Ein neues Gesetz ermöglicht medizinischen Cannabis-Einsatz. Außerdem in der Presseschau: Für Betriebsratsmitglieder gelten die gesetzlichen Ruhezeiten und fragwürdige Äußerungen eines AfD-zugehörigen Richters.
Thema des Tages
Cannabis für Schmerzpatienten: Der Bundestag hat einen Gesetzentwurf einstimmig beschlossen, nach dem schwerkranke Patienten auf Rezept Cannabis verschrieben bekommen können, wenn der behandelnde Arzt eine positive Wirkung prognostiziert. Der Anbau solle staatlich geregelt sein und die Qualität durch eine Agentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sichergestellt werden. Zuvor war der medizinische Einsatz von Cannabis nur in ausführlich darzulegenden Ausnahmefällen möglich. Es berichten die SZ (Thomas Öchsner), die FAZ (Henrike Roßbach), die Welt (Wiebke Hollersen) und spiegel.de.
Werner Bartens (SZ) heißt das Gesetz gut, nun erhielten mehr Patienten Zugang zu dieser Art medizinischer Behandlung, deren therapeutischer Nutzen schon länger belegt sei. Daniel Deckers (FAZ) hingegen hält die Verschreibungsfähigkeit von Cannabis, gemessen an den Standards der Arzneimittelsicherheit, "für einen schlechten Witz". Statt "Kiffen auf Rezept" sollten mehr Medikamente mit dem Wirkstoff THC auf den Markt kommen.
Rechtspolitik
Ausschluss von der Parteienfinanzierung: Nun berichtet auch die FAZ (Reinhard Müller) über die Diskussion um einen Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung. Es wird darüber hinaus auf den Beitrag von Bundesverfassungsrichter Peter Huber in der FAZ-Rubrik "Staat und Recht" vom 6. Mai 2010 hingewiesen, in dem dieser bereits nach dem ersten NPD-Verbotsverfahren den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung forderte und dies auch für verfassungsrechtlich zulässig hielt.
"Fake News": Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) fasst in einem Bericht die verfassungsrechtlichen Zweifel von Juristen an den geplanten Verpflichtungen von sozialen Netzwerken zusammen. So stelle etwa die kurze Löschfrist, die nur für diese anstehe, nicht aber für Nachrichtenportale und Blogs, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar.
Mildere Strafen für Ausländer? Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) will nach Informationen der FAZ (Albert Schäffer) mit einer Änderung von § 46 Strafgesetzbuch mehr Klarheit bei Taten wie "Ehrenmorden", Zwangsheiraten oder Genitalverstümmelungen erreichen. Grundlage einer Abwägung der Strafzumessung solle nur die verfassungsmäßige Ordnung Deutschlands sein und die kulturelle Prägung des Täters nur strafmildernd berücksichtigt werden, wenn sie sich "auf dessen Fähigkeit ausgewirkt hat, Unrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln". Bausback möchte damit auf die seiner Meinung nach inkonsistente und einzelfallbezogene Rechtsprechung in dieser Frage reagieren.
Gerichte als rechtspolitische Akteure? Auf juwiss.de befasst sich Thomas Schoditsch mit Gerichten als rechtspolitischen Akteuren. Er geht insbesondere der Frage nach, wie rechtspolitische Entscheidungen erkannt und wo die Grenzen ihrer rechtlichen Zulässigkeit liegen. Ersteres beantwortet er mit dem "Folgen-Argument", letzteres mit den Grenzen der juristischen Auslegungsmethoden.
Justiz
BAG zu Betriebsratstätigkeit: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien sind, wenn ihnen die Erbringung der Arbeitsleistung auf Grund einer außerhalb der Arbeitszeit liegenden Betriebsratstätigkeit unmöglich oder unzumutbar ist. Die Zumutbarkeit müsse sich wiederum an den gesetzlich geregelten Ruhezeiten orientieren. Der Rechtsanwalt Stephan Vielmeier beschäftigt sich auf lto.de mit Inhalt und Hintergründen des Urteils.
BGH zu Preisbildung auf Flugsuchmaschinen: Wird bei der Flugbuchung eine Servicegebühr für Kunden nur mit bestimmten Kreditkarten erlassen, so muss diese Gebühr in den Gesamtpreis eingerechnet werden, entschied der Bundesgerichtshof. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte die Flugsuchmaschine Opondo verklagt, wie spiegel.de und lto.de melden.
BGH zu kino.to: Das Urteil des Landgerichts Leipzig, das den früheren Betreiber der Online-Portale kino.to und kinox.to unter anderem wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken und Beihilfe zur Computersabotage zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilte, ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof hat die Revision verworfen, melden die FAZ (Marcus Jung) und lto.de.
LG Hildesheim zu Abgasskandal: Das Landgericht Hildesheim hat das Unternehmen VW dazu verurteilt, einem Skoda-Fahrer den Kaufpreis zu erstatten. Das Gericht sah in der Manipulation der Motorsoftware eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung. Im Interview mit der taz (Daniel Böldt) spricht Josina Starke, Projektmanagerin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherschutzzentrale Niedersachsen, über Inhalt und Folgen des Urteils.
LG Berlin zu Modernisierungsmaßnahmen: Das Landgericht Berlin hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass die Mieter eines der Häuser in der Tegeler Siedlung "Am Steinberg" die geplante Modernisierung nicht dulden müssen. Die Mieten würden dadurch enorm in die Höhe steigen. Es berichtet die taz-Berlin (Claudius Prösser).
LG Dresden – AfD-Richter: Der Richter Jens Maier, der für die AfD zum Bundestag kandidiert, sprach auf einer Veranstaltung der "Jungen Alternativen" von einem deutschen "Schuldkult" nach dem Zweiten Weltkrieg und bezeichnete diesen für "endgültig beendet". Nun prüft das Landgericht Dresden, ob Maier gegen § 39 Deutsches Richtergesetz verstoßen habe, wonach ein Richter auch bei politischer Betätigung sich so verhalten müsse, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Ein ausführlicher Hintergrundbericht findet sich auf lto.de (Pia Lorenz).
LG Frankfurt – Betrugsprozess: Oberstaatsanwalt Noah Krüger will im Betrugsprozess vor dem Landgericht Frankfurt am Main gegen die Immobiliengruppe S&K für eine Beschleunigung sorgen und hat die Verteidiger zu Verständigungsgesprächen eingeladen, wie das Hbl (Katharina Schneider) schreibt.
ArbG Berlin – Andrej Holm: Der Linke-Politiker Andrej Holm hat angekündigt, gegen die Kündigung seines Lehrauftrags an der Humboldt-Universität zu klagen, sobald diese vorliege, meldet zeit.de. In einem Gastkommentar in der taz-Berlin bezeichnet der Rechtsanwalt Johannes Eisenberg die Kündigung Holms durch die HU Berlin als arbeitsrechtlich nicht haltbar. Holm hätte gar nicht nach seiner MfS-Tätigkeit gefragt werden, habe daher auch falsch antworten dürfen.
Racial Profiling: Die taz (Linda Gerner) beschäftigt sich – exemplarisch an einem Fall vor dem Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück – mit der Thematisierung von "Racial Profiling" vor deutschen Gerichten. Eine Prozessstrategie von Polizeibeamten sei es – seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz, wonach "Racial Profiling" eine Diskriminierung darstelle – den Betroffenen andere Gründe für eine Kontrolle zuzuschreiben, um sich nicht dem Vorwurf der Diskriminierung ausgesetzt zu sehen.
Recht in der Welt
China – Unabhängige Justiz: Chinas oberster Richter Zhou Qiang warnte davor, dass China nicht in "die Falle der falschen westlichen Ideologie tappen" dürfe und sich gegen Einflüsse wie "Gewaltenteilung" oder "Unabhängigkeit" der Justiz wehren müsse. Die SZ (Kai Strittmatter) beschreibt die Entwicklung der Justiz in China, die zunächst geprägt von "Professionalisierung" war, nun aber einen herben Rückschlag erlitten hätte.
Türkei – Verfassungsreform: Das türkische Parlament entscheidet in der zweiten Runde über die Verfassungsänderung, die ein Präsidialsystem einführen soll. Der Chef der Anwaltskammer, Metin Feyzioglu, warnt vor dem Wechsel zu einem System, das er als "Sultanat" bezeichnet. Er gibt sich aber auch zuversichtlich, dass die Verfassungsreform in dem anschließenden Referendum kein Erfolg haben werde, wie die BerlZ (Christian Bommarius) und lto.de melden.
Russland – Yukos: Wie die FAZ (Friedrich Schmidt) berichtet, hat das russische Verfassungsgericht erstmals beschlossen eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht umzusetzen, da dieses der russischen Verfassung widerspreche. Der EGMR hatte früheren Aktionären des vor etwa zehn Jahren zerschlagenen Ölkonzerns Yukos eine Entschädigung in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zugesprochen.
USA – Beatles: Paul McCartney verklagt ein Tochterunternehmen der japanischen Firma Sony. Er möchte die Rechte an 267 von ihm geschriebenen Beatles-Liedern zurückerhalten, wie die FAZ (Patrick Welter) schreibt.
USA – Deutsche Bank: Der Deutschen Bank in den USA steht eine neue Milliardenklage bevor. Jüdische Wohlfahrtsorganisationen haben vor einem Gericht in Florida Klage eingereicht. Sie erheben Anspruch auf das Vermögen der Frankfurter Unternehmerfamilie Wertheim. Über den Inhalt des Falles berichten FAZ (Franz Nestler) und spiegel.de.
Griechenland – Folter: Auf verfassungsblog.de befasst sich der stellvertretende Direktor beim Kommissar für Menschenrechte des Europarats Nikolaos Sitaropoulos (in englischer Sprache) mit der Frage, weshalb die Definition der Folter im griechischen Strafrecht nicht mit internationalem Recht vereinbar sei.
Sonstiges
Verfahren gegen Audible und Apple: Das Bundeskartellamt hat das Verwaltungsverfahren gegen Apple und die Amazon-Tochter Audible eingestellt, nachdem diese umstrittene Vertragsklauseln gestrichen haben. In diesen Klauseln vereinbarten die beiden Unternehmen den Bezug von Hörbüchern von Apple durch Audible für den Download-Shop iTunes. Gleichzeitig sollte Audible andere Musikplattformen als iTunes nicht beliefern, schreiben die FAZ (Helmut Bünder) und lto.de.
Mietwagenverträge: Die Autovermieter Avis, Europcar, Enterprise, Hertz und Sixt haben sich auf Druck der EU-Kommission bereit erklärt, Mietwagenverträge zukünftig fairer und transparenter zu gestalten. Über die künftigen Mindeststandards dieser Verträge informiert lawblog.de (Udo Vetter).
VW-Abgasskandal: Das Hbl (Volker Votsmeier) gibt einen Überblick über die laufenden und abgeschlossenen straf- und zivilrechtlichen Prozesse gegen das Unternehmen VW im Zusammenhang mit der manipulierten Abgassoftware.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. Januar 2017: Cannabis für Schwerkranke / Ruhe für Betriebsratsmitglieder / Ärger für AfD-Richter . In: Legal Tribune Online, 20.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21838/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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