Vor dem LG Leipzig wird ein Millionenschadenersatz in Sachen Verlagskartell verlangt. Außerdem in der Presseschau: EU-Einreisekontrollen nach US-Vorbild – Heribert Prantl pflichtet Barack Obama in der Liebe zur Demokratie bei.
Thema des Tages
LG Leipzig – Verlagskartell: Vor dem Landgericht Leipzig verlangt die "Wochenspiegel Erzgebirge Verlags GmbH" von Tochterfirmen der Verlagshäuser Gruner+Jahr und Medien Union sowie deren Managern eine Million Euro Schadensersatz wegen kartellrechtswidriger Rabattabsprachen. Im Prozess, der sich derzeit im schriftlichen Vorverfahren befindet, geht es um den Vorwurf, Anzeigenseiten zu nicht kostendeckenden Dumpingpreisen angeboten zu haben. Dadurch sei die Klägerin gezwungen gewesen, auch die eigenen Preise zu senken, wodurch ihr Verluste in Millionenhöhe entstanden seien.
Ein Kartell, wie es die Zeitungsbranche noch nicht erlebt habe, schreibt das Hbl (Massimo Bognanni) und schildert die Vorgänge. Im Juni 2015 habe das Kartellamt dem Treiben ein Ende bereitet und Millionenstrafen verhängt, ungewöhnlicherweise auch gegen die beteiligten Manager persönlich.
Rechtspolitik
EU – Einreisekontrollen: Die EU-Kommission hat eine Verordnung vorgestellt, mit der US-Bürger und andere bislang nicht visumpflichtige Ausländer ab 2020 verpflichtet werden sollen, eine Genehmigung für Reisen in die EU zu beantragen. In der Prüfung solle festgestellt werden, ob Reisende ein Sicherheitsrisiko darstellten und die Einreise in den Schengenraum gegebenenfalls verweigert werden. Das Vorhaben mit dem Namen "Etias" orientiere sich an dem in den USA praktizierten Einreisesystem "Esta" schreibt zeit.de.
Videoüberwachungsverbesserungsgesetz: Zu dem vom Innenministerium vorgelegten Videoüberwachungsverbesserungsgesetz, durch das die Überwachung hochfrequentierter, öffentlich zugänglicher Anlagen erleichtert werden soll, scheibt Oberregierungsrat Florian Albrecht auf lto.de, dass dadurch nichts geregelt werde, was nicht ohnehin schon möglich sei. Es stehe aber zu befürchten, dass die verfassungsrechtlich gebotene Interessenabwägung außer Kraft gesetzt werde.
Datengesetz: Im Digitalressort von Verkehrs- und Infrastrukturminister Dobrindt werde das Vorhaben vorangetrieben, rechtliche Hürden für Digitalunternehmen beim Zugriff auf persönliche Daten zu senken. Gefordert werde ein Datengesetz, das "die Persönlichkeitsrechte der Menschen mit der Wertschöpfung der Wirtschaft vereint". Das solle verhindern, dass deutsche Unternehmen wegen strengen Datenschutzes im internationalen Wettbewerb zurückfallen, schreibt die SZ (Markus Balser).
Unterhaltsvorschuss: Wie die SZ (Ulrike Heidenreich) berichtet, hat das Bundeskabinett beschlossen das Höchstbezugsalter für den sogenannten Unterhaltsvorschuss, also staatlichen Ausgleich für nicht gezahlten Kindesunterhalt des Ex-Partners oder der Ex-Partnerin, von 12 auf 18 Jahre anzuheben.
Justiz
EuGH zu digitaler Vervielfältigung: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass eine französische Regelung, nach der vergriffene Bücher digital vervielfältigt werden können, nicht im Einklang mit Unionsrecht steht. Jedenfalls dann nicht, wenn die betroffenen Autoren nicht vorher aufgeklärt wurden, dass sie dem widersprechen können, gibt lto.de die Entscheidung wieder.
BVerfG zu NSA-Selektoren: Nun befasst sich auch Christoph Smets auf lto.de mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Herausgabe der NSA-Selektorenliste zu verneinen.
BSG zu Arbeitsunfall: Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ist ein Arbeitsunfall nur dann gegeben, wenn ein betrieblicher Zusammenhang besteht. Dies sei bei einem Fußballturnier, das vom Unternehmen für Mitarbeiter, deren Familien und Freunde organisiert wurde und damit jedermann offenstand, nicht der Fall, befand das Gericht. Es berichtet die FAZ (Marcus Jung).
LG Paderborn – Höxter: Am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Paderborn hat Angelika W., der vorgeworfen wird, gemeinsam mit ihrem Ex-Ehemann in ihrem Haus in Höxter zwei Frauen zu Tode gequält zu haben, geschildert was sie selbst erlitten habe. Die Details der Aussage geben die SZ (Hans Holzhaider) und die FAZ (Katrin Hummel) wieder.
OVG Lüneburg zu Polizeigewalt: Wie das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden hat, war die Verwendung eines sogenannten Schmerzgriffs gegen einen Demonstranten rechtswidrig, weil diesem dadurch ein nicht unerheblicher Schmerz zugefügt wurde, der einer besonderen Androhung bedurft hätte. Die grundsätzliche Frage, ob solche Griffe überhaupt verhältnismäßig sein können, ließ das Gericht offen, schreibt die taz (Reimar Paul).
VG München – Shepherd: Vor dem Verwaltungsgericht München wird der Fall des US-Soldaten André Shepherd weiterverhandelt, der, bevor es zu einem zweiten Einsatz seiner Einsatz im Irak kam, desertierte und in Deutschland Asyl beantragte. Der 2015 in einem Vorabentscheidungsverfahren mit dem Fall befasste Europäische Gerichtshof hatte hohe Hürden hieran gestellt, schreibt die taz (Patrick Guyton).
Kapitalverbrechen im Freiburger Umland: In einem ausführlichen Bericht befasst sich die FAZ (Rüdiger Soldt) mit den Ermittlungen zu den Kapitalverbrechen, denen zwei junge Frauen in der Region um Freiburg kurz nacheinander zum Opfer fielen.
Recht in der Welt
Türkei – Vorgehen gegen PKK: Entgegen türkischer Vorwürfe gehen deutsche Richter durchaus hart gegen die verbotene PKK vor und verurteilten in zwanzig Jahren mehr als hundert Führungskader. Ein Absitzen der Strafe in Deutschland sei dabei normal, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Derzeit sei eine Auslieferung an die Türkei überhaupt nicht mehr zulässig, weil das Land die Beschuldigtenrechte "weitgehend außer Kraft gesetzt" habe.
Türkei – Juristen: Die Situation von Juristen in der Türkei beschreibt lto.de (Tanja Podolski). Am vergangenen Freitag wurden drei anwaltliche Vereinigungen geschlossen und es gebe Anzeichen dafür, dass 3.000 weiteren Anwälten die Zulassung entzogen werden soll.
USA – U.S. Supreme Court: Auf verfassungsblog.de erläutert die Rechtsreferendarin Lea Fischer die Bestimmung der amerikanischen Verfassung, in welcher die Nominierung von Supreme-Court-Richtern geregelt ist, und die Hintergründe dieser Regelung.
Russland – IStGH: Nun hat auch Russland angekündigt, vom Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zurückzutreten. Hintergrund dürfte die Position des Gerichtshofs zum Ukrainekonflikt sein, schätzt spiegel.de ein.
Sonstiges
Demokratie: "Wer die Demokratie liebt, muss sie beschützen" befindet Heribert Prantl (SZ) und lobt die Rede von Obama in der dieser, entgegen einem weit verbreiteten Gerede über demokratische Krisen, unter anderem gegen die "Hasenherzigkeit der Europäer gepredigt" habe.
Religionsstreit: Die Kritik an Aydan Özoguz, Staatsministerin für Integration, für ihre Forderung bei der Verfolgung von Islamisten "Augenmaß" walten zu lassen, ist für Jost Müller-Neuhof (Tsp) ein Zeichen dafür, dass es wieder Sprechverbote gibt.
EU – Geheimdienstkooperation: Wie sich die Zusammenarbeit europäischer Geheimdienste seit den Terroranschlägen in Paris entwickelt hat, zeichnet Matthias Monroy auf netzpolitik.org nach.
Citizenship: In einem Beitrag auf juwiss.de vergleicht der Rechtsprofessor Eddie Bruce-Jones in englischer Sprache das deutsche mit dem englischen Staatsbürgerschaftsmodell und setzte diese ins Verhältnis zu Konzepten europäischer Staatsbürgerschaft und einer "social citizenship".
Oettinger-Flug: EU-Kommissar Günther Oettinger hat sich vom Geschäftsmann und Honorarkonsul Russlands Klaus Mangold zu einem Flug in dessen Privatjet einladen lassen und dadurch gegen Ethikregeln der Kommission verstoßen. Diese verbieten eine Annahme von Geschenken, deren Wert 150 Euro übersteigt, was bei dem fraglichen Flug der Fall sein dürfte, mutmaßt die SZ (Alexander Mühlauer).
Reichsbürger: Warum die Ansicht von sogenannten Reichsbürgern, das Deutsche Reich bestehe fort, nicht vorschnell von der Hand zu weisen ist, erläutert die FAZ (Reinhard Müller). Trotz allem sei Deutschland ein souveräner Staat, dessen staatliche Stellen auch von Reichsbürgern anerkannt werden müssten.
Das Letzte zum Schluss
Ärger mit dem Klo: Nach nur einem Verhandlungstag ist der neue Hochsicherheits-Gerichtssaal in Stadelheim schon wieder geschlossen worden. Anlass gibt unter anderem eine fehlende Toilettenwand. Nun wird nachgerüstet. Wann der 17 Millionen Euro teure Bau der Justiz wieder zur Verfügung stehen wird, ist unklar, schreibt die SZ (Christian Rost).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. November 2016: Verlagskartell / Einreisekontrollen / Demokratieliebe . In: Legal Tribune Online, 17.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21155/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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