Der BGH macht Eltern filesharender Kinder haftbar. Außerdem in der Presseschau: Beate Zschäpes Verteidigung präsentiert Alternativ-Gutachten, Spielsüchtige haben keinen Anspruch auf Durchsetzung einer Spielsperre und Ernst für Mario Barth.
Thema des Tages
BGH zu Filesharing: Eltern, die wissen, dass und welches ihrer Kinder illegale Uploads urheberrechtlich geschützter Werke über den Internetanschluss der Familie vorgenommen haben, müssen wegen ihrer Weigerung, den Namen zu nennen, "gewisse Nachteile im Prozess" hinnehmen. Dies bedeutet nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in aller Regel eine Niederlage im gegen sie angestrengten Schadensersatzverfahren. Auch der grundgesetzlich garantierte Schutz der Familie mache die Nennung des Namens des Urheberrechtsverletzers nicht unzumutbar, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch, erweiterte Online-Version) über das Urteil. Für das klagende Unternehmen streite in solchen Konstellationen sowohl das Recht am geistigen Eigentum als auch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, schreibt die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Die Konsequenzen des Urteils fasst tagesschau.de (Kolja Schwartz) in Frage-und-Antwort-Form zusammen.
In einem Kommentar fragt Hendrik Wieduwilt (FAZ), ob sich die Musikindustrie über "so ein Urteil wohl freuen" könne. Sowohl für Eltern als Kinder gelte nun, dass der Ehrliche der Dumme sei. Dabei würden Tauschbörsen wegen attraktiver legaler Angebote mittlerweile kaum noch genutzt, was die Kreativkonzerne nicht daran hindere, "Urheberrechtsprozesse im industriellen Ausmaß" zu führen. Heribert Prantl (SZ) dagegen hält die Entscheidung für "unmittelbar einsichtig". Eltern seien nach wie vor nicht verpflichtet, Namen von Kindern preiszugeben. Als Störer seien sie aber dennoch schadensersatzpflichtig.
Rechtspolitik
NetzDG: Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz erfährt weitere Kritik. Nach community.beck.de (Thomas Hoeren) verkennt die aktuelle Entwurfsfassung wesentliche Aussagen der E-Commerce-Richtlinie und laufe so deren Ziel, eine Fragmentierung des Binnenmarkts zu verhindern, "diametral entgegen". Aus Sicht von internet-law.de (Thomas Stadler) unterliegt die im Referentenentwurf enthaltene Ergänzung des § 14 Abs. 2 Telemediengesetz, durch die ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen geschaffen werden soll, einem juristischen Irrtum. Dieser offenbare einen weiteren handwerklichen Mangel "eines insgesamt nicht wirklich stimmigen Gesetzesentwurfs".
Wohnungseinbruchdiebstahl: Die Regierungskoalition hat sich darauf verständigt, den Wohnungseinbruchdiebstahl künftig mit einer Mindeststrafe von einem Jahr zu bestrafen. Gleichzeitig sollen Ermittler bei der Verfolgung der Taten mehr Befugnisse erhalten, schreibt die taz (Christian Rath). Ronen Steinke (SZ) verteidigt die Änderung gegen den Vorwurf, bloße Symbolpolitik zu sein. Weil "hundertfach" belegt sei, dass höhere Strafen kaum abschrecken würden, sei "das ganze Strafrecht" symbolisch. Seine Funktion entfalte es durch die in den Strafrahmen zum Ausdruck gebrachten Wertungen von Unrecht. Diese Wertungen müssten "in sich konsistent sein", was die jetzige Änderung verfehle.
Regierungsvorhaben: Die nach der jüngsten Sitzung des Koalitionsausschusses feststehenden Gesetzesvorhaben, die noch vor der Bundestagswahl im Herbst verwirklicht werden sollen, stellt die SZ (Nico Fried) vor. Das hierbei auch beschlossene Verbot sogenannter Kinderehen begrüßt Reinhard Müller (FAZ) im Leitartikel der Zeitung. Mitnichten gehe es hier um eine "paternalistische Ausdehnung eigener Wertvorstellungen", sondern darum, "Maßstäbe geradezurücken", um allen hier lebenden Menschen, gleich welcher Staatsangehörigkeit, die Achtung der geltenden Rechtsordnung als "den gesellschaftlich notwendigen Minimalkonsens" zu vermitteln.
Mutterschutz: Einen Überblick zu der vom Bundestag verabschiedeten Reform des Mutterschutzes bringt zeit.de.
Kinderrechte: Eine nordrhein-westfälische Initiative will am heutigen Freitag einen Beschluss über eine Ergänzung von Artikel 6 Grundgesetz herbeiführen, durch die Kinderrechte speziellen grundrechtlichen Schutz erfahren würden. In ihrem Bericht geht die SZ (Ulrike Heidenreich) auch auf mögliche praktische Auswirkungen ein.
Insolvenzrecht: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet über den Deutschen Insolvenzrechtstag. Eine Ankündigung des Justizministers Heiko Maas (SPD) zu geplanten Steuererleichterungen für Unternehmen in der Sanierungsphase sei dort begrüßt worden. Erst im Februar hatte der Bundesfinanzhof einen entsprechenden Sanierungserlass des Finanzministeriums als Verstoß gegen die Gewaltenteilung gerügt.
Doppelpass: Die Welt (Marcel Leubecher) bringt einen Überblick zur aktuellen Regelung der doppelten Staatsangehörigkeit und einer möglichen Neuregelung nach der kommenden Bundestagswahl.
Justiz
EuGH zu Infopflichten im Onlinehandel: Auf Vorlage des Bundesgerichtshofs hatte der Europäische Gerichtshof den Umfang von Informationspflichten im Onlinehandel zu klären. Er entschied, dass Werbeanzeigen einer Online-Versandplattform in einem Printmedium mit Angaben zu bestimmten Produkten und Preisen als Aufforderung zum Kauf zu verstehen sind. Hieraus folgten grundsätzlich Informationspflichten. Ob Ausnahmen etwa wegen räumlicher Beschränkungen der Anzeige zulässig seien, obliege der Prüfung nationaler Gerichte. Rechtsanwalt Ingo Jung stellt auf lto.de Fall und Rechtsproblematik vor.
BGH zu Eigenbedarfskündigung: Für lto.de bespricht Dominik Schüller das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs zu einer mietrechtlichen Eigenbedarfskündigung bei beabsichtigter Umwandlung von Wohn- in Geschäftsräume. Der Rechtsanwalt geht hierzu auch auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2012 ein, von deren Prinzipien nun abgerückt worden sei.
BGH zu Laser-OP: Der Krankheitsbegriff allgemeiner Versicherungsbedingungen ist nach dem Verständnis von durchschnittlichen Versicherungsnehmern und nicht medizinischer Fachkreise zu bestimmen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs kann eine private Krankenversicherung damit verpflichtet sein, die Kosten einer Laser-Operation zur Beseitigung von Kurzsichtigkeit zu übernehmen. lto.de berichtet.
OLG München – NSU: Ein vom neuen Verteidigerteam Beate Zschäpes beauftragter Psychiater hat der vor dem Oberlandesgericht München Angeklagten bescheinigt, unter einer "dependenten Persönlichkeitsstörung" zu leiden. Diese habe sie daran gehindert, das Unrecht der Taten ihrer beiden Untergrundgefährten einzusehen oder Konsequenzen daraus zu ziehen. Der Bericht der SZ (Annette Ramelsberger/Wiebke Ramm) macht darauf aufmerksam, dass Zschäpe vor Gericht gerade nicht hilflos aufgetreten sei. Über das neue Gutachten, das die Verteidigung in der kommenden Woche in das Verfahren einführen will, schreibt auch die taz (Daniel Bax).
LG Bremen – Ivan Klasnic: Das Landgericht Bremen wird am heutigen Freitag eine Entscheidung zu der Klage des früheren Fußballprofis Ivan Klasnic treffen, der behauptet, dass Ärzte seines damaligen Arbeitgebers Werder Bremen eine Nierenschwäche falsch behandelt haben. Das jahrelange Verfahren stellt spiegel.de (Benjamin Schulz) vor. Der Bericht der Welt (Jean Mikhail) geht auch auf Klasnics aktuelle gesundheitliche Probleme ein.
LG Bielefeld zu Selbstsperre: Zwei Spielsüchtige sind vor dem Landgericht Bielefeld mit dem Versuch gescheitert, Spielotheken zu ihrer Sperrung zu verpflichten. Das Gericht habe sich auf den Standpunkt des beklagten Unternehmens gestellt, nach dem es für die geforderte Maßnahme in Nordrhein-Westfalen keine gesetzliche Grundlage gebe, schreibt spiegel.de (Benjamin Schulz). Auch das aus dem Glücksspielstaatsvertrag abgeleitete Gebot zur Entwicklung von Sozialkonzepten begründe keine Verpflichtung, Spielsüchtigen den Zugang zu Spielautomaten zu verweigern.
AG Soltau zu Dschungelcamp-Besuch: Wegen Verwendung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses hat das Amtsgericht Soltau die Mutter des Models Nathalie Volk zu 140 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Die Verurteilte hatte Anfang 2016 ihre Tochter zu deren Auftritt im "Dschungelcamp" begleitet, obwohl ihr als Gymnasiallehrerin der beantragte Sonderurlaub verweigert worden war. Die SZ (Thomas Hahn) berichtet über das "Lehrstück" des Aufeinandertreffens von Schein- und Alltagswelt.
Recht in der Welt
EuGH – Genmais: Generalanwalt Michal Bobek hat vor dem Europäischen Gerichtshof dargelegt, dass nationale Sofortmaßnahmen zu genetisch veränderten Lebensmitteln nur dann erlassen werden dürften, wenn neben Dringlichkeit auch ein offensichtliches und ernstes Gesundheitsrisiko nachweisbar sei. Ein italienisches Verbot des Anbaus von Genmais habe die Voraussetzungen nicht erfüllt, so lto.de über das Verfahren.
Italien – Ausbeutung: Die taz (Martina Kollross) erzählt die Geschichte eines Arbeitsmigranten aus Bangladesh, der sich in Italien erfolgreich gegen ausbeuterische Praktiken eines Landsmanns zur Wehr setzte und erreicht hat, dass sein früherer Chef nun wegen Menschenhandels angeklagt ist.
USA – Trump University: Nach Bericht von spiegel.de stehen die Auseinandersetzungen zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und Kunden seiner sogenannten Trump University vor der vergleichsweisen Beendigung. Zwei der fast 4.000 Sammelkläger verweigerten sich aber bislang noch einer Einigung.
Venezuela – Parlament: Weil die Nationalversammlung fortwährend gegen geltendes Recht verstoße und hierdurch ihre gesetzgeberischen Kompetenzen verwirkt habe, hat ihr das Oberste Gericht Venezuelas diese Befugnisse entzogen. Ab sofort und auf unbestimmte Zeit würden sie vom "regimehörigen" Gericht selbst ausgeübt, schreibt die FAZ (Matthias Rüb). Das Landesparlament wird von Parteien dominiert, die in Opposition zum Präsidenten des Landes stehen.
Sonstiges
Türkisches Verfassungsreferendum: Seit Beginn dieser Woche können in Deutschland lebende türkische Staatsangehörige über die von Präsident Erdoğan betriebene Verfassungsreform abstimmen. Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Hannah Birkenkötter und Anna von Notz untersuchen auf verfassungsblog.de die Rechtsgrundlagen der hierzu von der Bundesregierung erteilten Genehmigung.
Parkraumbewirtschaftung privat: Supermärkte gehen nach Darstellung der SZ (Felicitas Wilke) zunehmend dazu über, die Überwachung ihrer Parkplätze privaten Dienstleistern zu überlassen. Diese Firmen gingen in der Verteilung von Strafzetteln wenig zimperlich vor und die Höhe von Bußgeldern auf öffentlichen Parkplätzen werde deutlich überstiegen.
Marktwächter: Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat eine positive Bilanz der vor zwei Jahren auf Betreiben des Bundesjustizministeriums eingeführten Marktwächter gezogen. Über die von der VZBV vorgestellten Zahlen und zu herausragenden Einzelfällen der für die Verbraucherschützer als Frühwarnsysteme arbeitenden Wächter berichtet das Hbl (Dietmar Neuerer).
Das Letzte zum Schluss
Mario Barth: Am Humor des Comedians Mario Barth scheiden sich die Geister. Gar nicht lustig ist ein Verfahren, dass dem Witzbold nun in Österreich am Hals hängt. bild.de berichtet, dass die Nachbarin einer dort von Barth neu gebauten Luxus-Villa wegen angeblicher Beschädigungen ihres Grundstücks vor dem Landesgericht Innsbruck 250.000 Euro fordert.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 31. März 2017: Eltern haften für ihre Kinder / Störung bei Zschäpe? / Kein Anspruch auf Sperrung . In: Legal Tribune Online, 31.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22533/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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