China beansprucht zu Unrecht Seegebiete, entscheidet der Schiedshof. Außerdem in der Presseschau: Kachelmann erhält 395.000 Euro, Terror-Vorwürfe gegen Facebook und die Frage, ob man einen Roboter verklagen kann.
Thema des Tages
Schiedshof – Südchinesisches Meer: Chinas erhebt zu Unrecht Ansprüche auf Gebiete anderer Staaten, urteilte der Ständige Schiedshof in Den Haag im Streit um Teile des Südchinesischen Meers. Von dem rohstoffreichen, drei Millionen Quadratkilometer großen Gebiet beansprucht China über 80 Prozent, wodurch sich die angrenzenden Staaten Vietnam, Malaysia, Taiwan, Brunei und die Philippinen bedroht fühlen. Der Klage der Philippinen wurde nun stattgegeben, da es für "historische Rechte" Chinas auf die Ressourcen "keine rechtliche Grundlage" gebe. China hatte die Gerichtsverhandlungen boykottiert und erklärte bereits, das Urteil weder zu akzeptieren noch anzuerkennen. Es berichten zeit.de und die FAZ.
Steffen Richter (zeit.de) befürchtet, da die Beschlüsse des Schiedshofs zwar rechtlich bindend sind, es aber keine exekutiven Verfahren zur zwangsweisen Umsetzung gibt, werde die Lage "noch angespannter werden als ohnehin". Stefan Kornelius (SZ) sieht China nun "vor der Entscheidung, ob es sich dem Recht beugt, oder qua Kraft und Größe weiter tut und lässt, was es will." Peter Sturm (FAZ) ist der Meinung, "die Konfliktparteien brauchen jetzt eigentlich dringend einen unparteiischen Vermittler", wofür hauptsächlich Europa in Frage komme.
Rechtspolitik
Privacy Shield: Über das am gestrigen Dienstag in Kraft getretene Datenschutzübereinkommen zwischen der EU und den USA, Privacy Shield, berichten Rechtsanwalt Michael Kamps auf lto.de und netzpolitik.org (Ingo Dachwitz). Kritiker befürchten, dass die Neuregelung weder das Problem der Massenüberwachung von Nutzerdaten durch US-Behörden lösen noch eine wirksame Kontrolle der Datenverwendung durch die Unternehmen gewährleisten wird. Angesichts einer einzigen Ombudsperson für Nutzerbeschwerden bezeichnet Svenja Bergt (taz) die Einigung als "Schild aus Luft".
Unternehmensverantwortung: zeit.de (Petra Pinzler) befasst sich mit den Plänen, Unternehmen dazu zu verpflichten, die Menschenrechte der Arbeiter ausländischer Zulieferer zu schützen. Auf den von verschiedenen Organisationen ausgearbeiteten Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte folgten bislang noch zu wenig konkrete Taten seitens der Politik.
Stalking: Vor dem Hintergrund, dass eine Änderung des Stalking-Paragrafen geplant werden soll, beschreibt die SZ (Oliver Klasen) einen Fall aus der Praxis. Künftig sollen Nachstellungen auch schon dann strafbar sein, wenn sie lediglich objektiv geeignet sind, die Lebensführung des oder der Geschädigten zu beeinträchtigen – heute muss eine solche Beeinträchtigung tatsächlich eingetreten sein.
Strafrecht als Ultima Ratio: Der SWR RadioReport Recht (Klaus Hempel) interviewt den Vorsitzenden des Deutschen Anwaltvereins angesichts verschiedener vorgenommener oder angedachter Strafrechtsverschärfungen zu der Frage, welche gesellschaftlichen Probleme mittels des Strafrechts gelöst werden sollten.
Um diese Frage geht es auch Bundesrichter Thomas Richter, der in seiner aktuellen Kolumne auf zeit.de ironisch die Einfügung eines § 238a StGB (Visuelle Persönlichkeitsverletzung) vorschlägt: Gefragt werden müsse, "ob der strafrechtliche Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor visueller Beeinträchtigung und deren Folgen noch hinreichend gewährleistet" sei.
CETA: Bezüglich des geplanten Freihandelsabkommens CETA befasst sich juwiss.de (Lorin-Johannes Wagner) mit den Außenkompetenzen der EU zur Unterzeichnung oder zum Abschluss internationaler Abkommen.
Justiz
BGH zum Widerruf von Kreditverträgen: Erneut entschied der Bundesgerichtshof, dass Darlehensnehmer bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen noch nach Jahren ihre Kreditverträge kündigen können. Rechtsanwalt Alexander Knauss erläutert auf lto.de die Rechtsprechung – und in welchen Fällen sie den Kunden nicht weiterhilft.
OLG Köln zu Jörg Kachelmann: In zweiter Instanz hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass die Bild-Zeitung an Jörg Kachelmann insgesamt 395.000 Euro Entschädigung zahlen muss. Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen den Wettermoderator stellte es 26 Fälle schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzungen fest, berichtet lto.de. Heribert Prantl (SZ) bezeichnet die Summe als "bescheiden"; die Berichterstattung sei "exzessiv, persönlichkeitszerstörend und existenzvernichtend" gewesen. Die SZ (Wolfgang Janisch) stellt zudem die Entwicklung der Rechtsprechung gegen Medien dar.
OLG Düsseldorf zu Edeka-Tengelmann-Fusion: Die Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann muss vorläufig gestoppt werden, entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf im Eilverfahren. Nachdem das Kartellamt die Übernahme untersagt hatte, hatte Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel sie per sogenannter Ministererlaubnis zugelassen. Diese sei jedoch aus mehreren Gründen rechtswidrig, berichten FAZ und lto.de. Das Hbl (Volker Votsmeier) interviewt dazu den Kartellrechtsanwalt Marc Besen.
OLG München – NSU: Im Prozess gegen die mutmaßlichen Terroristen des NSU hat der Vorsitzende Richter mehrere Beweisanträge der Nebenklage abgelehnt, die sich um die Glaubwürdigkeit des Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas T. drehen. Er war am 6. April 2006 in dem Kasseler Internetcafé, als dort dessen Betreiber Halit Yozgat erschossen wurde, will aber nichts davon gemerkt haben. Seine Angaben dazu seien "sachlich, nachvollziehbar und plausibel", berichte die SZ (Bernd Kastner/Annette Ramelsberger).
OLG Frankfurt zu Kriegsverbrechen in Syrien: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat einen 21-Jährigen zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt, der kurzzeitig im syrischen Bürgerkrieg aktiv war. Er hatte vor zwei aufgespießten Köpfen für ein Foto posiert und die Toten verhöhnt, was ein Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch darstelle. Es ist das erste derartige Urteil eines deutschen Gerichts, berichtet spiegel.de.
LG Coburg – tote Neugeborene: Im Prozess gegen eine Frau aus Oberfranken, in deren Wohnung acht Babyleichen gefunden wurden, hat die Angeklagte die Tötungen gestanden. Sie könne jedoch nicht mehr sagen, wie viele der Kinder zuvor gelebt hätten. Der inzwischen getrennt lebende Ehemann ist wegen Beihilfe angeklagt. Es berichtet die FAZ (Karin Truscheit).
BGH zu § 43a BRAO: Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 43a der Bundesrechtsanwaltsordnung kann von den Parteien nicht abbedungen werden, da es sich um eine Grundpflicht handelt, entschied der Bundesgerichtshof nach einer Meldung der FAZ (Hendrik Wieduwilt). Wird hiergegen verstoßen, ist der Anwaltsvertrag unter Umständen nichtig.
AG München zu Oktoberfest-Schlägerei: Das Amtsgericht München hat einen Rechtsanwalt und ehemaligen Linklaters-Partner zu sieben Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, 150 Arbeitsstunden und einer Geldauflage in Höhe von 36.000 Euro verurteilt. Der Mann hatte auf der Oktoberfest-Feier der Kanzlei einen anderen Linklaters-Partner ins Gesicht geschlagen – beide Anwälte verließen die Kanzlei im Anschluss. Hintergrund des Streits soll ein sexueller Übergriff auf eine studentische Mitarbeiterin gewesen sein, berichtet lto.de (Tanja Podolski).
StA Braunschweig – VW: In einem Gastbeitrag in der FAZ schreiben die Rechtswissenschaftler Christian Brand und Dominik Hotz über die Pläne der Staatsanwaltschaft Braunschweig, im Bußgeldverfahren gegen VW auch den Gewinn einzuziehen, den der Konzern durch den Verkauf der elf Millionen manipulierten Pkw erzielt hat. Sie erläutern dabei die Möglichkeiten und Schwierigkeiten des Verfalls nach § 29a des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten im konkreten Fall.
EuGH zu Patentlizenzen: Wenn eine Vereinbarung über eine Patentlizenz getroffen wurde, ist die Nutzungsgebühr auch dann zu zahlen, wenn die konkrete Verwendung des Lizenznehmers nicht dem rechtlichen Schutz des Patents unterfällt, entschied der Europäische Gerichtshof. In solchen Fällen müssen der Lizenzvertrag gekündigt werden. Dies gilt sogar dann, wenn das Patent später für nichtig erklärt wurde, meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt).
Recht in der Welt
USA – Klagen gegen Facebook: Die Angehörigen von fünf Anschlagsopfern palästinensischer Attentäter verklagen den Social-Media-Konzern Facebook in New York auf Schmerzensgeld in Höhe von einer Milliarde Dollar. Sie sehen eine Mitverantwortung bei Facebook, weil die radikalislamische Hamas das Netzwerk für Propaganda und Anschlagsvorbereitung nutze, berichtet die FAZ.
Frankreich – Notstandsgesetz: Auf verfassungsblog.de beschäftigt sich der wissenschaftliche Mitarbeiter Ioannis Rodopoulosal in englischer Sprache mit der neuen Anti-Terror-Gesetzgebung, die sich in eine historische Kontinuität einfüge.
Griechenland – Siemens-Prozess: Der Prozess gegen Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer und weitere Manager in Athen ist vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben worden, weil die Anklageschrift bislang nicht ins Deutsche übersetzt wurde, meldet das Hbl.
Frankreich – Staatshaftung für Terror: Der französische Staat hat eine Mitverantwortung an der Ermordung eines Soldaten im Jahr 2012, weil er die Überwachung des islamistischen Attentäters Mohamed Merah aufgegeben hatte. Das entschied das Verwaltungsgericht von Nîmes und sprach den Angehörigen eine Entschädigung zu, berichtet spiegel.de.
Sonstiges
Haftung für Roboter: In einem Gastbeitrag in der SZ schreibt Handelsrechtler Horst Eidenmüller über die Rolle des Rechts, wenn statt Menschen Roboter einen Fehler machen: Wenn lernende Maschinen zweckorientiert und sogar ethisch verantwortungsvoll handeln können, können sie dann auch persönlich haftbar sein?
BND-Spionage: Ausführlich berichten nun auch netzpolitik.org (Anna Biselli) und die taz (Christian Rath) über den Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, aus dem sich ergibt, dass politische Ziele in EU- und NATO-Staaten vom BND rechtswidrig überwacht wurden.
Das Letzte zum Schluss
Polizei im Sexshop: In einem eskalierenden Konflikt zwischen einer Sexshop-Mitarbeiterin und einer Kundin musste in Köln die Polizei zur Hilfe gerufen werden. Der zuvor erworbene Vibrator mache belästigende Geräusche, beschwerte sich die Dame und verlangte Rückerstattung des Kaufpreises, die Verkäuferin wollte jedoch nur einen Gutschein herausgeben. Die Beamten sahen sich jedoch mangels Straftat nicht in der Lage, einzuschreiten, berichtet justillon.de (Stephan Weinberger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Juli 2016: Schiedshof gegen China / Geld für Kachelmann / Roboter und Haftung . In: Legal Tribune Online, 13.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19957/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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