In Köln erging das erste Urteil zur Silversternacht. Außerdem in der Presseschau: Mutter darf nicht einfach in die WG des Sohns einziehen, Verfassungsklage gegen CETA geplant und im NSU-Prozess wurden Waffen gesichtet.
Thema des Tages
AG Köln zur Silvesternacht: Nach den Übergriffen auf dem Kölner Domplatz hat das Amtsgericht Köln nun das erste Urteil gesprochen. Ein 23 Jahre alter Asylbewerber aus Marokko wurde wegen Diebstahl und Betäubungsmittelbesitz zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten sowie 100 Euro Geldstrafe verurteilt. Er hatte einer jungen Frau das Handy aus der Hand gerissen; bei seiner späteren Festnahme wurden geringe Mengen Rauschgift bei ihm gefunden. Obwohl es in dem Fall nicht um ein Sexualdelikt ging, wurde das Verfahren von hoher Medienpräsenz begleitet. Der Verteidiger des nicht vorbestraften Angeklagten hatte eine Geldstrafe gefordert und gerügt, seinem Mandanten werde die Verantwortung für die Geschehnisse dieser Nacht auferlegt. Der Richter hingegen begründete die Freiheitsstrafe damit, dass das Telefon in "raubähnlicher Weise" entwendet worden sei und es der Angeklagte auch mit "den Vorschriften in diesem Land" nicht so ernst nehme. Es berichteten die SZ (Kristiana Ludwig), die FAZ (Reiner Burger) und lto.de (Tanja Podolski).
Heribert Prantl (SZ) merkt dazu an, die Strafe sei für dieses Delikt "durchaus ordentlich". Da auch härtere Strafen gefordert worden waren, sei es gut, dass die Justiz nicht nach populistischen, sondern nach rechtlichen Kriterien entscheide. Ein Exempel zu statuieren sei nur möglich, wenn der Fall sich für ein Exempel eigne. Reinhard Müller (FAZ) ist der Meinung, der Rechtsstaat müsse sich im Großen wie im konkreten Einzelfall bewähren. Ein hartes Vorgehen gegen straffällige Flüchtlinge, wie es in den Asylpaketen beschlossen wurde, sei in diesem Fall nicht angezeigt, habe aber symbolische Bedeutung.
Rechtspolitik
Asylrecht: Am heutigen Donnerstag soll der Bundestag das Asylpaket II beschließen, das vor allem verschärfte Regelungen für abgelehnte Asylbewerber und Flüchtlinge mit geringen Bleibechancen beinhaltet, berichtet die taz (Johanna Roth). Angesichts eines weiteren geplanten Gesetzes, mit dem Algerien, Marokko und Tunesien zu "sicheren Herkunftsstaaten" erklärt werden sollen, kritisiert Christian Rath (taz) ausführlich diesen Begriff und seine Auswirkungen als falsche Symbolpolitik. Denn obgleich auch für Menschen aus diesen Ländern weiterhin eine Verfolgung im Einzelfall geprüft werde, solle die Bezeichnung als "sicher" ein falsches Pauschalurteil über die Lage in diesen Ländern ausstrahlen.
Bundestrojaner: Am Montag erteilte das Bundesinnenministerium die Genehmigung, den neuen vom Bundeskriminalamt vorgestellten Staatstrojaner zur Quellen-TKÜ freizugeben. Wie netzpolitik.org (Markus Beckedahl) berichtet, wurde allerdings die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff in die Überprüfung des Verfahrens bisher nicht eingebunden. Zudem veröffentlicht netzpolitik.org (Anna Biselli) die Antwort auf eine Anfrage an das Ministerium und kritisiert in diesem Zusammenhang, dass der Trojaner wohl trotz Fehlens einer klaren rechtlichen Regelung eingesetzt werden soll.
Erbschaftsteuer: Die CSU blockiert überraschend einen von den Bundestagsfraktionen der Union und der SPD ausgehandelten Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer. Eine solche ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht Ende 2014 urteilte, Firmenerben würden zu sehr begünstigt. Die CSU hege Bedenken hinsichtlich der Belastung des Mittelstands, meldet zeit.de.
Leiharbeit und Werkverträge: Ein Gesetzentwurf, der klarere Regeln insbesondere für Werkverträge schaffen sollte, erhält auch in der überarbeiteten Fassung nicht die Zustimmung der CSU. Der Entwurf zielt darauf ab, eine Benachteiligung von Werkvertragsnehmern gegenüber den Stammbelegschaften abzuschwächen, berichtet die SZ.
Recht auf Home-Office: Die SPD schlägt in einem Positionspapier vor, einen Rechtsanspruch auf "mobile Arbeit" einzuführen, "die während der betriebsüblichen Arbeitszeiten an einem von den Beschäftigten selbst zu bestimmenden Arbeitsplatz erbracht werden darf", wie die FAZ (dc) schreibt. Dies könne auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Gleichzeitig sei aber ein Anspruch auf Nichterreichbarkeit zu gewährleisten, um der "Entgrenzung" der Arbeit im digitalen Zeitalter engegenzutreten.
Justiz
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess hat das Gericht am gestrigen Mittwoch die Waffen gezeigt, die nach dem Brand des letzten Verstecks der mutmaßlichen Terroristen gefunden wurden – insgesamt 20 Pistolen, Pumpguns, Revolver und Maschinenpistolen. Anhand von Spuren an den Projektilen, die bei Testschüssen abgefeuert wurden, können einzelne Waffen einzelnen Taten zugeordnet werden. Außerdem wurde an diesem Prozesstag ein weiterer Befangenheitsantrag der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben gegen das Gericht abgelehnt, berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm). Auch ein Antrag Wohllebens auf Entlassung aus der Untersuchungshaft wurde abgelehnt, weil weiterhin ein dringender Tatverdacht für die Beihilfe zum Mord bestehe, wie spiegel.de (Gisela Friedrichsen) schreibt. Dies sei auch für Zschäpe kein gutes Zeichen.
BVerfG – CETA: Nun berichtet auch die SZ (Hans von der Hagen) über die von der Musiklehrerin Marianne Grimmenstein geplante Verfassungsbeschwerde gegen die Ratizifierung von CETA, dem europäischen Freihandelsabkommen mit Kanada. Sie hat bereits rund 41.000 Menschen als offizielle Mitkläger gewonnen. Mit dem CETA-Verfahren möchte sie einen Präzedenzfall schaffen, der auch Auswirkungen auf TTIP haben könne.
EuGH – Internet-Tracking: Vor dem Europäischen Gerichtshof findet am heutigen Donnerstag eine mündliche Verhandlung zu der Frage statt, inwieweit Websites die IP-Adressen ihrer Besucher speichern dürfen. Solche lassen zwar keinen direkten Rückschluss auf den Nutzer zu, doch durch die Provider kann die Zuordnung leicht und auch für die Vergangenheit vorgenommen werden. Auch die EU-Kommission hat datenschutzrechtliche Zweifel angemerkt. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben, schreibt die taz (Svenja Bergt).
EuGH – Sozialleistungen für EU-Bürger: Am heutige Donnerstag wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshof zu der Frage erwartet, ob EU-Zuwanderer bereits ab dem ersten Tag Sozialleistungen erhalten sollen oder erst nach einer Frist von drei Monaten, und welche weiteren Voraussetzungen zu prüfen sind. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die SZ (Roland Preuss) mit der Armutsmigration aus EU-Ländern und wie dubiose Firmen mit dieser Geschäft machen.
BVerfG – NPD-Verbot: Ex-NPD-Chef Holger Apfel muss am kommenden Dienstag beim Bundesverfassungsgericht als eine von fünf "Auskunftspersonen" im NPD-Verbotsverfahren aussagen, berichtet die taz (Konrad Litschko). Apfel, der nach einem konflikthaften Abgang aus der Partei inzwischen Kneipenwirt auf den Ballearen ist, kündigte Aussagen an, die "weder Presse und Politik gefallen noch der Partei." Derweil meint die Zeit (Claus Leggewie u.a.), eine Partei solle man nicht aufgrund verfassungswidriger "Ziele", sondern wegen Taten verbieten.
OLG Hamm zu Mutter in WG: Eine Mutter hat kein Recht, während des Urlaubs ihres Sohnes in dessen WG einzuziehen, entschied nun das OLG Hamm nach einem Bericht von lto.de. Denn eine studentische WG sei auf das Zusammenleben regelmäßig jüngerer Erwachsener in einer vergleichbaren Lebenssituation ausgerichtet. Dass die Mutter die Haustiere ihres Sohns fütterte, hielt das Gericht für zulässig. Als sie dann jedoch nicht mehr gehen wollte und der Mitbewohner die Polizei verständigte, handelte diese rechtmäßig, als sie die Frau aus der Wohnung verbrachte.
LG Stuttgart – Porsche-Prozess: Im Prozess gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den Finanzvorstand Holger Härter will das Gericht am heutigen Donnerstag die bereits geschlossene Beweisaufnahme wieder öffnen, da unter anderem noch ein Freshfields-Jurist vernommen werden soll. Anlass dafür war eine geänderte Argumentation im Plädoyer der Staatsanwaltschaft, meldet die SZ.
LG Memmingen zu Dashcams: Filmt eine Dashcam aus einem geparkten Fahrzeug heraus das Geschehen auf einem privaten Grundstück, liegt darin ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz, entschied das Landgericht Memmingen. Es verbot der Beklagten, ihr Auto so zu parken, dass das Grundstück im Sichtbereich der Kamera liegt. Dies meldet lawblog.de (Udo Vetter).
AG Dessau-Roßlau – "König von Deutschland": Die Welt (Christine Kensche) berichtet über den Prozess gegen Peter Fitzek, den selbsternannten König "Peter der Erste" des "Königreichs Deutschland". Dieser muss sich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verantworten, weil er seinen Führerschein abgegeben hat und seither nur mit einer selbstgedruckten Plastikkarte unterwegs ist – und bereits unzählige Male wegen ähnlicher Vorwürfe vor Gericht stand, etwa wegen Fahrens mit selbst gebasteltem Kennzeichen.
Elektronisches Anwaltspostfach: Vor dem Anwaltsgerichtshof Berlin hat es einen Vergleich zu den Anträgen zweier Anwälte gegeben, die das neue besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht benutzen möchten. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zugesagt, die Postfächer nicht einzurichten, bis das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist, sofern dieses bis zum 6. April 2016 eingeleitet wird. Dies meldet lto.de.
Recht in der Welt
USA – VW-Skandal: In der Abgasaffäre um VW wurde nun auch gegen VW-Chef Matthias Müller persönlich eine Sammelklage eingereicht, die ihm Betrug, Vertragsbruch, irreführende Werbung und Wettbewerbsverzerrung vorwirft. Müller habe entweder von den Manipulationen gewusst oder die Vorgänge rücksichtslos missachtet. Auch die Topmanager anderer Unternehmen werden mitverklagt, berichtet spiegel.de.
Großbritannien – Rotherham: Wegen sexuellen Missbrauchs in Rotherham sind vier Männer und zwei Frauen schuldig gesprochen worden; das Strafmaß wird am Freitag verkündet. Bei einer Untersuchung war herausgekommen, dass in der nordenglischen Stadt zwischen 1997 und 2013 bis zu 1.400 Kinder und Jugendliche von sexueller Gewalt betroffen waren, meldet die SZ.
Sonstiges
BND-Abhörpraxis rechtswidrig? Der Bundesnachrichtendienst steht bereits seit längerem dafür in der Kritik, mit seiner Abhörpraxis rechtliche Regelungen zu umgehen. Bezüglich der Überwachung von Deutschen, die für ausländische Behörden oder Firmen arbeiten, bezeichnete die Bundesbeauftragte für Datenschutz Andrea Voßhoff nun einen großen Teil dieser Praxis als "nicht verfassungskonform", wie die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) schreibt. Zeit.de (Kai Biermann) erläutert, wie seitens des BND die "Weltraumtheorie" bemüht werde, nach der die Satelliten und damit der Abhörort im Weltall läge, wo es keine Regelungen gäbe.
Europäische Freihandelsabkommen: Auf JuWissBlog befasst sich der Doktorand Clemens Keim mit dem Schutz geistigen Eigentums in europäischen Freihandelsabkommen (FTAs). Da die Europäische Union ihren wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil aus technischem Wissen, also geistigem Eigentum, zieht, habe sie ein starkes Interesse an Schutzregelungen. Diese verlangten jedoch den Entwicklungsstaaten mitunter weitreichende Zugeständnisse ab, was in der Diskussion um die Folgen von FTAs, insbesondere TTIP und CETA, nicht thematisiert werde. Dadruch könne die Ungleichheit zwischen "erster" und "dritter" Welt weiter verschärft werden.
Das Letzte zum Schluss
Waffenvorführung der besonderen Art: Ein Reporter der Nordsee-Zeitung, der für einen Bericht ins Dienstgebäude der Bremerhavener Polizei zu Gast war, ist von einem Schusswaffen-Ausbilder versehentlich ins Bein geschossen worden. Er war dort, "um sich mit den Beamten über die neue Dienstwaffe der Polizei zu unterhalten". Dass er eine derart ausführliche Vorführung der Waffe wünschte, lässt sich bezweifeln. Deshalb ermitteln nun auch die Behörden, berichtet Justillon (Stephan Weinberger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lil
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. Februar 2016: Urteil nach Köln / Waffen beim NSU-Prozess / Mutter in WG . In: Legal Tribune Online, 25.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18553/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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