Der Plan zur teilweisen Privatisierung von Autobahnen ist vorerst gestoppt. Außerdem in der Presseschau: Die JMK setzt eine Reform der Juristenausbildung in Gang und die große Koalition plant Verbraucherschutz durch das Kartellamt.
Thema des Tages
Autobahnen: Die Privatisierungspläne für die Autobahnverwaltung sind vorerst gestoppt. Nach Darstellung der Montags-SZ (Cerstin Gammelin) habe sich das von Sigmar Gabriel (SPD) geleitete Wirtschaftsministerium in der laufenden Ressortabstimmung weitere Stellungnahmen vorbehalten. Der Streit entzünde sich an der Beteiligung privater Investoren an der geplanten Infrastrukturgesellschaft. Die angedachte Grundgesetzänderung analysiert die Samstags-SZ (Heribert Prantl) in einem ausführlichen Beitrag, der konstatiert, dass "nicht das zivilrechtliche, sondern das wirtschaftliche Eigentum" entscheidend sei.
Seine Kritik hält Heribert Prantl (Montags-SZ) in einem Kommentar aufrecht: wenn ermöglicht würde, "dass künftig eine GmbH oder eine AG in privater Hand ihre Geschäfte mit den Autofahrern machen darf", wäre dies "ein neuer Anlauf zur Privatisierung der Daseinsvorsorge". Verhindern ließe sich dies durch "einen klaren Satz" im Grundgesetz, nach dem auch bei einer Neuorganisation der Verwaltung der Autobahnen ihre rechtliche Zuordnung zum Staat garantiert bleiben müsse. Nach dem Kommentar von Jakob Augstein (Spiegel) weist der Plan Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als "Meister der Chuzpe" aus. Obwohl "die neoliberale Ideologie" mit der Finanzkrise "grandios gescheitert" sei, solle nun wieder eine Privatisierung als vermeintliche Lösung für unterlassene Investitionen herhalten. Dabei würde außer Acht gelassen, dass Autobahnen "keinem Konzern, keiner Versicherung, keinen Banken, keinen Aktionären, sondern einfach den Deutschen" gehörten.
Rechtspolitik
JMK-Beschlüsse: Die wichtigsten Beschlüsse der Justizministerkonferenz fasst lto.de zusammen. Einen vertieften Blick auf den am vergangenen Donnerstag ebenfalls abgesegneten Bericht des Koordinierungsausschusses zur Harmonisierung und Angleichung der Juristenausbildung (KOA) wirft ein weiterer Beitrag von lto.de (Marcel Schneider). Ein Fortsetzungsbericht der KOA stehe am Ende des Jahres an, anschließend würden die juristischen Fakultäten um Stellungnahmen gebeten.
Terrorismus-Richtlinie: Der informelle Trilog aus Rat, Kommission und Parlament hat am vergangenen Freitag die Anti-Terrorismus-Richtlinie beschlossen. Der kritische Bericht von netzpolitik.org (Markus Reuter) bemängelt unter anderem die in der Richtlinie enthaltene "vage und weite Definition von Terrorismus".
Leiharbeit: Die zum kommenden 1. April in Kraft tretende Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes soll die Praxis der Leiharbeit verändern und vor allem Missbräuchen vorbeugen. Rechtsanwalt Martin Gliewe untersucht auf lto.de, ob das Vorhaben diesem Anspruch gerecht wird und benennt dabei vor allem für die IT-Beratungsbranche erhebliche Risiken.
Kinderrechte: Aus Anlass des am gestrigen Sonntag begangenen Internationalen Tags der Kinderrechte fordert der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, in der Samstags-Welt die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Nur durch eine solche Aufnahme in "die normative Grundlage unserer Demokratie" ließe sich ein allgemeines Bewusstsein für die speziellen Bedürfnisse von Kindern und deren "Anspruch auf Anerkennung ihrer Individualität" entwickeln.
Arbeitszeit: In einem Interview mit der Samstags-FAZ (Heike Göbel/Sven Astheimer, Zusammenfassung) teilt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) unter anderem ihre Bereitschaft mit, Arbeitszeitbestimmungen "auf der Basis tarifpartnerschaftlicher Verabredungen" lockern zu wollen.
Facebook-Regulierung: Selbstregulierung im Umgang mit rechtswidrigen Kommunikationsinhalten sozialer Netzwerke sei "zwar ein guter Gedanke", schreibt der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, in einem Gastbeitrag für die WamS. Sie ersetze aber nicht "die Verteidigung des Rechts mit den Mitteln der Rechtsordnung." Hier dürfte an Rechtsverschärfungen, etwa zu verbindlichen Verpflichtung, rechtswidrige Posts zu entfernen, "kein Weg vorbeigehen".
Verbraucherschutz: Nach Kenntnis der Montags-FAZ (Helmut Bünder, Zusammenfassung) plant die Regierungskoalition, die Kompetenzen des Bundeskartellamts zu erweitern. Das Amt solle zu einer Verbraucherschutzbehörde für das Internet ausgebaut werden. In einem separaten Kommentar begrüßt Helmut Bünder (Montags-FAZ) die Pläne. Angesichts zahlreicher "Fallstricke" im Netz sei es überfällig, der Behörde "mehr Durchgriffsrechte gegen Internetunternehmen" einzuräumen.
Justiz
EuGH – Fluggastrechte: In einem Beitrag des Focus (M. Kowalski/M. Franke) über den in Folge der EU-Fluggastrecht-Verordnung entstandenen "lukrativen Markt für Anwälte und Passagiere" bei der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen für Flugverspätungen wird auf ein beim Europäischen Gerichtshof anhängiges Verfahren hingewiesen. Beim EuGH entscheide demnächst, ob ein sogenannter Vogelschlag als außergewöhnliches Ereignis Ansprüche von Kunden ausschließt. Generalanwalt Yves Bot habe dies abgelehnt.
BVerwG zu Bereitschaftsdienst: Der Freizeitausgleich für den Bereitschaftsdienst von Polizisten ist nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus der vergangenen Woche grundsätzlich im Verhältnis 1:1 zu gewähren. Dies gelte allerdings nicht für reine Rufbereitschaften. spiegel.de berichtet.
LG Mannheim – Christoph Boehringer: Vor dem Landgericht Mannheim ist Christoph Boehringer, Urenkel des Gründers Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim, wegen Insiderhandel angeklagt. Über den bislang von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Prozess berichtet das Hbl (Jan Keuchel). Die Verteidigung berufe sich unter anderem darauf, dass eine gesetzgeberische Panne bei der Anpassung von Strafvorschriften an europäische Regelungen im vergangenen Sommer zu einer Generalamnestie für Marktmanipulateure geführt habe. Diese Rechtsfrage werde wohl erst durch den Bundesgerichtshof entschieden.
LG München I zu Hebamme: Die WamS (Gisela Friedrichsen) widmet dem Fall der vor einem knappen Monat am Landgericht München I wegen mehrfachen Mordversuchs verurteilten Hebamme eine ausführliche Reportage. Der Beitrag zieht auch Parallelen zu vergleichbaren Fällen, in den Pflegepersonal strafrechtlich auffiel.
LG Bremen zu Pflegedienst: Durch das Landgericht Bremen ist die frühere Betreiberin mehrerer Pflegedienste wegen gewerbsmäßigem Betrug zu fünf Jahren verurteilt worden. Weil vor der Urteilsverkündung verdächtigte Geldverschiebungen zu ihren Gunsten festgestellt worden waren, wurde die Untersuchungshaft der Hochschwangeren aufrechterhalten, berichtet die Samstags-taz-Nord (Simone Schnase).
LG Hamburg zu Facebook: Ein Urteil des Landgerichts Hamburg untersagt es es dem sozialen Netzwerk Facebook, in Fotodateien hinterlegte Informationen automatisch zu entfernen. Hierdurch würde es künftig leichter werden, die Authentizität von Bildern zu überprüfen, erläutert die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt). Facebook müsse nun den entsprechenden Hochlademechanismus ändern.
LG Essen – Thomas Middelhoff: Nach einer Meldung der Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) verzögert sich die Eröffnung des bereits zugelassenen Strafverfahrens gegen Thomas Middelhoff wegen Untreue infolge überhöhter Bonuszahlungen. Grund sei eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichtzulassung von Anklagen gegen weitere Arcandor-Vorstände.
LG Paderborn – Höxter: In einem Bericht zum Verfahren zu Misshandlungen in einem Haus in Höxter fragt die FAS (Katrin Hummel), wie glaubhaft die Einlassung der mitangeklagten Angelika W. ist, sie sei das willenlose Opfer ihres Ehemannes gewesen.
AG Frankfurt/M. – Staatsanwalt: Die FAS (Raquel Erdtmann) schreibt über die Verhandlung gegen einen Staatsanwalt, der vom Amtsgericht Frankfurt/M. unter anderem wegen Amtsmissbrauchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.
VG München zu Deserteur: In der vergangenen Woche verweigerte das Verwaltungsgericht München dem früheren US-Soldaten André Shepherd das beantragte Asyl. Der unterlegene Kläger habe "dennoch viel erreicht", kommentiert Christian Rath (taz.de). Das Verfahren habe habe zur Klärung der Rechtslage beigetragen. Die persönliche Situation Shepherds, der mittlerweile verheiratet ist und ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht genieße, habe die Entscheidung ohnehin nicht beeinflussen können.
GBA: Der Focus (Josef Hufelschulte/Göran Schattauer) interviewt Generalbundesanwalt Peter Frank. Der im Oktober 2015 ernannte Behördenleiter spricht über die Notwendigkeit neuer Möglichkeiten bei der Telekommunikationsüberwachung zwecks Verfolgung von Terroristen, mögliche Pannen im Fall Jaber Albakr, die Kritik am vorgeblich mangelnden Aufklärungsinteresse der Bundesanwaltschaft im Münchner NSU-Prozess und verneint die Frage nach Angst, entlassen zu werden, wenn er eine Sache nicht im Sinne des Bundesjustizministers entscheide.
Recht in der Welt
Italien – Verfassungsreform: Vor dem am 4. Dezember anstehenden Verfassungsreferendum in Italien unternimmt der Doktorand Torben Ellerbrok auf verfassungsblog.de einen vertieften Blick auf Vorgeschichte und Inhalt der geplanten Änderungen.
USA – Justizminister: Die Samstags-FAZ (Andreas Ross) berichtet zu Personalentscheidungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Als Justizminister sei Senator Jeff Sessions vorgesehen. Diesem war in den 1980er Jahren eine vom damaligen Präsidenten Ronald Reagan vorgesehene Bundesrichterstelle wegen Rassismusvorwürfen verweigert worden.
USA – Trump University: Ehemalige Teilnehmer der Trump University können sich auf teilweise Rückzahlungen von Gebühren einrichten. Das Verfahren gegen Donald Trump wurde gegen eine Gesamtzahlung von 25 Millionen Dollar eingestellt, meldet zeit.de.
USA – "Jan Rouven": Der in den USA wegen des Besitzes von Kinderpornografie angeklagte deutsche Magier Jan Rouven Füchtener hat sich in einer Anhörung für schuldig erklärt. Ihm drohten nun bis zu 30 Jahre Haft, schreibt die Samstags-FAZ (Christiane Heil).
USA – Supreme Court: Im lto-Feuilleton nennt Martin Rath Entscheidungen, die belegten, dass der Oberste Gerichtshof der USA "gar nicht selten ein ziemlich grässliches Gericht" gewesen sei.
Kolumbien – Justizmitarbeiter: lto.de (Anne Schneiderhan) thematisiert den gefährlichen Alltag von Richtern und Staatsanwälten in Kolumbien. Tötungsdelikte zum Nachteil von Justizmitarbeitern hätten zwar abgenommen, dafür seien ernstzunehmende Bedrohungen an der Tagesordnung, wenn Ermittlungen kriminelle Gangs betreffen.
Sonstiges
Cum-Ex-U-Ausschuss: Am kommenden Donnerstag soll Carsten Maschmeyer als Zeuge im Bundestags-Untersuchungsausschuss zu Steuererstattungen durch sogenannte Cum-Ex-Konstruktionen vernommen werden. Als noch wichtigeren Zeugen nennt der Spiegel (Martin Hesse/Anne Seth) Ulf Johannemann, Steuerexperte der Rechtsanwaltskanzlei Freshfield Bruckhaus Deringer. Anwälte der renommierten Kanzlei sollen das Finanzministerium bereits vor der auslösenden Gesetzesänderung auf die steuerlichen Nachteile aufmerksam gemacht haben. Der ebenfalls geladene ehemalige Regierungsdirektor Hanno Berger, der Anleger über seine eigens eingerichtete Kanzlei zu den finanziellen Vorteilen von Cum-Ex-Geschäften beraten haben soll, werde wohl nicht erscheinen.
Verfassungsschutz/Neue Rechte: Die Montags-SZ (Georg Mascolo/Ronen Steinke) berichtet zur anhaltenden Diskussion innerhalb des Verfassungsschutzes, ob sogenannte neue rechte Bewegungen bis hin zur AfD beobachtet werden sollten. Ein soeben zurückgezogenes Konzept des Bundesamts habe die Feststellung enthalten, eine trennscharfe Unterscheidung zwischen "demokratisch" und "extremistisch" lasse sich in der Realität nicht immer treffen.
Christine Hohmann-Dennhardt: Die Montags-SZ (Marc Beise/Ulrich Schäfer) interviewt in ihrem Wirtschafts-Teil die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt zu ihrem jetzigem Amt als Vorstandsmitglied, zuständig für "Recht und Integrität".
Legal Tech: Rechtsanwältin Susanne Reinemann (anwaltskommunikation.de) gibt einen vertieften Überblick zu Legal Tech-Angeboten.
Das Letzte zum Schluss
Letzter Wille: Das Oberste Gericht des Vereinigten Königreichs hat laut Meldung von spiegel.de dem ungewöhnlichen letzten Willen einer mittlerweile verstorbenen 14-Jährigen entsprochen. Nach dem nun veröffentlichten Richterspruch darf sie ihre Leiche einfrieren lassen, um sich hierdurch in einem wissenschaftlich fragwürdigen Verfahren, der Kryonik, die Chance zu bewahren, zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum Leben erweckt zu werden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. bis 21. November 2016: Private Autobahnen? / Reform der Juristenausbildung? / Kartellamt für Verbraucher? . In: Legal Tribune Online, 21.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20879/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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