Die VG Wort darf laut BGH nicht pauschal an Verlage ausschütten. Außerdem in der Presseschau: Maas will die Abschaffung des § 103 StGB beschleunigen, Wachleute sollen Flüchtlinge erpresst haben und Spionageabwehr auf chinesisch.
Thema des Tages
BGH zu VG Wort: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Verwertungsgesellschaft (VG) nicht pauschal wie bisher 30 bis 50 Prozent ihrer Einnahmen aus der Zweitverwertung an Verlage zahlen darf. Ein Autor und auf das Urheberrecht spezialisierter Jurist hatte geklagt und Recht darin bekommen, dass das Urheberrecht Autoren, aber eben nicht Verlagen zustehe. Auf Letztere können nun hohe Rückzahlungen zukommen, die die Kleineren unter ihnen in den Ruin treiben dürften. Der BGH schließt sich mit seinem Urteil der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an. Es berichten taz (Christian Rath), Rechtsanwalt Günter Poll auf lto.de, SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Joachim Jahn). Ein Eingreifen des Gesetzgebers wird gefordert. Der wiederum hält jedoch die europäische Lösung für erforderlich.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hat bereits die Schließung der Akademie Berufliche Bildung deutscher Zeitungsverlage angekündigt. Sie werde aus VG Wort-Einnahmen finanziert, seit sich Verleger in den achtziger Jahren verpflichtet hatten diese für Zwecke journalistischer Bildung einzusetzen.
Die FAZ (Michael Hanfeld) zieht das US-Urteil zur Digitalisierung durch Google vergleichend heran und sieht auf beiden Seiten des Atlantik zu geringe Wertschätzung für die Leistung der Verlage.
Rechtspolitik
§ 103 StGB: Bundesjustizminister Heiko Maas soll laut lto.de bereits an einem Gesetzentwurf arbeiten, um den sogenannten Schah-Paragraphen – § 103 Strafgesetzbuch, der durch die Causa Böhmermann in die Diskussion geraten ist – noch schneller abzuschaffen als bisher von der Koalition geplant.
Terrorismusbekämpfung: Das Anti-Terror-Paket der Regierungskoalition hat sich nun auch netzpolitik.org (Markus Reuter) näher angesehen und zeigt die geplanten Regelungen auf. Die SZ (Kristiana Ludwig) befasst sich eingehender mit der geplanten Sammlung von Personaldaten von Prepaid-Karten-Käufern. Laut FAZ (Günter Bannas) hat die Regierungskoalition sich auf der kürzlichen Klausurtagung in Rust außerdem geeinigt, die Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei "Dschihadisten" mit doppelter Staatsbürgerschaft zu prüfen. Terrorismusfinanzierung soll durch Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei "Islamistischen und anderen extremistischen Spendensammelvereinen" erschwert werden.
TTIP: Kommende Woche wird wieder über TTIP verhandelt und die SZ (A. Hagelüken u.a.) sieht noch vier Hürden. Die taz bringt einen Sonderteil zu TTIP, unter anderem mit einem Interview mit dem Ökonom und Nobelpreisträger Joseph E. Stieglitz durch taz (Eric Bonse) und einer Auseinandersetzung mit der Frage, was Europa aus den Erfahrungen Mexikos mit dem Freihandel mit den USA und Kanada lernen kann, taz (Wolf-Dieter Vogel). Das HBl (Torsten Riecke/Moritz Koch) interviewt den US-Handelsbeauftragten Michael Froman. zeit.de (Steffen Dobbert) setzt sich mit Vorteilen auseinander, für die Kritiker im Protest blind seien.
Societas Unius Personae: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich mit einem Brief an deutsche Abgeordnete des EU-Parlaments gewandt, damit diese das Projekt zur Schaffung einer europäischen Einpersonengesellschaft stoppen, berichtet die SZ (Detlef Esslinger). Die Gesellschaftsform ermögliche Briefkastengesellschaften und fördere damit Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Mangels Vorgaben zur Identitätskontrolle sei das Auffinden der hinter der Gesellschaft stehenden Person für Gläubiger und Strafverfolgungsbehörden erschwert.
Justiz
StA München I – Erpresste Flüchtlinge: Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die in einer Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge das Wachpersonal stellt, berichtet br.de (Oliver Bendixen/Peter Kveton). Geldbeträge von Flüchtlingen, die 750,- Euro übersteigen, behält Bayern ein und verrechnet sie mit Unterbringung und Verpflegung. Die Wachleute sollen mehrere hundert Euro für sich gefordert und dafür eigentlich einzubehaltende Beträge nicht festgehalten haben. Weigerten sich Geflüchtete, soll mit schneller Abschiebung gedroht worden sein. Die StA werte das als Erpressung.
EuGH, BVerfG – OMT: Der wissenschaftlicher Mitarbeiter Daniel Benrath hält auf juwiss.de Prognosen, die aus dem Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im OMT-Verfahren einen anstehenden offenen Bruch im Verhältnis zum EuGH lesen wollen, für fehlgeleitet. In dem Beschluss eine qualifizierte Vorlage zu sehen, die lediglich versucht mit Hilfe der eigenen Rechtsauffassung eine zulässige Vorlage zu formulieren, sei konsequenter und zielführender.
BVerfG zu BKA-Gesetz: Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz befassen sich nun auch Rechtsanwalt Eren Basar auf lto.de und Rechtsprofessorin Indra Spiecker genannt Döhmann auf verfassungsblog.de.
BGH – Sparkasse/Santander: Im Streit um die rote Farbmarke zwischen der Sparkasse und der Bank Santander hat der Bundesgerichtshof nach bereits 13 Parteigutachten ein unabhängiges Gutachten ins Spiel gebracht, berichten die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und Welt (Karsten Seibel). Dafür müsste das Verfahren erneut an das Bundespatentgericht zurückverwiesen werden. Die Entscheidung soll am 21. Juli verkündet werden.
Joachim Jahn (FAZ) hält die dabei entscheidende Frage, wie verbreitet die Assoziation der Farbe mit der Sparkasse in der deutschen Bevölkerung ist, in einem zusammenwachsenden Europa für antiquiert. Was in Spanien zum Straßenbild gehöre müsse auch in Deutschland erlaubt sein.
BGH – HSH-Prozess: Die Bundesanwaltschaft hat zur Revision im Verfahren gegen Ex-Vorstände der HSH-Nordbank Stellung genommen und das Urteil zerpflückt, berichtet das HBl (Volker Votsmeier/Frank M. Drost), dem die Stellungnahme vorliegt. Die Annahme, Dirk Jens Nonnenmacher und seine Mitangeklagten hätten ihre Vermögensbetreuungspflicht nicht verletzt, begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken und auch der Freispruch vom Vorwurf der Bilanzfälschung lasse sich nicht halten.
BAG zu Betriebsrats-Server: Das Urteil des Bundesarbeitsgericht von Mittwoch, nach dem einem Betriebsrat kein separater Server zur Verfügung gestellt werden muss, erläutern nun Rechtsanwalt Christian Oberwetter auf lto.de und Rechtsanwalt Bernd Weller auf dem Handelsblatt-Rechtsboard.
OLG Stuttgart – Terrorprozess: Im Prozess gegen vier mutmaßliche Terrorunterstützer vor dem Landgericht Stuttgart hat sich herausgestellt, dass einer der Angeklagten als V-Person für das LKA Baden-Württemberg tätig war, als das BKA gegen ihn ermittelte, schreibt der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt). Was das BKA wann wusste sei noch nicht klar, aber es könnte sich um einen Lockvogel handeln und Ärger mit der Verteidigung sei nun vorprogrammiert.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess haben Zwillingsbrüder die Aussage verweigert, die in den neunziger Jahren die Jenaer Neonazi-Szene mit Waffen versorgt haben sollen und von denen sich das Oberlandesgericht München Antworten auf Fragen zur Beschaffung der mutmaßlichen NSU-Mordwaffe vom Typ "Ceska" erhoffte. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft bestehe der Verdacht, dass einer der Brüder noch ein Waffenlager besitze, weshalb er sich nicht selbst belasten müsse, sein Bruder könne als Verwandter schweigen, berichtet spiegel.de.
LG Potsdam – Elias und Mohammed: Das Landgericht Potsdam hat die Mordanklage gegen den Mann zugelassen, der die Jungen Elias und Mohammed im vergangenen Jahr missbraucht und getötet haben soll, meldet spiegel.de. Wann der Prozess beginnt ist noch nicht bekannt.
LG München I – Deutsche Bank-Prozess: Nachdem das Oberlandesgericht München die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung einer erneuten Durchsuchung der Bank verworfen hat, wird am Montag das Urteil des Landgerichts München I erwartet, meldet das HBl. Beobachter erwarten Freisprüche der (ehemaligen) Bankmanager.
BAW – Gruppe-Freital: Die taz (Konrad Litschko) befasst sich mit den nach außen scheinbar unauffälligen, aber sich schnell radikalisierenden Mitgliedern der Gruppe-Freital, gegen welche die Bundesanwaltschaft wegen rechtsterroristischer Taten ermittelt.
Deutsche VW-Kunden: Die BadZ (Christian Rath) schreibt über das weitere Vorgehen zugunsten deutscher VW-Kunden. Rechtsanwalt Ralph Sauer, der über 6.000 von ihnen vertritt, lasse sich von dem Mitte März zugunsten eines VW-Händlers ergangenen Urteil nicht abschrecken und klage parallel gegen Autohäuser und VW, überwiegend auf Rückabwicklung. Zum US-Anwalt Hausfeld stehe er nicht in Konkurrenz, dieser ziele auf VW-Kunden ohne Rechtsschutzversicherung ab, Sauer dagegen vertrete vorwiegend versicherte.
Recht in der Welt
Frankreich – Notstand: Der Notstand soll in Frankreich noch einmal verlängert werden, bis zum Ende der Fußball EM. spiegel.de (Stefan Simon) setzt sich mit den Notstandsregelungen auseinander und verweist auf die Kritik von Juristen und Bürgerrechtlern, die vor einem Abgleiten in den Polizeistaat warnen.
Norwegen – Breivik: Die Richter hätten sich – im Gegensatz zur Gefängnisverwaltung – nicht von Breiviks Taten, sondern von realistischer Risikobewertung und der Betrachtung seines aktuellen Verhaltens leiten lassen, als sie seine Haftbedingungen teilweise für menschenrechtswidrig erklärten, schreibt die norwegische Autorin Åsne Seierstad auf spiegel.de. Breivik habe nicht erreicht, dass seinen Ideen Beachtung geschenkt werde und würde das Urteil auch vom norwegischen Staat akzeptiert, könne endlich Ruhe einkehren. Die taz (Reinhard Wolff) befasst sich mit Reaktionen auf das Urteil.
USA – VW-Einigung: Die Einigung von VW mit US-Behörden und Klägeranwälten über die Entschädigung von US-Kunden stellen u.a. SZ (Thomas Fromm/Claus Hulverscheidt), taz (Heike Holdinghausen) und FAZ (Holger Appel/Roland Lindner) vor, soweit sie bekannt ist. Neben der Wahl zwischen Rückkauf durch VW und Reparatur sollen Kunden eine finanzielle Entschädigung bisher unbekannter Höhe erhalten und VW muss einen Fond für Wiedergutmachungszahlungen einrichten sowie einen Topf für die Förderung umweltfreundlicher Automobiltechnologie befüllen.
Sonstiges
Islam und Grundgesetz: Vor dem Hintergrund der Äußerung, der Islam sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, erläutert der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm in der FAZ die Religionsfreiheit. "Kein Glaube muss mit dem Grundgesetz vereinbar sein, aber nicht alles, was ein Glaube fordert, darf unter dem Grundgesetz verwirklicht werden", ist dort zu lesen.
Ehrenschutz: zeit.de (Jochen Bittner) setzt sich vor dem Hintergrund der Causa Böhmermann mit Ehre und Beleidigung auseinander. Respektiert werde insbesondere Gelassenheit gegenüber Beleidigung und das Gefährliche an der Ehre sei, "dass ausgerechnet solche Leute sie als besonders groß beanspruchen, deren Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Differenzierung besonders klein ist." Reinhard Müller (FAZ) meint eine Abschaffung des Ehrenschutzes in Deutschland könne zur allgemeinen Verrohung führen und fragt, ob das wirklich den Schwachen diene.
Sexuelle Präferenzstörung: Auf einer Tagung unter dem Titel "Wegsperren und zwar für immer" findet vom Donnerstag bis zum Freitag die Auseinandersetzung mit Prävention bei sexueller Präferenzstörung statt, berichtet die FAZ (Mechthild Küpper). Dämonisierung insbesondere von Pädophilie erschwere Prävention und verhindere Lobbyarbeit von Betroffenen für die Ausweitung von wissenschaftsbasierter Hilfe und erschwere die Inanspruchnahme bestehender Hilfsangebote.
Das Letzte zum Schluss
Chinesische Spionageabwehr: Eine junge chinesische Beamtin, die sich in einen rothaarigen Ausländer verliebt und ihm Dienstgeheimnisse verrät, wird bitter enttäuscht, denn er verschwindet auf nimmer Wiedersehen, weil er ein ausländischer Spion ist. Diese Geschichte soll laut spiegel.de als Comic in chinesischen Behörden ausgehängt dem Geheimnisverrat an Spione vorbeugen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. April 2016: Verlage ohne Geld / Wachleute erpressen Flüchtlinge? / Chinesische Spionageabwehr . In: Legal Tribune Online, 22.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19171/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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