Die Anwälte von Gustl Mollath können sich nicht von ihrem Pflichtmandat entbinden lassen. Außerdem in der Presseschau: Parlamentsvorbehalt bei Bundeswehreinsätzen, anwaltliche Hilfe als Recht des Arbeitnehmers, Russland muss Schadensersatz in Milliardenhöhe zahlen und warum ein Hartz-IV-Empfänger trotz Rotlichtbesuchen seine Bezüge nicht zurückzahlen muss.
Thema des Tages
LG Regensburg – Mollath: Das Landgericht Regensburg hat den Antrag der Verteidiger Gustl Mollaths abgelehnt, sie von ihrem Pflichtmandat zu entbinden. Mollaths Anwälte, der prominente Strafverteidiger Gerhard Strate sowie sein Kollege Johannes Rauwald, stellten den Antrag wegen Zweifeln an Mollaths Loyalität am Montag. das Gericht folgte dem Antrag nicht, weil keine ausreichenden Gründe für eine nachhaltige Erschütterung des Vertrauens dargelegt seien. spiegel.de (Beate Lakotta) berichtet, Mollath habe 27 Beweisanträge gestellt; ihm sei es von Anfang an um seine vollständige Rehabilitation gegangen. Mollath habe seinem Verteidiger Strate vorgeworfen, er kämpfe nicht ausreichend für einen "Freispruch erster Klasse". Die Beweisanträge Mollaths habe Strate als "Mist" bezeichnet. Zuvor hatten Strate und Rauwald ihr Mandat als Wahlverteidiger niedergelegt und das Gericht die beiden Anwälte als Pflichtverteidiger bestellt.
Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet im Bayern-Teil, Mollath habe auf die Anhörung weiterer Zeugen und Sachverständigen gedrängt, um seine Unschuld zu beweisen. Dabei habe es sich mehrheitlich um Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder der Hypo-Vereinsbank gehandelt, die Auskunft geben sollten über die illegalen Geldgeschäfte und einen möglichen Komplott zur Unterbringung Mollaths in der geschlossenen Psychiatrie.
Albert Schäffer (FAZ) meint, ohne Strate wäre es kaum zur Wiederaufnahme des Verfahrens gekommen und hätte Mollath schwerlich die psychiatrische Klinik verlassen können, Die Vorsitzende Richterin Elke Escher habe nun erklärt, Mollath sei "bislang hervorragend verteidigt" worden.
Rechtspolitik
Betreuungsgeld: Ulrike Heidenreich (SZ) äußert sich kritisch zum Betreuungsgeld für Familien und resümiert, dass in diesem "Wirrwarr" das Bundesverfassungsgericht helfen könnte. Es befinde im kommenden Jahr über eine Klage gegen das Betreuungsgeld und habe "schon andere Haltungen in der Familienpolitik, die gesellschaftliche Entwicklungen konterkarieren, zu einem Guten gewendet". Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) halte solange am Betreuungsgeld fest.
Parlamentsvorbehalt bei Bundeswehreinsätzen: Die SZ (Christoph Hickmann) befasst sich mit dem Parlamentsvorbehalt bei Bundeswehreinsätzen im Ausland. Derzeit prüfe eine Kommission zur "Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr", wie der deutsche Parlamentsvorbehalt "auf die Höhe der Zeit" zu bringen sei. Angesichts zunehmender multinationaler Einsätze stehe der Parlamentsvorbehalt unter Verbündeten Deutschlands in der Kritik, weil er Deutschland "zu unflexibel" mache.
Armutseinwanderung: Die FAZ (Jan Hauser) berichtet über einen Gesetzentwurf aus dem Innenministerium, nach dem gegen eine mögliche Einwanderung in die Sozialsysteme (sogenannte Armutseinwanderung) etwa mittels Einreisesperren und erleichterter Ausweisung vorgegangen werden soll. Zu den einzelnen geplanten Maßnahmen kommen Stimmen aus der Städtepolitik zu Wort.
Sorgerechtsentzug: Die SZ (Wolfgang Janisch, Charlotte Theile) befasst sich mit der Frage, ob Jugendämter und Gerichte in der Praxis über das Ziel hinausschießen, indem sie Kinder wegen der Gefährdung ihres Wohls von Eltern vorschnell trennen oder diesen das Sorgerecht entziehen. So häuften sich Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen von Jugendämtern und Gerichten korrigiert. Das BVerfG mahne dann oft zum Einsatz milderer Mittel, etwa psychologischer Hilfe und Unterstützung im Haushalt.
Mietpreisbremse: Die Immobilienbranche hat die Pläne des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) positiv aufgenommen, die gesetzliche Mietpreisbremse für Neubauten nun doch nicht einzuführen. Die FAZ (Michael Psotta, Joachim Jahn) berichtet.
Vorratsdatenspeicherung nach EuGH-Urteil: Die IT- und Medienrechtlerin Franziska Boehm erklärt im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) das Ausmaß des EuGH-Urteils zur Vorratsdatenspeicherung. Nicht nur die Neuregelung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung sei künftig schwer umsetzbar, auch die anhaltende anlasslose Speicherung von Bank- und Passagierdaten und deren Weitergabe an die USA müsse neu verhandelt werden.
Justiz
ArbG Dortmund zu anwaltlicher Hilfe: blog.beck.de (Christian Rolfs) berichtet über ein Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund, dem zufolge eine Kündigung wegen Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a des Bürgerlichen Gesetzbuches verstößt und daher unwirksam ist. Die Klägerin, eine Angestellte im Servicebereich, habe Urlaub antreten wollen und nach einer Unstimmigkeit mit ihrem Arbeitgeber einen Anwalt beauftragt, sich an den Arbeitgeber zu melden. Dieser kündigte, weil das Vertrauensverhältnis wegen Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zerstört sei – zu Unrecht, so das ArbG Dortmund.
LG Braunschweig - Befangenheitsantrag gegen Porsche-Richter: Die FAZ (Joachim Jahn) meldet, dass ein Kläger im Milliarden-Prozess mehrerer Großinvestoren gegen Porsche einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht Braunschweig Stefan Puhle gestellt hat. Der Kläger spiele damit auf Zeit: Als Verkündungstermin sei Mittwoch angesetzt gewesen, und das LG habe unter dem Vorsitz Puhles alle Klagen dieser Art in den vergangenen Jahren abgewiesen.
VG Berlin zu schulischer Integration: lto.de berichtet von einem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin, nach dem Schulplätze für Berliner Integrationskinder nicht verlost werden dürfen. Die Klägerin hatte sich für eine siebte Klasse an einer Berliner Schule mit sonderpädagogischem Förderbedarf beworben und keinen Platz erhalten; die Schule hatte die Plätze verlost. Nach Ansicht des VG habe die Schule damit gegen das Schulgesetz verstoßen, das ein Losverfahren nicht vorsehe. Stattdessen müsse ein Ausschuss sämtliche Unterlagen sichten und die Betroffenen anhören.
LG München I zu Drosselung: Nach einem Urteil des Landgerichts München I führte eine Werbeanzeige des Netzbetreibers Kabel Deutschland Kunden in die Irre. In der vom Verbraucherzentrale Bundesverband erfolgreich monierten Anzeige habe Kabel Deutschland seinen Kunden "extreme Geschwindigkeiten beim Surfen und Herunterladen im Netz" versprochen, während zugleich im Kleingedruckten eine Drosselung für Filesharing-Anwendungen vorgesehen gewesen war. sueddeutsche.de berichtet.
LG Essen – Middelhoff: handelsblatt.com und Die Welt (Michael Gassmann) berichten vom Untreue-Prozess gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff vor dem Landgericht Essen wegen privater Charter- und Hubschrauberflüge auf Firmenkosten. Wer Middelhoffs Gläubiger sind, fasst die SZ (Uwe Ritzer) zusammen.
BVerfG – Bankenunion: Die SZ (Markus Zydra) berichtet über die Verfassungsbeschwerde einer Gruppe von Ökonomen um den Wirtschaftsprofessor Markus Kerber gegen die sogenannte Bankenunion. Die EZB soll die Aufsicht über Europas wichtigste Banken übernehmen; die Bundesregierung hat kürzlich ein Gesetzespaket zur Umsetzung auf den Weg gebracht. Nach der Ansicht Kerbers finde sich hierfür in den europäischen Verträgen keine Rechtsgrundlage.
BVerfG zu Rechten von Großeltern: Die Anwältin Jutta Wagner analysiert auf lto.de einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von vergangenem Freitag, wonach sich Großeltern bei der Auswahl eines Vormundes für den Enkel zwar nicht auf das Elterngrundrecht, aber auf das Familiengrundrecht berufen können. Dabei hätten sie - aber nicht automatisch Vorrang vor anderen Verwandten, was Wagner begrüßt. Sie kritisiert jedoch, dass das BVerfG Großeltern kein Beschwerderecht gegen Entscheidungen des Familiengerichts einräumte.
Recht in der Welt
Internationaler Schiedshof– Yukos: Russland muss die früheren Aktionäre des Ölkonzerns Yukos wegen der Zerschlagung des Konzerns in Höhe von etwa 37 Milliarden Euro entschädigen. Das entschied der Internationale Schiedshof in Den Haag bereits vor zehn Tagen, wie am Montag bekannt wurde. Die Zerschlagung sei politisch motiviert gewesen, so das Gericht. Russland will die Entscheidung offenbar anfechten, wie u.a. die taz (Ingo Arzt) berichtet. Die FAZ (Helene Bubrowski) und spiegel.de (Stefan Schultz) analysieren, welche Rechtsmittel bestehen und wie das Urteil vollstreckt werden könnte. Die Badische Zeitung (Christian Rath) hält Fragen und Antworten zur Rolle des Schiedsgerichts und zum Ablauf des Prozesses bereit.
Spanien – "Google-Steuer": Der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses in Spanien hat einen Gesetzestext über den Schutz des Urheberrechts (sogenannte "Google-Steuer") gebilligt. Das berichtet die taz (Sebastian Erb). Nach dem Entwurf sollen Urheber eine gerechte Vergütung bekommen "für Textausschnitte, die anderswo online veröffentlicht werden" – ähnlich dem deutschen Leistungsschutzrecht. Bei Verstößen sollen Strafen von bis zu 300.000 Euro anfallen.
USA – Bose gegen Beats: Wie die SZ (Helmut Martin-Jung/Pascal Paukner) berichtet, verklagt das Hifi-Unternehmen Bose seinen Mitbewerber Beats vor einem amerikanischen Gericht sowie der Handelskommission ITC. Es stehen Patentverletzungen um die Technologie zur aktiven Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen im Raum.
Sonstiges
Bundeskartellamt - Holzverkauf: Wie die FAZ (ols) berichtet, muss die Forstverwaltung des Landes Baden-Württemberg den zentralen Holzverkauf des Landes neu ordnen. Vom Bundeskartellamt gehe entsprechender Druck aus: Der gemeinsame Holzverkauf durch die Landesbetriebe bewirke "eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung", so der Präsident des Kartellamts Andreas Mundt.
Freiburger Polizei - Aufruf zur Selbstjustiz: Die Freiburger Polizei warnt im Fall eines getöteten achtjährigen Jungen vor Selbstjustiz bei der Suche nach dem Täter. Anscheinend kursieren gefälschte Phantombilder des vermeintlichen Täters. spiegel.de und die FAZ (Rüdiger Soldt) berichten.
Das Letzte zum Schluss
SG Heilbronn zu Hartz IV nach Rotlichtbesuchen: Nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn muss ein Empfänger von Hartz-IV seine Bezüge nicht zurückzahlen, auch wenn er sein sogenanntes Schonvermögen im Rotlichtmilieu ausgegeben hat. Das meldet spiegel.de. Der klagende Hartz-IV-Empfänger hatte Teile seiner Erbschaft für Rotlichtbesuche ausgegeben und war dadurch schnell wieder auf Hartz IV angewiesen. Das Jobcenter forderte ihn zur Rückzahlung der Leistungen auf – der Mann klagte. Einerseits war der Bescheid unbestimmt und widersprüchlich, entschied das SG Heilbronn. Außerdem: Wie der Vermögensfreibetrag verwendet werde, sei irrelevant.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Juli 2014: Mollath-Anwälte bleiben – Arbeitnehmer und anwaltliche Hilfe – Yukos-Urteil gegen Russland . In: Legal Tribune Online, 29.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12710/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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