Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt wird die Debatte um rechtspolitische Konsequenzen fortgesetzt. Außerdem in der Presseschau: Facebook steht in der Halbjahres-Kritik und der BGH weist Klagen gegen Porsche ab.
Thema des Tages
Anschlag in Berlin: Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt will Innenminister Thomas de Maizière sicherheitspolitische Reformen vornehmen, die unter anderem eine erleichterte Videoüberwachung öffentlicher Plätze durch die Polizei, den vermehrten Einsatz elektronischer Fußfesseln und die schnellere Abschiebung von "Gefährdern" beinhalten, wie die Dienstags-FAZ (Johannes Leithäuser) und zeit.de berichten. Bereits am vergangenen Freitag hatte Bundesjustizminister Heiko Maas Beratungen mit dem Innenministerium über rechts- und sicherheitspolitische Konsequenzen angekündigt, melden lto.de, das Dienstags-Hbl (Jan Hildebrand) und die WamS (Manuel Bewader).
Die CSU hat in einem Positionspapier unter anderem einen neuen Abschiebehaftgrund bei Vorliegen einer "Gefahr für die öffentliche Sicherheit" gefordert, berichtet spiegel.de. Mit diesem Abschiebehaftgrund beschäftigt sich die Dienstags-taz (Christian Rath) und zweifelt an dem Sinn dieser Forderung. Eine Abschiebehaft könne nur angeordnet werden, wenn sich das Heimatland zur Aufnahme bereit finde, was bei dem mutmaßlichen Attentäter Anis Amri ohnehin nicht der Fall gewesen sei. Joachim Käppner (Dienstags-SZ) kritisiert die Position der CSU, welche nicht zu einer sachlicheren Debatte beitrage. Niemand "sollte so tun, als ließe sich völlige Sicherheit garantieren", schreibt er.
Die Dienstags-SZ (Ronen Steinke) beantwortet einige Fragen, die in der Öffentlichkeit vielfach im Zusammenhang mit dem Anschlag in Berlin gestellt werden. Insbesondere wird erklärt, was der Begriff "Gefährder" meint und warum diese Einstufung allein für eine Haftanordnung noch nicht ausreichen könne, weshalb das präventive Einsperren die Unschuldsvermutung umkehre, und wie der europäische Datenaustausch zwischen Sicherheitsbehörden geregelt ist.
Rechtspolitik
Entschädigung der Opfer: Eine "fatale Lücke" im Opferentschädigungsgesetz (OEG) verhindert, dass den Opfern des Anschlags in Berlin und deren Angehörigen Entschädigungen zustehen, berichten spiegel.de (Sven Weiland) und focus.de. Das OEG sei nicht anzuwenden auf tätliche Angriffe, die mit einem Kraftfahrzeug begangen werden.
Facebook: Facebook hat seinen halbjährlichen Transparenzbericht veröffentlicht, wie die Dienstags-SZ (Jannis Brühl) und lto.de berichten. Nach eigenen Angaben werden häufiger volksverhetzende oder jugendgefährdende Inhalte eingeschränkt. Das Unternehmen war stark in die Kritik geraten, derartige Inhalte nicht schnell genug zu löschen. Zusätzlich verweist die Dienstags-SZ auf die Ideen zu einem neuen Gesetz, das Facebook und andere Anbieter stärker in die Pflicht nehmen soll, mit Ermittlungsbehörden zu kooperieren und die Veröffentlichung von Falschnachrichten zu unterbinden.
Facebook war außerdem wegen der schlechten Arbeitsbedingungen von Arvato-Mitarbeitern in Deutschland, die für das Löschen von Gewalt befürwortenden oder hasserfüllten Inhalten verantwortlich sind, in die Kritik geraten. Geändert habe sich an diesen Bedingungen aber bisher nichts, so die Dienstags-SZ (Till Krause/Hannes Grassegger). In dem Bericht kommt Arbeitsrechtler Raphael Callsen von der Kanzlei DKA zu Wort. Er hält Schadensersatzklagen gegen Arvato für möglich.
Gerüchte und Lügen: Das Bundesinnenministerium will noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr ein "Abwehrzentrum gegen Desinformation" einrichten, das beim Bundespresseamt angesiedelt sein soll. Damit solle der Verbreitung sogenannter "Fake News" begegnet werden, berichten der Spiegel (Horand Knaup u.a.), die Samstags-FAZ (Axel Weidemann) und lto.de.
Steuerrecht: In einem Interview mit dem Dienstags-Hbl (Volker Votsmeier) plädiert Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs, für mehr steuerliche Pauschalen und Freibeträge. Eine "Entschlackung" des aktuellen Steuerrechts hielte er zwar für sinnvoll, die Berücksichtigung einzelner Fallgestaltungen sei aber eine wesentliche Ursache des komplizierten Steuerrechts. Er äußert sich außerdem zum Steuerrecht auf EU-Ebene, insbesondere zu der Forderung der EU gegen Apple.
In einem Gastbeitrag fasst die Steuerberaterin Martina Ortmann-Babel im Dienstags-Hbl die wichtigsten steuerrechtlichen Änderungen für das Jahr 2017 zusammen.
Roboterautos: Nun berichten auch die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) und die WamS (Nikolaus Doll/Philipp Vetter) über das von der Bundesregierung geplante Gesetz, mit dem die Haftungs- und andere Rechtsfragen zu computergesteuerten Pkws geregelt werden sollen.
"Kinderehen": Die große Koalition plant eine pauschale Annullierung aller Ehen von geflüchteten minderjährigen Frauen. Weshalb eine solche Vorgehensweise nicht immer dem Kindeswohl diene und eine Prüfung im Einzelfall vorzuziehen sei, erklärt der Spiegel (Dietmar Hipp u.a.).
Kölner Silvesternacht: Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat scharfe Kritik an der juristischen Aufarbeitung der Vorfälle in der Kölner Silvesternacht 2015/16 geübt, wie die Dienstags-taz und zeit.de melden. Es seien zu wenige Täter verurteilt worden und die Verfahren hätten zu lange gedauert. Die Justiz solle "in aller Härte urteilen", forderte de Maizière.
Justiz
BGH zu VW-Übernahme: Im Rechtsstreit um die geplatzte VW-Übernahme vor acht Jahren hat der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde mehrerer US-Hedgefonds gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2015 abgewiesen. Es handelte sich um eine Schadensersatzklage in Milliardenhöhe wegen Leerverkäufen, so berichten die Samstags-FAZ (ols) und lto.de.
BGH zu Mietzahlungen: Mieter müssen ihre Miete nicht so überweisen, dass das Geld bereits am vereinbarten Stichtag auf dem Konto des Vermieters sei, entschied der Bundesgerichtshof, wie die Samstags-SZ und lawblog.de (Udo Vetter) schreiben.
EuGH zu Vorratsdatenspeicherung: Der Akademische Rat a.Z. Nikolaus Marsch befasst sich auf verfassungsblog.de ausführlich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung und erklärt, warum das Gericht die Unionsgrundrechte berücksichtigt hat. Für die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden folge hieraus allerdings nichts, da die Unionsgrundrechte nicht Teil des Kontrollmaßstabes des Bundesverfassungsgerichts seien.
OLG Frankfurt zu Schwarzfahren: Das Fahren ohne Fahrschein stellt trotz des Tragens eines "Ich fahre umsonst"-Buttons eine Beförderungserschleichung dar, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und hob damit den Freispruch eines 52-jährigen Mannes auf. "Erschleichen" setze zwar ein heimliches Vorgehen voraus, allerdings sei der Button nicht die ganze Zeit sichtbar gewesen, weshalb der Anschein der Ordnungsmäßigkeit dennoch erweckt wurde. Es berichten spiegel.de (Benjamin Schulz) und lto.de.
BVerfG – Transparenzgesetz: Arne Semsrott schreibt auf netzpolitik.org über die von der Open Knowledge Foundation und anderen eingelegten Verfassungsbeschwerden gegen das Transparenzgesetz in Rheinland-Pfalz, mit dem anonyme Anfragen an Behörden verhindert werden sollen. Die Regelung sei, so die Argumentation, sachlich nicht gerechtfertigt und stelle einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar.
BayVerfGH – Entgeltzahlung an Professoren: Die Dienstags-taz (Sabine Seifert) schildert in einem ausführlichen Bericht den Fall eines "außerplanmäßigen Professors" (kurz: "apl. Prof."), der sich vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Verpflichtung zur unentgeltlichen Ableistung von zwei Semesterwochenstunden wehrt. Diese sind verpflichtend, damit er seinen Titel "apl. Prof." nicht verliert.
LG Arnsberg – Kronkorken-Gewinnspiel: Das Landgericht Arnsberg hat sich laut spiegel.de mit der Frage zu beschäftigen, wem der Hauptgewinn bei einem Brauerei-Gewinnspiel zusteht. Im konkreten Fall hatten fünf Freunde während einer Reise gemeinsam Bierkisten gekauft. Einer der Kronkorken führte zum Hauptgewinn, der auch von einem aus der Clique entgegengenommen wurde. Nun erhebt einer der Fahrt-Teilnehmer Anspruch auf ein Fünftel des Gewinnwerts.
VG Stuttgart – Stuttgart 21: Die Deutsche Bahn hat Klage gegen ihre Projektpartner beim Bau von Stuttgart 21 auf Beteiligung an den Mehrkosten beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht, meldet die Samstags-FAZ.
StA Nürnberg – V-Mann-Affäre beim LKA: Gegen den bisherigen Leiter der Sonderkommission zum Wiesn-Attentat vom 26. September 1980 und fünf weitere LKA-Beamte hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenunterdrückung, Strafvereitelung im Amt und Falschaussagen eingeleitet, berichtet focus.de. Anlass für die Ermittlungen ist ein V-Mann-Einsatz im Rockermilieu. Den Beamten wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, Straftaten gedeckt zu haben. Unter Zustimmung des Generalbundesanwalts wurde ein neuer Leiter für die SOKO eingesetzt.
Nebeneinkünfte von Bundesrichtern: Bundesrichter erhalten Nebeneinkünfte in fünf- bis sechsstelliger Höhe, wie die Dienstags-SZ und Dienstags-FAZ melden. Dies gehe aus einer Anfrage der Grünen-Fraktion an die Bundesregierung hervor. Die Bundesregierung erkennt aufgrund der sehr "weitgehenden Anzeigeverpflichtung von Bundesrichtern" keine Missbrauchsgefahr. Die Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Grüne) sieht hingegen eine Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit.
Recht in der Welt
USA – VW-Abgasaffäre: In der "Abgasaffäre" hat VW mit den US-Klägern einen weiteren Vergleich ausgehandelt, melden lto.de und zeit.de. Es handelt sich dabei um eine Grundsatzeinigung mit Kunden und Behörden über Entschädigungen, Rückkäufe und Reparaturen. Details der Einigung wurden allerdings noch nicht veröffentlicht.
Das Dienstags-Hbl (Stefan Menzel) berichtet von VW-Kunden, die im Rahmen der Umsetzung des sogenannten "Zwei-Liter-Programms" – dem Entschädigungsplan für VW-Kunden mit einem 2,0-Liter- Dieselmotor – ausgeschlachtete Pkws für den Rückkauf an VW übergeben. So habe es der VW-Anwalt Robert Giuffra geschildert. Der US-Richter Breyer ordnete daraufhin an, dass die Autos in dem Zustand zurückgegeben werden müssten, in dem sie auf der Straße unterwegs waren.
USA – Deutsche Bank: Im Streit um unsaubere Hypothekengeschäfte in den USA vor der Finanzkrise haben sich die Deutsche Bank und das US-Justizministerium verglichen. Sie einigten sich auf ein Bußgeld in Höhe von rund sieben Milliarden US-Dollar, wobei etwa 3,1 Milliarden Dollar als Zivilbuße direkt gezahlt werden müssten, der Rest solle gestaffelt innerhalb von fünf Jahren in Form von Erleichterungen für US-amerikanische Verbraucher bereitgestellt werden. Es berichten die Samstags-SZ (Maike Schreiber), die Samstags-FAZ (Tim Kanning), die Samstags-Welt (Anja Ettel/Holger Zschäpitz) und spiegel.de.
IStGH – Kriegsverbrechen in Syrien und im Irak: In einem Interview mit dem Spiegel (Olaf Kanter/Susanne Koelbl) spricht die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs Fatou Bensouda über die Krise des Gerichts und die Schwierigkeiten der Verfolgung der Kriegsverbrechen in Syrien und dem Irak. Die beiden Staaten hätten das Rom-Institut nicht ratifiziert. "Zugriff haben wir aber auf Staatsbürger aller Nationen, die Mitglied des Gerichts sind, und solche sind ja in großer Zahl in beiden Ländern unterwegs. Wir überlegen, wie wir genau an diesem Punkt ansetzen können", so Bensouda.
Der Focus (Martin Krischer) beschäftigt sich mit einer möglichen Strafverfolgung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, etwa durch ein UN-Tribunal. Die Welt werde ein juristisches Urteil wohl nicht fällen. Der Bericht geht anschließend auf den juristischen Begriff des "Genozids" ein.
Frankreich – Football Leaks: Eine französische Spezialbehörde unter der Leitung von Éliane Houlette ermittelt gegen Profifußballer und ihre Berater wegen des Anfangsverdachts der Geldwäsche und der schweren Steuerhinterziehung, wie der Spiegel (Christoph Heinrichs) berichtet. Mittels Scheinfirmen wurden angeblich bei Fußballtransfers nicht versteuerte Millionenbeträge erzielt. Anlass für diese Ermittlungen boten "Football-Leaks-Veröffentlichungen" die auf Recherchen des "Spiegel" und der European Investigative Collaborations (EIC) zurückgehen.
Sonstiges
"Utopia": lto.de (Martin Rath) befasst sich mit dem Roman "Utopia" des Humanisten Thomas Morus aus dem Jahr 1516, der Kritik am damaligen Recht enthalte. In literarischer Form werde u.a. über die Todesstrafe diskutiert und die Verbannung von Straftätern zur besten Sanktionsform "verklärt".
Das Letzte zum Schluss
ArbG Köln zu Marzipantorten: Einige Betriebsrentner verklagten einen Nahrungsmittelhersteller aus Köln. Nicht nur wurde ihr Weihnachtsgeld in Höhe von 105 Euro gestrichen, sondern auch die alljährliche Marzipantorte. Das Arbeitsgericht Köln wies die Klagen ab. Es sah hierin keine "betriebliche Übung", da in der Vergangenheit nicht alle Betriebsrentner davon profitiert hätten und der Arbeitgeber deutlich gemacht habe, dass es sich um "freiwillige Leistungen" handele und kein Anspruch für die Zukunft bestehe, wie lawblog.de (Udo Vetter) schreibt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. bis 27. Dezember 2016: Streit um Sicherheit / Facebook in der Kritik / BGH entscheidet zu VW-Übernahme . In: Legal Tribune Online, 27.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21598/ (abgerufen am: 07.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag