Eine ZDF-Journalistin scheiterte mit ihrer Diskriminierungsklage. Außerdem in der Presseschau: OLG München verhandelt über Befruchtung mit Sperma des toten Ehemannes und der Kampf um die Ausrichtung des Obersten US-Gerichts.
Thema des Tages
ArbG Berlin lehnt AGG-Klage gegen ZDF ab: Die Fernsehjournalistin Birte Meier (Frontal 21) ist mit ihrer Aufsehen erregenden Diskriminierungsklage gegen das ZDF in erster Instanz beim Arbeitsgericht Berlin auf ganzer Linie gescheitert. Meier hatte unter Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz 70.000 Euro Schadensersatz gefordert, weil sie bei gleicher Arbeit schlechter bezahlt werde als männliche Redakteure ihrer Redaktion. Das Arbeitsgericht sah jedoch in einer eventuell unterschiedlichen Bezahlung kein Indiz für eine Diskriminierung, da sich Meier als fest-freie Mitarbeiterin mit fest angestellten Redakteuren verglichen hatte. Das Gericht verzichtete deshalb auf eine Beweisaufnahme. Auch der Antrag Meiers auf Auskunft über die Gehälter ihrer Kollegen wurde abgelehnt, weil es hierfür (noch) keine gesetzliche Grundlage gebe. Meiers Anwalt kündigte Rechtsmittel und den Gang durch die Instanzen an. Es berichten die SZ (Antonie Rietzschel), die Welt (Christian Meier), die taz (Simone Schmollack) und spiegel.de (Lisa Erdmann).
Rechtspolitik
Datenschutz: Die Bundesregierung hat den Entwurf eines EU-Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetzes beschlossen. Damit sollen die Öffnungsklauseln gefüllt werden, die die ab Mai 2018 geltende EU-Datenschutzgrundverordnung enthält. zeit.de (Friedhelm Greis) stellt den Gesetzentwurf vor sowie die wichtigsten Kritikpunkte bei der Zweckbindung, der Videoüberwachung und den Befugnissen der Datenschutz-Beauftragten.
Ingo Dachwitz (netzpolitik.org) hofft, dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in der Großen Koalition noch Verbesserungen durchsetzen kann. Anders als Sigmar Gabriel interessiere sich Schulz für netzpolitische Fragen.
BKA-Gesetz/Elektronische Fußfessel: Die Bundesregierung hat auch den Gesetzentwurf für eine Änderung des BKA-Gesetzes beschlossen. Der Entwurf sieht zum einen Änderungen vor, die das Bundesverfassungsgericht im April 2016 in seinem Urteil zum BKA-Gesetz verlangt hat. Zum zweiten soll die Informationszusammenarbeit der Polizei modernisiert werden. Und schließlich wurde kurzfristig noch eine Regelung eingefügt, die den Einsatz von elektronischen Fußfesseln zur Kontrolle von Aufenthaltsverboten bei "Gefährdern" ermöglicht. Es berichten die SZ (Ronen Steinke) und lto.de.
Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) hält den geplanten Einsatz der elektronischen Überwachung bei Gefährdern für verfassungsrechtlich problematisch. Außerdem werde es wenig geeignete Anwendungsfälle geben.
PKW-Maut: Der Anwalt Christian Kahle kritisiert auf lto.de den Kompromiss der EU-Kommission mit der Bundesregierung bei der PKW-Maut, der zur Aussetzung des Vertragsverletzungsverfahrens führte. Nach wie vor bestehe eine Kopplung von Belastung bei der Maut und Entlastung bei der Kfz-Steuer, die Fahrer aus anderen Staaten diskriminiere, so Kahle. Bundestag und Bundesrat müssen dem Kompromiss durch Änderung des Mautgesetzes noch zustimmen.
Fake News: Der emeritierte Rechtsprofessor Karl-Heinz Ladeur warnt im Interview mit der taz (René Martens) vor administrativen staatlichen Maßnahmen gegen Desinformation. "Nur Gerichte dürfen feststellen, dass ein Beitrag falsch ist, sofern durch ihn die Rechte anderer verletzt werden." Ladeur schlägt zudem den Einsatz von Gegendarstellungen, Wettbewerbsrecht und Schiedsgerichten vor.
Justiz
Auschwitz: Die Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen begrüßt, dass Polen eine Liste von 8.500 SS-Angehörigen, die im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau eingesetzt waren, im Internet veröffentlichte. Mit der Liste könnten eigene Datenbestände abgeglichen werden. Die SZ (Bernd Graff) vermutet, dass die Veröffentlichung einer solchen Liste in Deutschland am Datenschutz gescheitert wäre.
Volksverhetzung: Wie zeit.de mitteilt, hat sich 2016 in Sachsen die Zahl der Strafbefehle wegen Volksverhetzung im Vergleich zum Vorjahr von 67 auf 147 mehr als verdoppelt. Bei den Anklagen wegen Volksverhetzung hat sich im selben Zeitraum die Anzahl von 32 auf 97 sogar verdreifacht.
LG Ellwangen verurteilt Rocker: Das Landgericht Ellwangen hat ein führendes Mitglied der Rockergruppe "Black Jackets" wegen Totschlags und versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Der Mann hatte ein Mitglied der konkurrierenden Gruppe "United Tribuns" erschossen und dessen Bruder mit Schüssen schwer verletzt. Das Gericht konnte keine Notwehr erkennen, berichtet spiegel.de.
LG München zu Magensonden: Nun berichtet auch die Zeit (Miriam Gebhardt) ausführlich über einen Prozess am Landgericht München, bei dem es um die unangemessene Lebensverlängerung eines dementen schwerkranken alten Mannes ging. Das Gericht sah in der ärztlich nicht mehr indizierten künstlichen Ernährung einen Behandlungsfehler, verweigerte aber wegen nicht gesicherter Kausalität den vom Sohn geforderten Schadensersatz.
OLG München – Sperma eines Toten: Eine Witwe verlangt von einer Klinik die Herausgabe von eingefrorenem Sperma ihres verstorbenen Mannes, in der Hoffnung so doch noch ein gemeinsames Kind gebären zu können. Sie hält das im Embryonenschutzgesetz enthaltene Verbot der Befruchtung mit Sperma eines Toten für verfassungswidrig. Das Oberlandesgericht München will sein Urteil laut lto.de in drei Wochen verkünden, hat aber bereits angedeutet, dass es den Fall nicht dem Bundesverfassungsgericht vorlegen werde.
Internet und Links: Svenja Bergt (taz) kritisiert Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Landgerichts Hamburg, die eine Verlinkung fremder Inhalte riskanter gemacht haben. Dabei sei derzeit eher die Erleichterung von Links nötig, angesichts aktueller Gefahren für das Internet, etwa durch tendenziell geschlossene soziale Netzwerke.
Recht in der Welt
USA – Supreme Court: Die Demokraten wollen den von US-Präsident Trump vorgeschlagenen Kandidaten für den Supreme Court, Neil Gorsuch, durch Dauerreden verhindern. Um den Kandidaten durchzusetzen, bräuchte die republikanische Mehrheit dann 60 Prozent der Stimmen im Senat. Trump hat deshalb vorgeschlagen, das Verfahren so zu ändern, dass stets die einfache Mehrheit genügt, berichtet spiegel.de. Die Ernennung von Gorsuch würde aber nur das vor dem Tod von Richter Scalia bestehende Patt zwischen liberalen und konservativen Richtern wiederherstellen, erklären die SZ (Hubert Wetzel) und die FAZ (Andreas Ross). Erst weitere Richterernennungen könnten eine rechte Mehrheit am Supreme Court schaffen.
Portraits des vorgeschlagenen Richters Neil Gorsuch bringen nun auch die SZ (Sacha Batthyany) und die FAZ (Andreas Ross).
Die FAZ (Patrick Bahners) schildert im Feuilleton interessante Facetten der aktuellen Streitigkeiten um die US-Justiz. So habe der designierte Justizminister Jeff Sessions vor einigen Jahren die jetzt entlassene amtierende Justizministerin Sally Yates zu Widerstand gegenüber dem Präsidenten aufgerufen. Die jetzige Weigerung von Yates, den von Präsident Trump verfügten Einreise-Stop gerichtlich zu verteidigen, findet Bahners nicht überzeugend. Der vorgeschlagene Kandidat Gorsuch habe einst aus grundsätzlichen Erwägungen zugunsten eines illegal eingewanderten Mexikaners entschieden.
USA – Sanctuary Cities: Rechtsprofessor Helmut Philipp Aust schildert auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) die Kritik von US-Präsident Trump an sogenannten Sanctuary Cities, die legale und illegale Einwohner gleich behandeln wollen. Trumps Drohung mit finanziellen Konsequenzen lasse noch viele Fragen offen.
USA – Waffen: Rechtsprofessor Günther Frankenberg befasst sich in der FAZ ausführlich, insbesondere historisch, mit dem in der US-Verfassung verankerten bzw. hineininterpretierten Recht, Waffen zu tragen.
Rumänien – Korruption: Die rumänische Regierung hat per Eilverordnung das Strafgesetzbuch geändert. Amtsmissbrauch solle nur noch dann strafrechtlich verfolgt werden können, wenn der dadurch entstandene Schaden mindestens 200.000 Lei (rund 50.000 Euro) beträgt. Dies nutze wichtigen Regierungspolitikern, berichten spiegel.de und die FAZ (Karl-Peter Schwarz). Die rumänische Rechtsprofessorin Bianca Selejan Gutan stellt auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) den verfassungsrechtlichen Konflikt zwischen Präsident und Regierung um die Rechtsstaatlichkeit des Landes dar.
Türkei – Anwälte: Die FAZ (Michael Martens) beschreibt die Gefahr für türkische Anwälte, die es wagen, Terrorverdächtige zu vertreten. Inzwischen sei es für Betroffene, insbesondere Kurden und Gülen-Anhänger, schwierig, überhaupt noch einen Anwalt zu finden.
Türkei – UN-Richter: Der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe der Vereinten Nationen (MICT), ein Strafgerichtshof, der als Nachfolger für die UN-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda eingerichtet wurde, hat angeordnet, dass die Türkei den seit September verhafteten türkischen MICT-Richter Sefa Akay freilassen muss. Dieser sei als UN-Richter durch Immunität geschützt, referiert lto.de.
Uganda – IStGH und LRA: Die taz (Simone Schlindwein) schildert in einer ausführlichen Reportage, wie Dorfbewohner in Uganda dem ersten Verfahren am Internationalen Strafgerichtshof gegen einen Kommandeur der Lord Resistance Army folgen.
Juristische Ausbildung
Bafög: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Kilian Ertel, Christian Uffelmann und Janwillem van de Loo schlagen auf juwiss.de vor, dass die Bundesländer die Regelstudienzeit des Jura-Studiums verlängern sollen, damit auch Jura-Studierende in der Praxis Bafög bis zum Ende ihres Studiums erhalten können.
Sonstiges
Pretzell, Petry und das Wahlrecht: Die HAZ (Christian Rath) beschreibt die Diskussion um die Frage, ob die verheirateten AfD-Politiker Marcus Pretzell und Frauke Petry einen gemeinsamen Hauptwohnsitz haben müssen und deshalb nicht in unterschiedlichen Landtagen (NRW und Sachsen) Mandate innehaben können. Vermutlich seien getrennte Hauptwohnsitze trotz Heirat möglich.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. Februar 2017: Klage gegen ZDF abgelehnt / Streit um Sperma eines Toten / Umkämpfter US-Supreme Court . In: Legal Tribune Online, 02.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21965/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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