Für heute ist die Beratung über die Tarifeinheit angesetzt und diese kann durchaus verfassungsgemäß gestaltet werden. Außerdem in der Presseschau: Sprachexperten sollen bei der Verständlichkeit von Gesetzen helfen, Grüne haben Gesetzentwurf zur Cannabislegalisierung vorgelegt, EZB darf Sitz im Euroraum für Euro-Wertpapierhandel nicht vorschreiben, Hoeneß satirisch verfilmt und was ein Leck beim BND anrichtete.
Thema des Tages
Tarifeinheit: Für den heutigen Donnerstag ist die Beratung über das Gesetz zur Tarifeinheit im Bundestag angesetzt. Die taz (Pascal Beucker) stellt die geplante Regelung kurz dar. Danach soll bei Vereinbarung unterschiedlicher Tarifverträgen verschiedener Gewerkschaften in einem Betrieb, nur die Vereinbarung der größten Gewerkschaft Bestand haben.
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier legt in der Welt dar, warum Regelungen, die der Gefahr unbegrenzter Tarifpluralität begegnen, verfassungsrechtlich durchaus zulässig sein können. Dies gelte jedenfalls, wenn sie – bezogen auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit aus Artikel 9 Grundgesetz – "koordinierende" und keine "eingreifenden" Regelungen seien.
Nikolaus Piper (SZ) kommentiert, dass das Bedürfnis verständlich sei, schädliche Auswirkungen der Verfolgung von Individualinteressen durch kleine Gewerkschaften zu unterbinden – wie etwa bei Lokführern und Piloten. Er hält die geplante Regelung jedoch für verfassungsrechtlich bedenklich und meint, so könne es jedenfalls nicht gehen.
Rechtspolitik
Einfache Gesetzessprache: Bei der Formulierung des geplanten Gesetzes für besseren Kleinanlegerschutz sollen zum ersten Mal Sprachexperten eingesetzt werden, die für Verständlichkeit der Gesetzessprache sorgen sollen. Das meldet die taz.
Datenschutzgrundverordnung: Aus einem geleakten Dokument der Arbeitsgruppe der EU-Regierungen zur Datenschutzgrundverordnung von Ende Februar, ergibt sich laut taz (Svenja Bergt) eine deutliche Aufweichung bedeutsamer Grundsätze, die das EU-Parlament in seinem Vorschlag vom letzten Jahr noch festgeschrieben hatte. Dies betreffe etwa das Prinzip der Datensparsamkeit sowie der Zweckbindung von erhobenen Daten.
Unabhängige Justiz: Christian Bommarius (Berliner Zeitung) nimmt den Fall Edathy sowie weitere kontrovers diskutierte Entscheidungen von Strafverfolgung und Justiz zum Anlass, auf deren Abhängigkeiten zu verweisen. Gerichte könnten nur richten, wenn die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft Anklage erhebe. Erforderlich sei eine echte Justizreform, die für echte Unabhängigkeit sorge.
Kein deutsches Islamgesetz: Rechtsprofessor Hans Michael Heinig spricht sich in der FAZ gegen ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild in Deutschland aus. Tatsächlich bestehende Probleme seien durch ein solches Gesetz nicht in den Griff zu bekommen. Integrations- und Religionspolitik in Zusammenarbeit mit Muslimen, wie sie in Deutschland stattfinde, sei förderlicher. Insbesondere kritisiert er die Schaffung einer Regelung speziell für eine Religion sowie die hoheitliche Festlegung ihrer Organisationsstruktur, was sich schon nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren ließe.
TTIP – Schiedsgerichte: Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der American Arbitration Association Siegfried H. Elsing verteidigt im Handelsblatt die Schiedsgerichtsbarkeit. Für sie spreche die Unabhängigkeit, die staatliche Gerichte mit dem Staat als Prozesspartei nicht zwingend gewährleisteten. Schiedsgerichte seien an die Rechtsordnung gebunden und die Veröffentlichung von Verhandlungen und/oder Akten könne vereinbart werden. Thorsten Koch (vorschriften.blogspot.de) verweist hingegen darauf, dass Entschädigungen – mit welchen die Schiedsgerichte staatliches Fehlverhalten ausgleichen sollen – als Mittel gegen unliebsame staatliche Maßnahme durch das Grundgesetz außerhalb von Enteignung und Amtshaftung gerade nicht vorgesehen seien.
Cannabislegalisierung: SZ (Hannah Beitzer) und lto.de stellen den Gesetzentwurf der Grünen zur Legalisierung von Cannabis vor. Danach sollen Erwachsene streng kontrolliert Cannabis in speziellen Geschäften kaufen dürfen. Der Besitz von bis zu 30 Gramm soll straffrei sein. Die Zeit (Roberto Saviano) beschäftigt sich am Beispiel der USA mit den Auswirkungen der Legalisierung, insbesondere auf die Schwächung von Drogenkartellen durch den Marktverlust, die auch in der europäischen Legalisierungsdebatte beachtet werden sollte.
Justiz
BVerwG zu Flughafen München: Das Bundesverwaltungsgericht wies am Mittwoch die Nichtzulassungsbeschwerden verschiedener Kommunen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München ab, wonach das Planfeststellungsverfahren für die dritte Start- und Landebahn am Flughafen München gültig ist. Über die Beschwerden mehrerer Privatpersonen und des BUND stehen die Entscheidungen des BVerwG noch aus. Das melden Welt und lto.de.
OLG Dresden zu Flugpreisen: Preise bei Flugbuchungen müssen von Beginn an feststehen, nur vermeidbare Zuschläge dürfen noch hinzukommen. Ein vermeidbarer Zuschlag ist es nach Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden jedoch nicht, wenn der angegebene Preis nur für wenig übliche Zahlungsmethoden – hier Mastercard Gold oder Visa Electron – gilt und alle anderen mehr zahlen müssen. Das meldet lawblog.de (Udo Vetter).
VG Ansbach zu geschlechtsspezifischen Namen: Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die Klage eines Transvestiten abgewiesen, dessen Antrag, neben seinem männlichen Vornamen auch einen weiblichen einzutragen, das Standesamt abgewiesen hatte. Das VG stützte sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der ein Vorname dem Geschlecht des Namensträgers nicht eindeutig widersprechen dürfe, meldet lto.de.
Edathy: Die FAZ (Helene Bubrowski) setzt sich - mit Blick auf das Verfahren gegen Sebastian Edathy - mit der Einstellung nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) auseinander. Dass die Voraussetzungen vorgelegen haben, sei im Fall Edathy nicht unvertretbar. Problematisch sei vielmehr im Fall Edathy die verpasste Aufklärung und insgesamt der laxe Umgang mit der Regelung, die so viel weniger Kontrolle aufweise als der eigentliche "Deal" nach § 257c StPO. Heinrich Wefing (Zeit) meint, durch die Einstellung sei all das, was von einem Strafverfahren erwartet werde – insbesondere Rechtsfrieden zu schaffen – nicht erreicht worden.
StA Göttingen – Wulff/Edathy: Die Ermittlungen wegen Geheimnisverrats in den Fällen Wulff und Edathy werden nur noch gegen Generalstaatsanwalt Lüttig geführt. Wie die FAZ meldet, hat die Staatsanwaltschaft Göttingen am Mittwoch die Einstellung der Ermittlungen gegen den früheren Präsidenten des Landgerichts Hannover mangels hinreichenden Tatverdachts mitgeteilt.
StA Neuruppin – BER-Korruptionsaffäre: Als BER-Chef schrieb Hartmut Mehdorn einem ehemaligen Bereichsleiter der Berliner Flughafengesellschaft eine glühende Referenz. Hinweise auf die mittlerweile von der Staatsanwaltschaft Neuruppin untersuchten Korruptionsvorwürfe gegen den Mann, sollen, nach Informationen des Handelsblattes (Massimo Bognanni/Sönke Iwersen), bei der Flughafengesellschaft bereits vor dem Empfehlungsschreiben bekannt gewesen sein. Intern wurde jedoch allenfalls rudimentär ermittelt und die Staatsanwaltschaft nicht informiert.
LG München I – Schumacher-Klage: Michael Schumacher wird voraussichtlich keine Entschädigung in Geld für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Berichte in Illustrierten der Bauer Media Group erhalten. Das ergebe sich aus der Einschätzung der Pressekammer des Landgerichts München I laut SZ (Ekkehard Müller-Jentsch). Das Urteil werde Ende April verkündet.
LG München I – Fitschen u.a.: Die SZ (Klaus Ott) stellt die den Deutsche Bank-Managern gemachten Vorwürfe zu den einzelnen Angeklagten vor. In einem weiteren Beitrag schreibt die SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott) zur harschen Auseinandersetzungen zwischen Verteidigung und Anklagebehörde.
VG Köln – Frequenzauktion: Vor dem Verwaltungsgericht Köln geht das Unternehmen Liquid Broadband gegen das Vergabeverfahren zur anstehenden Auktion von Mobilfunkfrequenzen vor, meldet das Handelsblatt. Neueinsteigern würde der Markteintritt durch das Verfahren faktisch versperrt, weil er zu teuer sei.
LG Braunschweig – Porsche-Prozess: Im Prozess zweier Finanzinvestoren gegen Porsche vor dem Landgericht Braunschweig hat dieses sich am Mittwoch für unzuständig erklärt. Die Klage stütze sich nicht nur auf Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz sondern auch das Kartellrecht. Für Verstöße gegen letzteres sei in Niedersachsen jedoch ausschließlich das Landgericht Hannover zuständig, wo der Fall nun zu verhandeln sei, meldet die FAZ (Joachim Jahn).
StA München – Manipulation bei Transplantation: Die Staatsanwaltschaft München ermittelt nach Meldung von spiegel.de gegen einen früheren Chirurgen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Er soll Blutwerte seiner Patienten manipuliert haben. Dabei soll er in Kauf genommen haben, dass seine Patienten auf der Warteliste für Spenderorgane vor andere schwerkranke Patienten rutschen.
Recht in der Welt
EuG zu Sitz bei Euro-Wertpapierhandel: Für große Wertpapiergeschäfte in Euro müssen sogenannte Abwicklungshäuser nicht im Euroraum ansässig sein, entschied das Gericht der Europäischen Union auf eine Klage Großbritanniens laut SZ und FAZ (Joachim Jahn) am gestrigen Mittwoch. Die Europäische Zentralbank hatte eine entsprechende Verordnung geschaffen, ohne – wie das EuG nun befand – über die erforderliche Befugnis zu verfügen.
Mit Blick auf den in der Diskussion um das OMT-Verfahren zu hörenden Vorwurf mangelnder Kontrolle der EZB, wertet Rechtswissenschaftler Alexander Thiele auf verfassungsblog.de die Entscheidung als Zeichen für eine europäische Justiz, die ihrer Kontrollfunktion durchaus gerecht werde.
Sonstiges
Innereuropäische Kooperation: Reinhard Müller (FAZ) bespricht das politische Verhalten Athens vor dem Hintergrund des Letztentscheidungsrechts der EU-Mitgliedstaaten in Abgrenzung zu ihrer Kooperationspflicht. Kooperation sei von allen Seiten erforderlich, um nicht letztlich einen – beim Scheitern der Stabilitätsgemeinschaft rechtlich möglichen – Ausstieg einzelner Staaten hervorzurufen.
Honig nicht Hoeneß: Die FAZ (Julia Dettke) schreibt zu einer Sat.1-Produktion, die satirisch den Fall Hoeneß unter dem Titel "Udo Honig – Kein schlechter Mensch" verfilmt und voraussichtlich im Herbst ausgestrahlt werden soll.
Das Letzte zum Schluss
Undichte Stelle beim BND: Das Leck, welches beim Bundesnachrichtendienst für Aufsehen sorgte, ließ keine Informationen entweichen. Unbekannte hatten auf der Baustelle zur neuen BND-Zentrale in Berlin Wasserhähne gestohlen und durch die so entstandenen "Lecks" wurde die Baustelle geflutet, meldet die Berliner Zeitung (Andreas Kopietz). Auch den nachfolgenden Spott im Internet hat die Berliner Zeitung (Maike Schutz) zusammengetragen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. März 2015: Beratung über Tarifeinheit – EZB darf nicht alles – Leck beim BND . In: Legal Tribune Online, 05.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14851/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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