Keine Strafe bei Diebstahl aus Hunger, so ein italienisches Gericht. Außerdem in der Presseschau: Bundeskabinett billigt Gesetzentwürfe zu Cannabis für Kranke und der BGH erschwert die Kündigung von Fitnessstudioverträgen.
Thema des Tages
Keine Strafe bei Diebstahl aus Hunger in Italien: Italiens Oberstes Gericht hat einen Obdachlosen freigesprochen, der Käse und Wurst im Wert von knapp fünf Euro gestohlen hatte. Nach Verurteilungen durch die Instanzgerichte zu einer Bewährungsstrafe entschied das Oberste Gericht: Nicht wegen Diebstahls bestraft werden darf, wer "kleine Menge Nahrungsmittel stiehlt, allein davon getrieben, dass er Hunger hat und in der Notwendigkeit, sich ernähren zu müssen". Ein Grundsatzurteil für weitere Fälle derselben Art in Italien, bewertet die FAZ (Jörg Bremer) die Entscheidung.
Rechtspolitik
Cannabis für Kranke: Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf gebilligt, nach dem Schwerkranke Cannabis auf Kosten der Krankenkassen erhalten sollen. Voraussetzung ist unter anderem, dass andere Schmerztherapien nicht anschlagen. Der Anbau soll streng kontrolliert werden. Hierzu lto.de.
Legal Highs: Die Bundesregierung hat einen Entwurf zu einem Gesetz gegen "neue psychoaktive Substanzen" beschlossen, das im Zusammenhang mit sogenannten Legal High-Drogen ganze Stoffgruppen verbieten soll. Damit soll der Gesetzgeber im schnellen Markt der Legal Highs nicht mehr warten müssen, bis die Gefährlichkeit einzelner Substanzen nachgewiesen ist. taz.de (Christian Rath) stellt den Gesetzentwurf vor.
Presseauskunft: Die Grünen haben einen Gesetzentwurf für ein "Presseauskunftsgesetz" in den Bundestag eingebracht, so taz.de (Christian Rath). Danach sollen Pressevertreter gegenüber Bundesbehörden ein "Recht auf Auskunft" haben. Das Gesetz soll für Rechtssicherheit sorgen, weil derzeit nur der grundrechtliche Minimalstandard gelte; der Bund sei auch zuständig, so die Grünen.
Mutterschutz: Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf aus dem Familienministerium gebilligt, nach dem auch Studentinnen und Schülerinnen Mutterschutz in Anspruch nehmen können. Hierzu lto.de.
Justiz
EuGH zur Tabakrichtlinie: Der Europäische Gerichtshof hat die Bestimmungen der europäischen Tabakrichtlinie für gültig erklärt. Dabei ging es um die Werbehinweise bzw. Schockbilder auf Zigarettenpackungen, das Verbot von Mentholzigaretten und Sonderregeln für E-Zigaretten. lto.de fasst zusammen.
BVerfG zur Anhörung bei Betreuung: Bevor ein Gericht über die Betreuung eines Menschen entscheiden darf, muss der Betroffene persönlich angehört werden. Das ist nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von März wegen der in Rede stehenden tiefen Einschnitte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht unverzichtbar. Hierzu lto.de.
Für Udo Vetter (lawblog.de) hat die Entscheidung eine hohe praktische Bedeutung: Gerade bei der Verlängerung der Betreuung entschieden viele Gerichte bislang nur nach Aktenlage.
BGH zu Fitnessstudio-Kündigungen: Umzüge aus familiären oder beruflichen Gründen berechtigen nicht zur außerordentlichen Kündigung von Fitnessstudioverträgen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Das Risiko des Wegzugs liege regelmäßig in der Sphäre des Kunden und stelle keinen wichtigen Grund dar, so der BGH. lto.de und die FAZ (Joachim Jahn) berichten.
Lutz Bachmann: Gegen die Verurteilung des Pegida-Gründers Lutz Bachmann wegen Volksverhetzung haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Bachmann selbst Rechtsmittel angekündigt, meldet lto.de.
Heribert Prantl (SZ) betont allgemein die Bedeutung der Sanktionierung der Volksverhetzung als strafrechtliche Seite der Menschenwürde; die Menschenwürde sei notleidend geworden, "weil es zu viele Bachmänner gibt". Für Silke Mertins (taz.de) hat die Verurteilung zu einer "politischen Klarstellung" beigetragen: Alle, die von Menschen als "Viehzeug" reden, bewegten sich außerhalb des demokratischen Spektrums.
OLG Frankfurt – Kriegsverbrecher in Syrien: Die Welt (Hannelore Crolly) berichtet über den Kriegsverbrecherprozess gegen den Salafisten Aria L. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Dass er im syrischen Bürgerkrieg mit aufgespießten Köpfen Getöteter posiert hat, gab er bereits zu. L. ist mehrfach vorbestraft und war vor seiner Reise nach Syrien offenbar gut vernetzt mit der deutschen Hasspredigerszene. Der Vorsitzende Richter attestierte L. eine "larmoyante Selbstbeweihräucherung".
AG Wiesbaden zu Mollath-Protestaktion: Das Amtsgericht Wiesbaden hat einen Anwalt zu einer Geldstrafe wegen versuchter Gefangenenbefreiung verurteilt. Der Anwalt hatte im Jahr 2013 mit einem gefälschten Gerichtsbeschluss per Fax die Freilassung des damals inhaftierten Gustl Mollath erreichen wollen, meldet lto.de.
OLG München – NSU-Prozess: Die taz (Konrad Litschko) befasst sich mit den Prozessmanövern der am NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München beteiligten Anwälte der Angeklagten. Opferanwälte beklagten "inhaltlich nicht mehr nachvollziehbare" Befangenheitsanträge, deren einziges Ziel die Prozessverschleppung sei. Die Anwälte von Ralf Wohlleben hätten Verbindungen zur rechten Szene.
Middelhoffs Haftantritt: Der frühere Topmanager Thomas Middelhoff hatte mit seinem Vorgehen gegen seine Ladung zum Haftantritt keinen Erfolg, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Die Staatsanwaltschaft Bochum hat entsprechende Einwendungen zurückgewiesen. Middelhoff werde wegen seiner Anstellung in einer Behindertenwerkstatt die Strafe wohl als Freigänger verbüßen können.
LG München I zu AIDS-Ansteckung: Weil er seine Ex-Freundin mit dem HI-Virus infiziert hat, muss ein Mann ein Schmerzensgeld von 115.000 Euro zahlen. Trotz voriger Bitte hatte der Beklagte keinen AIDS-Test durchgeführt. Die Summe erfasse nur die bisher eingetretenen Schäden, weiß sueddeutsche.de (Ekkehard Müller-Jentsch).
BVerfG zur Abstammungsklärung: Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von April, nach der der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, eine Grundlage für die rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung von einem mutmaßlichen leiblichen Vater zu schaffen, meint Lucy Chebout auf verfassungsblog.de: Zu begrüßen sei, dass das BVerfG "das Kenntnisrecht in seiner Schwergewichtigkeit" relativiere; die Begründung überzeuge aber nicht in jeder Hinsicht.
Recht in der Welt
USA – Sammelklage-Erfinder: Die SZ (Claus Hulverscheidt) stellt den New Yorker Rechtsprofessor Arthur Miller vor, der als Richter am Supreme Court vor fünfzig Jahren die Sammelklage ins Leben rief – im Rahmen von Präzedenzfällen um die afro-amerikanische Bürgerrechts- und die aufkommende Umweltbewegung. Mit aktuellen Fällen – wie etwa einer erfolgreichen Sammelklage wegen zu vieler Eiswürfel im Starbucks-Becher – gehe das Instrument aber in eine Richtung, die Miller nie im Sinn gehabt hätte.
Brasilien – Haftung von Minenkonzernen: In Brasilien haben Staatsanwälte eine Zivilklage gegen die beiden Bodenschatzkonzerne BHP Billiton und Vale eingereicht. Die Unternehmen sollen für einen Dammbruch auf über 39 Milliarden Euro haften, der eine Katastrophe und den Tod mehrerer Menschen verursachte. Die FAZ (che) bringt die Hintergründe.
Sonstiges
Brexit-Deal: Es gibt offenbar Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Brexit-Deals, der Großbritannien vom Austritt aus der EU abhalten soll. Laut Hbl (B. Gillmann u.a.) stuft der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten eine Regelung zum Kindergeld für EU-Ausländer als Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ein.
Das Letzte zum Schluss
Schweigen in der Prüfung: justillon.de (Andreas Stephan) weist auf einen prüfungsrechtlichen Fall aus den 1970er Jahren hin. Ein Prüfling hatte in der mündlichen Jura-Prüfung beharrlich geschwiegen, rechnerisch hätte es aber mit null Punkten durch die Ergebnisse im Schriftlichen gereicht. Die Kommission aber bewertete das Schweigen als Nichtteilnahme an der Prüfung – und ließ den Prüfung insgesamt durchfallen. Zu Unrecht: Man hätte den Prüfling auf eine aktive Teilnahmepflicht hinweisen müssen, urteilte das Bundesverfassungsgericht 1979.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. bis 6. Mai 2016: Diebstahl aus Hunger / Cannabis bei Krankheit / Fitnesskündigung wegen Umzugs . In: Legal Tribune Online, 06.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19314/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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