Elor Asaria wird von Militärgericht in Israel für schuldig befunden. Außerdem in der Presseschau: Streit um starken Staat geht weiter, Klosterkammer muss NS-Kunst weiter ausstellen und Norbert Lammert schreibt über Volkssouveränität.
Thema des Tages
Israel – Elor Asaria: Ein Militärgericht in Israel hat den Soldaten Elor Asaria wegen Totschlags verurteilt. Er hatte im März in Hebron einen palästinensischen Attentäter in den Kopf geschossen, obwohl dieser bereits verletzt am Boden lag, wie die SZ (Peter Münch), die taz (Susanne Knaul), spiegel.de und zeit.de berichten. Der Prozess hatte vor dem Hintergrund einer seit Oktober 2015 anhaltenden Anschlagswelle für heftige Debatten in der israelischen Öffentlichkeit gesorgt. In einem Interview mit der taz (Susanne Knaul) weist Gilad Grossmann von der israelischen Menschenrechtsorganisation Jesch Din darauf hin, dass der Fall Asaria kein Einzelfall sei. Andere derartige Vorgänge würden aber nicht vor Gerichten verhandelt.
Rainer Hermann (FAZ) schreibt, Israels Rechtsstaat habe sich "gegen den Druck nationalistischer Kreise immun gezeigt" und das Land habe seinen Nachbarn voraus, dass es ein Rechtsstaat sei, in dem "unbequeme Urteile gefällt und akzeptiert werden". Auch Peter Münch (SZ) begrüßt das Urteil des Militärgerichts und verbindet es mit Kritik an der Regierung. Eine Politik, nach welcher der Zweck die Mittel heiligt, "untergräbt die rechtsstaatlichen Werte Israels und droht das Land außenpolitisch weiter in eine Isolation zu treiben".
Rechtspolitik
Sicherheitsarchitektur: Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat für seine "Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten" sowohl Kritik von den Ländern als auch der Opposition im Bund geerntet, wie lto.de berichtet.
Heinrich Wefing (Die Zeit) hält viele der Überlegungen de Maizières für vernünftig. Er werde bei der Realisierung "getragen von einer politischen Stimmung, die eindeutig zu mehr Sicherheit, mehr Staat" neige. Jost Müller-Neuhof (Tsp) plädiert für ein Vertrauen, das in die Sicherheitsbehörden gesetzt werden müsse und für eine Politik, die "Druck widersteht, statt ihn zu erzeugen". Kritik übt Christian Bommarius (BerlZ). Seiner Meinung nach brauche ein starker Staat einen "Bundesinnenminister, der nicht nach einem Terroranschlag den Kopf verliert", sondern "besonnen reagiert".
Elektronische Fußfessel: Nun berichtet auch die FAZ (Alexander Haneke) über den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, der den Einsatz elektronischer Fußfesseln bei extremistischen Straftätern vorsehe.
Kölner Silvesternacht: Die Zeit (Gero von Randow) diskutiert das Vorgehen der Polizei in der Kölner Silvesternacht 2016/17. Einerseits sei der Polizei zu danken, da sexuelle Übergriffe in dem Ausmaß vom letzten Jahr nicht vorgekommen seien. Es sei allerdings nicht zu leugnen, dass die Polizei Personen nach dem Aussehen einsortiert und kontrolliert habe. Über die rechtsstaatlichen Schwierigkeiten eines solchen "racial profilings" müsse nachgedacht werden. Auch wenn es sich nur um vermeintlich harmlose Identitätskontrollen gehandelt habe, seien polizeiliche Maßnahmen allein auf Grund der sichtbaren Herkunft demütigend. Wie die taz (Christoph Herwartz) berichtet, hat Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Einsatz aufarbeiten soll.
"Hassreden": Im Interview mit lto.de (Anja Hall) spricht der Rechtsanwalt Niklas Haberkamm über "Hassreden im Internet". Geeignete Gegenmaßnahmen könnten nur ergriffen werden, wenn differenzierter mit dem Begriff "Hassrede" umgegangen werde. Seiner Auffassung nach bietet die aktuelle Gesetzlage genug Handlungsspielraum um gegen die strafrechtlich relevanten Fälle vorzugehen. Gesetze müssten nur konsequent angewendet und "die vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten mit der jeweils gebotenen Härte" umgesetzt werden. Der erste Schritt sei die Einführung "digitaler Polizeibehörden".
Zeitarbeit: Der Rechtsanwalt Alexander Bissels stellt auf lto.de ausführlich die Reform des "Fremdpersonaleinsatzes" vor, welche im April 2017 in Kraft treten soll. Diese sieht Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Betriebsverfassungsgesetz vor. Ziel der Reform sei es, Zeitarbeit für Unternehmen unattraktiver zu machen.
Befristete Teilzeit: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles legte einen Gesetzentwurf vor, der es Arbeitnehmern erleichtern soll, die wöchentliche Arbeitszeit für einen befristeten Zeitraum zu reduzieren und anschließend wieder zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückzukehren, wie SZ (Thomas Öchsner), das Hbl (Frank Specht) und die FAZ (Britta Beeger) berichten. Ziel des Entwurf sei es zu verhindern, dass Arbeitnehmer – vor allem Frauen – in Teilzeitjobs verbleiben müssten. Constanze Buillon (SZ) zweifelt zwar an der Wirksamkeit des Entwurfes, da dieser nur auf Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von mehr als 15 Personen beschränkt sei, sieht das Recht auf befristete Teilzeit aber als "einen Schritt auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit. Heike Göbel (FAZ) bezweifelt, dass es Arbeitnehmern tatsächlich schwerfalle, in die Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren. "Wer mehr arbeiten will, dem bieten sich mehr Chancen denn je, wenn auch nicht unbedingt im selben Unternehmen", schreibt sie.
Bleiberecht: Nach einem Erlass des Brandenburgischen Innenministeriums vom 21. Dezember 2016 soll Opfern rechter Gewalt als Entschädigung ein Bleiberecht zuerkannt werden, auch wenn sonst kein Grund für eine Bewilligung vorliegt. Hiermit solle auf den starken Anstieg von politisch rechts motivierten Gewalttaten reagiert werden, so das Innenministerium. So berichtet nun auch lto.de (Maximilian Amos).
Justiz
BGH zu NS-Kunst: Nachdem Gutachter dessen Nähe zum Nationalsozialismus feststellten, wollte die Klosterkammer Hannover die Werke des Künstlers Erich Klahn nicht mehr ausstellen und hatte den zugrunde liegenden Stiftungsvertrag kündigen wollen. Die Klahn-Erben wehrten sich hiergegen mit der Begründung, es handele sich um eine "Schenkung unter Auflage", die nicht nach dem Auftragsrecht kündbar sei. Damit hatten sie nun auch beim Bundesgerichtshof Erfolg, wie taz-Nord (Petra Schellen) und lto.de berichten.
LG Braunschweig – "VW-Abgasaffäre": Der Rechtsdienstleister MyRight hat, wie nun auch taz-Nord (Andreas Wyputta) berichtet, Schadensersatzklage gegen VW beim Landgericht Braunschweig eingereicht. Die Landesregierung Niedersachsens, wo Volkswagen der größte Arbeitgeber ist, blicke "mit Skepsis auf dem bevorstehenden Prozess".
KG Berlin – Shaas al-M. Der vor dem Kammergericht angeklagte Shaas al-M. möchte im Prozess nicht aussagen, wie die FAZ (Mechthild Küpper) berichtet. Dem Syrer wird vorgeworfen, sich dem IS angeschlossen und in Berlin mögliche Anschlagsorte ausgekundschaftet zu haben. Ein ausführlicher Hintergrundbericht zum Prozessauftakt findet sich in der taz (Konrad Litschko).
AG Potsdam – Peer Jürgens: Die taz (Jana Anzlinger) berichtet über den neunten Verhandlungstag im Prozess gegen den ehemaligen Brandenburger Linkspolitiker Peer Jürgens. Als Zeugen waren der ehemalige Mitbewohner und die Nachmieterin von Jürgens geladen. Peer Jürgens muss sich seit Oktober 2016 wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Wahlfälschung verantworten.
BAW – Anis Amri: Die Bundesanwaltschaft ist von der Täterschaft des Anis Amri im Zusammenhang mit dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt überzeugt, wie die Welt (Martin Lutz) und spiegel.de melden.
BAW – Kontaktmann Amris: Gegen einen Tunesier, der im Verdacht steht, Kontaktmann von Anis Amri gewesen zu sein, hat die Bundesanwaltschaft Haftbefehl erlassen. Der Haftbefehl erging wegen des dringenden Tatverdachts des gewerbsmäßigen Leistungsbetruges. Zwar bestehe der Verdacht weiterhin, dass der Tunesier seinem Landsmann bei der Anschlagsplanung geholfen habe. Ein dringender Tatverdacht liege in dieser Hinsicht aber nicht vor, wie die FAZ berichtet.
Recht in der Welt
IStGH in der Krise? Die Zeit (Elisa Hoven) beschäftigt sich in einem ausführlichen Artikel mit der Legitimationskrise des Internationalen Strafgerichtshofs. Es werden die historischen Hintergründe dargestellt und der Frage nachgegangen, warum viele Staaten sich vom IStGH abwenden. Den Vertragsstaaten des Rom-Statuts sollten die angedrohten Austritte ein Weckruf sein und sie dazu veranlassen, für die Idee dieses Gerichtshofes zu werben.
Griechenland – Menschenhandel: Die Zeit (Sebastian Kempkens) berichtet über den spanischen Feuerwehrmann Manuel Blanco, der sich vor einem griechischen Gericht wegen Menschenhandels verantworten muss. Er hatte vor der Insel Lesbos versucht, Flüchtlinge vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu bewahren. Dieses Verhalten werteten die griechischen Behörden als "Beihilfe zur illegalen Einreise".
Vereinigtes Königreich – EU-Austritt: Auf verfassungsblog.de setzt sich Carlos Closa Montero vom Europäischen Hochschulinstitut in Florenz (in englischer Sprache) mit der Frage auseinander, ob das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, nachdem es seinen Austritt aus der EU angekündigt habe, diese Entscheidung wieder rückgängig machen könne. Montero argumentiert, dass eine solche Widerruflichkeit im Sinne des Artikels 50 EUV sei.
Sonstiges
"Gefährder": Die Welt (Florian Flade) beschäftigt sich mit der juristischen Einordnung des Begriffs "Gefährder". Die Rechtslage ließe es nicht zu, Personen, die als "Gefährder" eingestuft werden, "unter Kontrolle" zu behalten, wie der aktuelle Fall des Ahmed A. aus Niedersachsen zeige.
Anis Amri: Die taz (Christian Rath) zeichnet die Ermittlungen gegen Anis Amri nach. Während seiner sechsmonatigen Überwachung hätten sich keine Hinweise für islamistisch motivierte Straftaten ergeben, weshalb eine weitergehende Überwachung "rechtsstaatlich bedenklich" gewesen wäre. Allerdings müsse die Frage nach der Qualität dieser Überwachung gestellt werden.
Norbert Lammert zur Souveränität: "Wer ist das Volk?" Dieser Frage geht Bundestagspräsident Norbert Lammert in seinem Gastbeitrag für die FAZ nach. Ein "einheitlich empfindendes Volk" gebe es nicht, vielmehr seien sich im Wettstreit befindende Interessen Bestandteil einer pluralen Gesellschaft, die nach demokratischen und nicht populistischen Lösungen verlangten. Volksentscheide begünstigten die Vereinfachung komplexer, politischer Entscheidungen und führten damit nur vermeintlich zu mehr demokratischer Legitimation.
Wehrhafte Demokratie: Der Professor Claus Leggewie schreibt in einem Gastbeitrag für die FAZ über die "militante Demokratie" und bezieht sich dabei auf den Staatsrechtler Klaus Löwenstein. Aktuell hätten sich Dschihadisten und rechte politische Strömungen zu Feinden der Demokratie erklärt. Dass diese auch für die Demokratie gefährlich sein könnten, beweise der Demokratie-Abbau in Russland, Ungarn, Polen und der Türkei. Eine europaweite Debatte über die "Ausgestaltung der Wehrhaftigkeit in Zeiten des Terrors" sei heute überfällig.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. Januar 2017: Militärstrafsache Asaria / Mehr starker Staat / Lammert zur Volkssouveränität . In: Legal Tribune Online, 05.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21668/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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