Wohnungsmangel stößt auf private Vermietung zu Urlaubszwecken – der Gesetzgeber reagiert. Außerdem in der Presseschau: Schärfere Steuergesetze, erfolglose Klage gegen US-Drohnenangriff und ein drastisches Asylrecht in Österreich.
Thema des Tages
Zweckentfremdung von Wohnraum und Airbnb: Wohnraum ist knapp – und zugleich kann ein jeder über Plattformen wie Airbnb eine eigene Wohnung als Urlaubsdomizil vermieten. Der Gesetzgeber reagiert, indem er die private Vermietung reguliert: In Berlin ist es ab Mai gesetzlich verboten, die eigene Wohnung ohne Sondererlaubnis gegen Geld als Ferienwohnung anzubieten – wie es allein in Berlin zehntausendfach über Airbnb läuft. Um dem Gesetz gegen "Zweckentfremdung von Wohnraum" zuvorzukommen, habe Airbnb massenweise "professionellen" Gastgebern aus Berlin gekündigt, heißt es in der Zeit (Johannes Gernert, Kurzfassung).
Timo Kotowski (FAZ) meint, das Berliner Gesetz schieße übers Ziel hinaus: "Neue Geschäftsmodelle, die mit alten Konventionen brechen, stellen Gesetzgeber auf die Probe. Nicht alles muss erlaubt werden. Aber ebenso sollte nicht jeder Innovationsgeist durch Verbote im Keim erstickt werden."
Rechtspolitik
Sexualstrafrecht: Heute debattiert der Bundestag in erster Lesung über den Gesetzentwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Welt (Sabine Menkens) nennt einige kritische Stimmen zum Entwurf.
Schärfere Steuergesetze: Finanzminister Wolfgang Schäuble plant angesichts der Panama-Papers-Enthüllungen, die Meldepflichten für Banken und Steuerpflichtige im Hinblick auf Offshore-Firmen und Briefkastenfirmen auszuweiten, den Behörden weitere Befugnisse zu erteilen und das Strafrecht zu verschärfen. Heute will Schäuble ein Maßnahmenpaket vorlegen, so die SZ (Cerstin Gammelin).
Mietwohnungsneubau: Die SPD-Fraktion im Bundestag hat die geplante Verabschiedung eines Gesetzes zum Mietwohnungsneubau kurzfristig gestoppt. Das neue Gesetz würde Wohnungen teurer statt billiger machen und keine Neubaueffekte auslösen, so die Befürchtung. Es berichtet taz (Martin Reeh).
Behindertenrechte: Sozialverbände zeigen sich enttäuscht über das geplante Bundesteilhabegesetz für Behinderte, heißt es in der SZ (Thomas Öchsner). Nach wie vor werde das Einkommen der Behinderten selbst, ihrer Partner oder der Eltern herangezogen, um es mit den staatlichen Hilfen zu verrechnen.
VG Wort und Verlagsbeteiligungen: In einem Entschließungspapier fordern die Fraktionen der CDU/CSU und SPD, dass die Beteiligung von Verwertern an Vergütungsausschüttungen der Verwertungsgesellschaften auf EU-Ebene gesetzlich verankert wird. Hierzu telepolis.de (Peter Mühlbauer).
Oppositionsrechte: Die Grünen schlagen in einem Gesetzentwurf einen weiteren Verfahrensweg im Bundesverfassungsgerichtsgesetz vor. Dem BVerfG soll die Frage vorlegt werden können, ob ein bestimmtes Einsatzmandat der Bundeswehr mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Darüber schreibt die FAZ (Johannes Leithäuser)
Majestätsbeleidigung: Rechtsprofessor Hans Hugo Klein sieht eine schnelle Streichung der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter in der FAZ kritisch: Schutzgut sei immerhin die Beziehungen Deutschlands zu ausländischen Staaten. Jost Müller-Neuhof (Tsp) hält es für populistisch, den "Erdogan-Paragrafen" zu streichen und zugleich den "Gauck-Paragrafen" (Verunglimpfung des Bundespräsidenten) stehen zu lassen.
Sexistische Werbung: Rechtsprofessor Bodo Pieroth äußert sich in der FAZ kritisch zum geplanten Verbot sexistischer Werbung. Ein solches meinungsbeschränkendes Gesetz sei nicht – wie im Grundgesetz vorausgesetzt – "allgemein", wenn es "geradezu mit der Aufdrängung eines modernen Geschlechterbildes" begründet werde. Diskriminierende Wirkung sei zudem nicht objektiv feststellbar.
Mitbestimmungsgesetz: Rechtsanwalt Thomas Gennert stellt auf lto.de das vierzig Jahre alte Mitbestimmungsgesetz vor, das die Aufnahme von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften regelt. Laut einer Studie lasse es sich leicht umgehen.
Justiz
VG Köln – US-Drohnenangriff: Der Sohn eines bei einem Luftangriff der USA in Somalia verstorbenen Mannes hat erfolglos gegen die Bundesrepublik vor dem Verwaltungsgericht Köln geklagt. Der Kläger sei nicht klagebefugt, so das VG: Selbst wenn der Einsatz von der Air Base Ramstein aus geführt worden sei, fehle es an einem hinreichend konkreten Bezug zu einer hoheitlichen Betätigung der Bundesrepublik. Hierzu die SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de.
OLG München – OSS: Über den Prozessauftakt gegen die vier Mitglieder der rechtsextremen Gruppe "Oldschool Society" am Oberlandesgericht München berichten die SZ (Jan Bielicki), zeit.de (Frank Jansen) und die taz (Konrad Litschko). Die Angeklagten sollen eine terroristische Vereinigung gegründet und Sprengstoffanschläge geplant haben. Im bis November angesetzten Prozess wird es vor allem darum gehen, wie konkret die Anschlagspläne waren.
In einem weiteren Beitrag fasst die taz (Konrad Litschko) zusammen, wie rechter Terror Polizei und Justiz derzeit beschäftigt.
SG Dortmund zur Sozialhilfe für EU-Bürger: Unionsbürger, die in Deutschland Arbeit suchen, haben nach Ansicht des Sozialgerichts Dortmund auch dann keinen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sie mindestens sechs Monate Aufenthalt im Land haben. Damit stellt sich nach dem Sozialgericht Berlin ein weiteres Gericht gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts, die – so das SG Dortmund – "kaum nachvollziehbar" erscheine. lto.de berichtet.
VG Stuttgart zu Fahrverboten: Von 2018 an könnte es in Stuttgart Fahrverbote zur Verringerung der Feinstaubbelastung geben, meldet die FAZ (Rüdiger Soldt). Das ergebe sich aus einem Vergleich, den zwei Anwohner der Stuttgarter Innenstadt und das zuständige Regierungspräsidium vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart getroffen haben.
Einstellung erster und zweiter Klasse: Udo Vetter (lawblog.de) nimmt ein eigenes Mandat zum Anlass verteidigungstaktischer Überlegungen bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Für Mandanten sei es manchmal besser, die Einstellung "zweiter Klasse" gegen Auflage zu "erkaufen" als auf eine Einstellung wegen mangelnden Tatverdachts hinzuwirken – weil bei letzterer die Ermittlungen jederzeit wieder aufgenommen werden dürfen.
Virus für Anwälte: Laut heise.de (Ronald Eikenberg) versuchen derzeit Hacker über eine Virus-Mail Rechner von Anwälten auszuspähen. Der Trojaner in der Mail einer vermeintlichen Anwältin "Botho Brand" sei als anwaltlicher Schriftsatz getarnt.
LG Neuruppin – Mordprozess: Die FAZ (Mechthild Küpper), die SZ (Thorsten Schmitz) und Die Welt (Christine Kensche) berichten über den Mordprozess vor dem Landgericht Neuruppin gegen eine Frau, die vor vierzig Jahren ihren achtjährigen Sohn in der Küche vergast haben soll. Nach DDR-Recht wäre die Tat verjährt.
BVerfG zum BKA-Gesetz: Innenminister Thomas de Maizière hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz nachgelegt, wie es im HBl (tho) heißt. "Wir brauchen auch beim Datenschutz ein Bewusstsein für Übertreibungen", so de Maizière. Gefahren gingen vielmehr von großen Unternehmen als vom demokratischen Staat aus.
Recht in der Welt
Österreich – Asylrecht bei Notstand: Das österreichische Parlament hat eine drastische Verschärfung des Asylrechts für den Fall des Notstands – Gefährdung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung – beschlossen. Flüchtlingen soll an der Grenze die Einreise verweigert werden, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie von Folter bedroht sind oder in Österreich eine Familie haben. Hierzu unter anderem die SZ (Cathrin Kahlweit).
Frankreich – Abdeslam überstellt: Der Terrorverdächtige Salah Abdeslam ist der französischen Justiz überstellt worden. Sein belgischer Anwalt hat Abdeslam als "kleines Arschloch aus Molenbeek" mit der "Intelligenz eines leeren Aschenbechers" bezeichnet. Das sei weniger eine verbale Entgleisung des Anwalts, mehr die "ersten Lebenszeichen einer Verteidigungsstrategie", meint Udo Vetter (lawblog.de).
Sonstiges
Neuer BND-Chef: Die FAZ (Günter Bannas), die Welt (Dirk Banse u.a.) und die taz (Sabine am Orde/Konrad Litschko) portraitieren den designierten BND-Präsidenten Bruno Kahl. Kahl ist derzeit Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium.
BKA-Lagebericht zu rechter Gewalt: Der aktuelle Lagebericht des Bundeskriminalamts dokumentiert eine drastische Zunahme rechtsextremer Gewalttaten – die Rede ist von 347 Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte im ersten Quartal 2016. Die SZ (Lena Kampf) stellt die Statistik vor.
Entzug der Staatsangehörigkeit: Im Interview mit der Welt (Marcel Leubecher) erklärt Rechtsprofessor Kay Hailbronner die hohen Hürden für den Entzug der Staatsangehörigkeit bei Dschihadisten. Er rät, schon beim Erwerb der Staatsangehörigkeit anzusetzen.
Das Letzte zum Schluss
Ganz viele Zigaretten: In Nordrhein-Westfalen haben Zollfahnder einen 69-Jährigen mit über 350.000 mutmaßlich illegal importierten Zigaretten erwischt. Aufgeflogen ist er bei einer Zollkontrolle im Auto – versteckt hatte er die Kippen unter einer Tarnladung Bratpfannen. spiegel.de hierzu.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. April 2016: Wohnraum und Airbnb – schärfere Steuergesetze – US-Drohnenangriff . In: Legal Tribune Online, 28.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19237/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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