Der Bundestag hat die Reform des Bleiberechts verabschiedet. Außerdem in der Presseschau: Biss-Exzess eines Polizeihundes, TÜV Rheinland muss doch nicht wegen schlechter Brustimplantate zahlen und eine besondere Sicherstellung.
Thema des Tages
Bleiberechtsreform: Der Bundestag hat die Aufenthaltsrechtsreform verabschiedet. Danach darf langfristig bleiben, wer acht Jahre – bzw. sechs Jahre bei Aufenthalt mit minderjährigem Kind – ununterbrochen in Deutschland lebt und Sprachkenntnisse sowie einen gesicherten Lebensunterhalt vorweisen kann. Wer falsche Angaben macht, keine Dokumente vorweisen kann oder Geld an Schlepper zahlt, kann in Haft genommen werden. Im Übrigen soll schneller als bisher abgeschoben werden, wer keine Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht hat. Wer verdächtig ist, sich der Abschiebung entziehen zu wollen, kann bis zu vier Tage in Gewahrsam kommen und bei Verscheierung der Identität und Herkunft können Computer und Handy ausgelesen werden. Es berichten zeit.de und spiegel.de.
Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) setzt sich mit der ambivalenten Botschaft von Einladen und Abweisen auseinander und meint, diese müsse ausgehalten werden, wie auch die Botschaft, dass vieles so weiter gehen werde wie bisher. Reinhard Müller (FAZ) begrüßt das Nebeneinander von liberalen Einwanderungs- und rigiden Abschieberegelungen, kritisiert aber die mögliche Inhaftierung für Zahlungen an Schlepper.
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Am gestrigen Donnerstag diskutierte der Bundestag die Gesetzesvorschläge zur Suizidhilfe. zeit.de (Katharina Schuler) bringt noch einmal einen Überblick über die Vorschläge. Unter anderem die taz (Heike Haarhoff) berichtet von der Debatte und meldet, dass Roger Kusch bereits Verfassungsbeschwerde angekündigt habe.
Karenzzeit: Nach Meldung der FAZ (Joachim Jahn) "wollte" der Bundestag das Gesetz zur Regelung der Karenzzeit für Politiker – 12 Monate im Regelfall, 18 Monate bei Ausnahmen – am gestrigen Donnerstag endgültig verabschieden.
Justiz
EuGH zu Wasserrahmenrichtlinie: Rechtsprofessor Felix Ekardt befasst sich auf lto.de mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Vorlageverfahren zur Wasserrahmenrichtlinie. Es könne neben Flussvertiefungen auch für Kohlekraftwerksbetrieb und Landwirtschaft relevant werden. Unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen zugelassen werden könnten, sei durch den EuGH noch nicht geklärt, wie auch die naturwissenschaftlichen Voraussetzungen einer Verschlechterung noch unklar seien.
BGH zu Freisprüchen für Rechtsextreme: Nachdem sie einen Kioskbesitzer fast zu Tode getreten hatten, wurden vier der rechten Szene zugeordnete Männer wegen versuchten Totschlags verurteilt. Fünf weitere, die sich – nicht auszuschließen – nur daran beteiligt hatten, dem Mann einen Stock abzunehmen, mit dem er auf sie losging, und ihn zu Boden zu bringen, wurden freigesprochen. Dies bestätigte nun der Bundesgerichtshof. Der Tagesspiegel (Ursula Knapp/Frank Jansen) berichtet.
OLG Karlsruhe zu Biss-Exzess durch Polizeihund: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein Hundeführer seinen Hund so kontrollieren können muss, dass dieser bei einer Festnahme nur den einen zur Festnahme erforderlichen Biss setzt. Mehrfache Bisse an Unter- und Oberarmen, die der Kläger erlitten hatte, waren auf eine jedenfalls fahrlässige Dienstpflichtverletzung zurückzuführen und verpflichteten den Dienstherrn zu Schadensersatz, berichtet lto.de.
OLG Stuttgart zu Wettbewerbsrecht: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat laut lto.de entschieden, dass die Ankündigung, auch Rabattmarken der Konkurrenz anzunehmen, nicht wettbewerbswidrig ist. Der Kunde könne sich weiter frei entscheiden und die Werbung werde dadurch auch nicht sinnlos.
OVG Lüneburg zu Gorleben: Der Eilantrag gegen die Verlängerung der Veränderungssperre für den Salzstock Gorleben ist auch in letzter Instanz gescheitert. Nach Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg lagen die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung nicht vor, den Antragstellern sei das Abwarten der Hauptsache zuzumuten, meldet die taz (taz.de-Onlinemeldung).
LG Lüneburg – Auschwitz-Prozess: Der Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning vor dem Landgericht Lüneburg wurde vertagt, nachdem der Angeklagte nicht erschien. Es werde zukünftig aus gesundheitlichen Gründen wohl nur noch einmal in der Woche verhandelt, meldet spiegel.de (Giesela Friedrichsen) und berichtet von der am Vortag erfolgten bedrückenden Aussage einer seinerzeit 13-jährigen Überlebenden.
ArbG Bonn zu Poststreik: Die Gewerkschaft Ver.di ist auch mit ihrem erneuten Eilantrag wegen des Einsatzes von Beamten als Streikbrecher vor dem Arbeitsgericht Bonn gescheitert, berichten taz und lto.de. Die lediglich festzustellenden vereinzelten nicht freiwilligen Einsätze von Beamten rechtfertigten keinen tiefgreifenden Eingriff in die Betriebsorganisation der Post.
VG Köln zu Tierhaltung im reinen Wohngebiet: Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden, dass im reinen Wohngebiet – auch bei ländlicher Prägung – grundsätzlich nur solche Tiere gehalten werden dürfen, die dort typischer Weise anzutreffen sind. Gänse, um die es im zugrundeliegenden Fall ging, gehörten nicht dazu, meldet nun auch lawblog.de (Udo Vetter). Die Berufung ist zugelassen.
AG Augsburg zu Robenpflicht: internet-law.de (Thomas Stadler) kommentiert das Urteil des Amtsgerichts Augsburg nach dem es eine gewohnheitsrechtliche Robenpflicht vor dem Amtsgericht (Augsburg) in Zivilsachen geben soll. Es genüge nur eine bundesweite Gewohnheit, da das Gerichtsverfassungsrecht Bundesrecht ist, die es aber nicht gebe. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stelle für die Berufstracht der Rechtsanwälte auf deren Berufsordnung (BORA) ab, welche aber gerade keine Robenpflicht vor dem Amtsgericht in Zivilsachen statuiere.
SG Frankfurt zu Hartz-IV-Kürzungen: Versäumt ein krankgeschriebener Bezieher von SGB II-Leistungen mehrere Termine und bestehen Zweifel an seinem Krankheitszustand, so darf die Behörde eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung verlangen und bei Nichtbeibringung trotz Krankschreibung die Leistungen kürzen. Das entschied das Sozialgericht Frankfurt laut taz.
GBA – NSA-Überwachung: Laut netzpolitik.org (Markus Beckedahl) prüft der Generalbundesanwalt wegen der sich aus den aktuellen Wikileaks-Enthüllungen ergebenden Spionagevorwürfe erneut strafrechtliches Vorgehen gegen NSA-Mitarbeiter.
StA Stuttgart – Stuttgart 21: Wie spiegel.de (Jan Friedmann) berichtet, haben Stuttgart 21-Gegner Strafanzeige wegen Untreue gegen Aufsichtsratsmitglieder der Deutsche Bahn AG gestellt. Durch Zustimmung zum Weiterbau trotz bekannter erheblicher Risiken von Mehrkosten – was sich aus Vermerken des Bundeskanzleramts ergebe – hätten sie ihre Pflicht zur Betreuung der Vermögensinteressen der Deutschen Bahn verletzt und ihr Vermögensnachteile zugefügt.
Recht in der Welt
GenA-EuGH – audiovisuelle Mediendienste: Nach einer Stellungnahme des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof sind Online-Angebote von Tageszeitungen - auch wenn sie Videos enthalten - keine audiovisuellen Mediendienste im unionsrechtlichen Sinn. Die stärkere Regulierung dieser Dienste soll laut Generalanwalt nur Online-Formate des klassischen Fernsehangebots erfassen. Es berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
EuG – Atomstromsubvention: Die EU-Kommission hatte im vergangenen Herbst Großbritannien erlaubt zwei neue Atommeiler mit Steuergeldern zu bezuschussen. Mehrere Ökostromanbieter und deutsche Stadtwerke werden laut FAZ in den nächsten Tagen Klage beim Europäischen Gericht dagegen einreichen.
Frankreich – TÜV/Brustimplantate: Im Berufungsverfahren hat das zuständige französische Gericht entschieden, dass der TÜV Rheinland doch keinen Schadensersatz wegen der Siegelvergabe an mangelhafte Brustimplantate der Firma PIP zahlen muss. Die Institution sei ihren Prüfpflichten korrekt nachgekommen und von PIP getäuscht worden. Es berichten unter anderem FAZ (Christian Schubert), zeit.de und lto.de.
Österreich – Urteil gegen Jenaer Student rechtskräftig: Wie lto.de berichtet, hat nun das Oberlandesgericht in Wien die Verurteilung eines Jenaer Studenten bestätigt, der wegen des ihm vorgeworfenen Verhaltens bei einer Demonstration gegen den Wiener Akademikerball zu einem Jahr verurteilt wurde. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Acht Monate der Freiheitsstrafe waren zur Bewährung ausgesetzt, wegen seiner Zeit in Untersuchungshaft muss der Mann keine Strafe antreten.
Sonstiges
BND-Fernmeldeüberwachung im Ausland: Rechtswissenschaftler Björn Schiffbauer befasst sich auf juwiss.de im ersten Teil eines am heutigen Freitag fortzusetzenden zweiteiligen Beitrags mit der Überwachung des ausländischen Fernmeldeverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst. Dass dieser Teil der Fernmeldeüberwachung von den für Deutsche geltenden Beschränkungen ausgenommen ist, sei – im Hinblick auf das Jedermann-Grundrecht aus Art. 10 Grundgesetz und die auch für den BND geltende Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt nach Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz – verfassungswidrig.
Greferendum verfassungsgemäß: Die Rechtswissenschaftler Alexandros Kessopoulos und Ntina Tzouvala begründen auf verfassungsblog.de in einem englischen Beitrag, warum das für Sonntag angesetzte Referendum in Griechenland nach dortigem Verfassungsrecht zulässig ist.
Das Letzte zum Schluss
Tonnenschwere Sicherstellung: spiegel.de und FAZ (Frank Pergande) berichten von der sich etwas schwierig gestaltenden Sicherstellung eines 43-Tonnen Panzers aus dem ersten Weltkrieg. Der Panzer stand in der Kellergarage eines Sammlers gegen den wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt wird. Sein Anwalt gibt an, alle Waffen der Sammlung wie auch der Panzer seien nicht mehr funktionstüchtig.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. Juli 2015: Verschärftes Bleiberecht – Nur ein Biss – Tonnenschwere Sicherstellung . In: Legal Tribune Online, 03.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16082/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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