Prantl regt generell Entschuldigungen der Justiz für ihre Irrtümer an. Außerdem stehe der Gesetzgeber in der Pflicht, "schwere systematische Fehler der Justiz" abzustellen: durch umfassendere Prüfungen der Gutachten in Unterbringungsverfahren, bessere justizinterne Kontrollsysteme sowie eine Reform des § 63 des Strafgesetzbuchs.
Der Focus zeichnet ein Portrait des Anwalts von Mollath, Gerhard Strate, dem "Spezialisten für aussichtslose Fälle".
Rechtspolitik
TTIP und Transparenz: Die Bundesländer wollen mehr Offenheit bei den Beratungen über das Freihandelsabkommen. Das berichten zeit.de und der Spiegel. Die Länder wollen danach am Freitag im Bundesrat eine Entschließung verabschieden, "die mehr Transparenz in den Verhandlungen fordert und sich vor allem gegen das geplante Investitionsschutzverfahren wendet". Nach Ansicht des Bundesrates sei ein deutsches Ja zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) nur mit dessen Zustimmung möglich.
Däubler-Gmelin zu TTIP: Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) bezieht in der Samstags-SZ Stellung zu TTIP. Sie äußert Verständnis für die Empörung über das Abkommen; vor allem kritisiert sie die Einrichtung von Schiedsgerichten zum Investorenschutz. Dadurch werde die Demokratie geschwächt: "Das muss jeden empören, der unser Grundgesetz ernst nimmt, demzufolge Parlamente, Regierungen und Gerichte entscheiden beziehungsweise überprüfen, was im Allgemeininteresse liegt."
Deals im Strafprozess: Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) befasst sich mit der Frage, wie die gesetzliche Regelung zur Verständigung im Strafprozess im Jahre 2009 zu bewerten ist. Der Verfassungsrichter Herbert Landau habe kürzlich eine "verhalten positive Bilanz" gezogen. Allerdings sei nach Ansicht Landaus der steigenden Belastung der Strafjustiz "nicht durch eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung, nicht durch eine Reduktion des materiellen Strafrechts und auch nicht durch eine Reform des Strafprozessrechts" begegnet worden. "Richter und Staatsanwälte wurden mit der idealistischen Konzeption des deutschen Strafrechts und der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs weithin alleingelassen."
Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr: Die große Koalition hat am Freitag das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr beschlossen. Durch das Gesetz werden einige Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch verschärft, damit Handwerker und Lieferanten schneller an ihr Geld kommen. Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) stellt die Neuerungen im Einzelnen vor. Die große Koalition wolle so die "Zahlungsmoral anheben"; besonders strenge Regelungen gelten für staatliche Auftraggeber.
Pkw-Maut: Der Spiegel berichtet über die Pläne des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) zur Einführung der Pkw-Maut und die Zweifel über ihre Vereinbarkeit mit dem EU-rechtlich verankerten Diskriminierungsverbot. Nach Dobrindts Plan würden alle Straßen in Deutschland für ausländische Fahrer mautpflichtig. "Mit seiner Behauptung, die Pläne stünden mit Europarecht in Einklang, steht der Minister bislang weitgehend allein da," heißt es im Bericht. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas habe betont, dass es keine direkte Verbindung zwischen Einführung der Maut und einer Absenkung der Kfz-Steuer geben dürfe. Wie die Montags-SZ (Cerstin Gammelin) berichtet, soll eine Arbeitsgruppe aus EU-Kommission und Bundesverkehrsministerium das Konzept prüfen.
Datenschutz im Auto: In modernen Autos fallen immer größere Datenmengen an. Wie die Welt am Sonntag (Claudia Ehrenstein/Jochen Gaugele) berichtet, hat sich Bundesjustizminster Heiko Maas (SPD) in diesem Zusammenhang zu den Anforderungen an den Datenschutz geäußert: Was er nicht wolle, sei "der 'gläserne' Autofahrer, für den Bewegungsprofile erstellt und Daten über den Fahrstil gesammelt werden". Es müsse geklärt werden, wer die Herrschaft über die gespeicherten Daten hat. Das Bundesjustizministerium halte es nicht mehr für ausgeschlossen, dass "gesetzliche Regelungen angepasst werden müssen".
Informationsfreiheitsgesetz in Baden-Württemberg: Die Montags-taz (Lena Müßigmann) berichtet über das Recht auf freien Zugang zu Informationen der Verwaltungen in Baden-Württemberg. Die grün-rote Koalition habe bereits 2011 ein "umfassendes" Informationsfreiheitsgesetz angekündigt, bislang aber nicht umgesetzt. Nun sei ein Eckpunkte-Papier des SPD-geführten Innenministeriums an die Presse gelangt. Das geplante Gesetz sei "bei Weitem nicht so umfassend wie angekündigt"; zahlreiche Ausnahmen führten das geplante Gesetz ad absurdum, Kosten für Anfragen seien nicht gedeckelt.
Justiz
BGH zu Wucherpreisen für Abschleppen: blog.beck.de (Carsten Krumm) berichtet von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) von Freitag zu Pkw-Abschleppkosten. Danach sind die Kosten, die private Abschleppdienste Falschparkern in Rechnung stellen dürfen, durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Dieses umfasst diejenigen Aufwendungen, die "ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde". Nach Ansicht des BGH müssen die Abschleppkosten mit dem "verglichen werden, was üblicherweise in der Region dafür verlangt wird". Im konkreten Fall hatte das Abschleppunternehmen einen Pauschalbetrag von 250 Euro verlangt.
BVerfG - Erbschaftsteuer: Am kommenden Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Sachen Erbschaftsteuer. Gegenstand des Verfahrens ist eine Ausnahmeregelung, nach der sich Betriebe weitgehend von der Erbschaftsteuer befreien lassen können. Das Handelsblatt (Anja Müller) exemplifiziert die Problematik anhand eines Unternehmers aus Niedersachsen, der den Hauptteil seines Unternehmens an seine Kinder verschenkt und damit die Erbfolge vorweggenommen hat – um für den Fall vorzubeugen, dass das Bundesverfassungsgericht die Ausnahmeregelung kippt.
Marc Beise (sueddeutsche.de) sieht in der Ausnahmeregelung eine Diskriminierung aller übrigen Erben und meint, man müsse auch nach alternativen Wegen zum Schutz von Familienunternehmen beim Erbübergang suchen.
Mutmaßlicher Doppelagent beim BND: Die Samstags-FAZ und die Samstags-SZ berichten über den Fall eines mutmaßlichen Doppelagenten beim BND. Dieser soll für ausländische Nachrichtendienste tätig gewesen sein, so der Vorwurf des Generalbundesanwalts. Offenbar soll es auch amerikanische Abnehmer für sein Material gegeben haben, wobei der BND-Agent anscheinend auch Informationen zum NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages weitergegeben habe. Jasper von Altenbockum (Samstags-FAZ) meint, die Ereignisse passten "in das Bild von skrupellosen Geheimdiensten, deren Grenzüberschreitungen und Selbstherrlichkeit die Grundlagen zerstören, die sie zu schützen vorgeben". Hans Leyendecker, Georg Mascolo und andere (Samstags-SZ) resümieren: "In diesem Geschäft gibt es in Wahrheit keine Freunde. Man interessiert sich für alle und alles."
OLG München - Schmerzensgeld für Bericht über Brust-OP: Wie spiegel.de berichtet, verhandelt das Oberlandesgericht München am Dienstag über eine Schmerzensgeldforderung der Schauspielerin Simone Thomalla (Tatort) gegen die Zeitschrift "Closer". Dort sei 2012 in einem Bericht über eine vermeintliche Brust-OP der Schauspielerin spekuliert worden. Anstoß sei für das Blatt eine Narbe im Dekolleté der Schauspielerin gewesen. Das Blatt habe "Tatort-Kommissarin plötzlich mit großer Narbe im Ausschnitt - Heimliche Brust-OP?" getitelt. Allerdings sei die Narbe schon sieben Jahre alt gewesen.
OLG München - NSU-Prozess: Renitente Zeugen, Befangenheitsanträge, Haftprüfungen: Die Montags-SZ (Tanjev Schultz) berichtet über den Fortgang des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht München. Die Richter seien dem Vorwurf ausgesetzt, dem strafprozessualen Beschleunigungsgebot nicht gerecht zu werden. Dennoch gehe es voran – "es dauert nur seine Zeit". Die Richter verwiesen auf die Komplexität des Verfahrens.
Tanjev Schultz (Montags-SZ) meint, mit Ablehnung des Antrags des Angeklagten Ralf Wohlleben, aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden, habe das Gericht nun "deutlich wie nie zuvor" erkennen lassen, wie es die bisherige Beweisaufnahme bewertet.
NS-Verbrechen auf der Spur: Wie die Montags-SZ meldet, hat die NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg mutmaßliche NS-Verbrecher in Deutschland aufgespürt. 17 Aufseher des früheren deutschen Vernichtungslagers Majdanek in Polen stünden auf der Liste der Fahnder; der Vorwurf lautet Beihilfe zum Mord. Die Ergebnisse der Vorermittlungen seien in drei Fällen an die Staatsanwaltschaften Mainz und Stuttgart übergeben worden.
Neuer Präsident am BVerwG: Seit dem 1. Juli ist Klaus Rennert Präsident am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Montags-FAZ (Reinhard Müller) portraitiert den Honorarprofessor der Universität Freiburg, der ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer ausschließe und sich besonders dafür interessiere, wie sich die Justiz in der Öffentlichkeit darstellt.
Recht in der Welt
Homosexualität in Afrika: Die Samstags-FAZ (Thomas Scheen) berichtet über die rechtliche Lage homosexueller Paare in Afrika. Homosexuelle seien auf dem Kontinent weiterhin meist mit repressiven Gesetzen und Diskriminierung konfrontiert. Zwar wurde ein schwules Paar in Sambia von einem Gericht freigesprochen – allerdings auf politischen Druck einiger westlicher Botschaften, wie es in dem Bericht heißt.
Bolivien – Legalisierung von Kinderarbeit: Die Samstags-FAZ (Judith Lembke/Carl Moses) berichtet, dass in Bolivien Kinder künftig ab zwölf Jahren "in begründeten Ausnahmefällen" arbeiten dürfen. Selbständig arbeiten dürfen Kinder im Einzelfall schon ab zehn Jahren – etwa als Straßenverkäufer oder Parkwächter. Ein entsprechendes Gesetz wurde vom bolivianischen Parlament am vergangenen Donnerstag verabschiedet. Die Ausnahmegenehmigungen müssen jeweils bei den Jugendschutzbehörden beantragt werden.
Argentinien – Ermittlungshilfe vom Papst: Entscheidende Hinweise für die Aufklärung eines Mordfalls in Argentinien kamen auf dem Postweg von Papst Franziskus, wie die Montags-SZ berichtet. Zwei ehemalige Offiziere wurden wegen eines Mordfalls im Jahr 1976 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Sie sollen die Ermordung eines Bischofs während der Militärdiktatur befohlen haben.
Sonstiges
Hells-Angels-Abzeichen: Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat Mitgliedern der Rockerclubs mittels eines Verbotserlasses untersagt, ihr Vereinsabzeichen öffentlich zu tragen. Das berichtet die Samstags-FAZ. Die Mitglieder des Clubs dürfen danach etwa den geflügelten Totenkopf oder den Schriftzug "Hells Angels" nicht mehr öffentlich zeigen. Der Rockerclub wolle gerichtlich gegen das Verbot vorgehen. lto.de (Florian Albrecht) erklärt die rechtlichen Hintergründe zum Verbot des Tragens der Abzeichen.
Klagen gegen internationale Unternehmen: lto.de (Annelie Kaufmann) berichtet über eine Studie von Menschenrechtsorganisationen zur Frage, ob deutsche Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden in anderen Ländern haftbar gemacht werden können. Die Studie komme zu einem ernüchternden Ergebnis: "Undurchsichtige Zuliefererketten, Beweisschwierigkeiten und ein fehlendes Unternehmensstrafrecht verhindern, dass die Verantwortlichen in Deutschland vor Gericht gestellt werden."
Google-Suchindex und Pressefreiheit: Corinna Budras (FAS) untersucht die Folgen des Suchmaschinen-Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für die Pressefreiheit. Danach sind Suchmaschinenbetreiber verpflichtet, Links auf Inhalte zu löschen, sofern sie den Datenschutz verletzen. Google habe bereits Artikellinks auf die Seite des Guardian und des Spiegel entfernt. Wenn das Urteil dazu führt, dass "jeder tilgen kann, was ihm nicht passt, kommt die Wahrheit unter die Räder", so Budras. Die vom EuGH aufgestellten Kriterien seien "windelweich"; der "interessengeleiteten Willkür" sei Tür und Tor geöffnet.
Flüchtlinge in Berlin: Die Montags-taz (Ines Kappert) interviewt die Anwältin für Aufenthaltsrecht Berenice Böhlo zur Lage der Flüchtlinge vom Berliner Oranienplatz und in der Berliner Gerhart-Hauptmann-Schule. Vergangene Woche wurde eine Einigung erzielt, dass die Flüchtlinge vorerst bleiben dürfen. Deren Lage sei nach den Verhandlungen aber schlechter als zuvor, so Böhlo. Außerdem bezeichnet Böhlo die gerade vom Bundestag verabschiedete Verschärfung des Asylrechts als "gravierenden Rollback im Flüchtlingsrecht".
Das Letzte zum Schluss
"Kampfmönch" in Rottweil: "Juristisch nichts vorzuwerfen" sei nach Angaben der Rottweiler Polizei einem 25-jährigen Mann aus Rottweil, der in den letzten Tagen "als eine Art Mönch gekleidet" Schüler und Eltern verunsichert hat. Das berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. bis 7. Juli 2014: Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath – TTIP und Transparenz – BGH zu Abschleppwucher . In: Legal Tribune Online, 07.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12462/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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