Nach einem DGB-Gutachten werden Whistleblower in Deutschland nicht ausreichend geschützt. Außerdem in der Presseschau: BGH zu Pippi-Kostüm, Notstand in Frankreich um drei Monate verlängert und Merkel IV?
Thema des Tages
Unzureichender Schutz für Whistleblower: Deutschland bleibt beim Schutz von Whistleblowern hinter völkerrechtlichen Vorgaben zurück, meldet die taz (Tanja Tricarico) unter Berufung auf ein vom DGB in Auftrag gegebenes Gutachten des Professors Andreas Fischer-Lescano. Der Wissenschaftler beziehe sich in seiner Bewertung auf die UN-Konvention gegen Korruption, die OECD-Konvention zur Bestechungsbekämpfung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Darin würden genaue Vorgaben zum Schutz von Hinweisgebern gemacht, die das deutsche Recht bisher nicht ausreichend umsetze. "Arbeitnehmer brauchen ein ausdrückliches Recht zur Hinweisgabe" wird DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach wiedergegeben.
Rechtspolitik
Asylrechtsverschärfungen: Wie die taz (Christian Rath) schreibt, plant die Bundesregierung die Einführung beschleunigter Asylverfahren für Antragsteller mit "geringen Erfolgsaussichten", die in besonderen Aufnahmeeinrichtungen durchgeführt werden sollen. Über solche Anträge soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) binnen einer Woche entscheiden, wogegen dann nur binnen einer weiteren Woche geklagt werden kann. Zudem seien Einschränkungen beim Familiennachzug, die Beteiligung von Flüchtlingen an Integrationskurskosten und die erleichterte Abschiebung von Kranken vorgesehen. In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Christian Rath (taz) die geplanten Beschleunigungen als hohle Ankündigungen, da die Registrierung der Antragsteller wahrscheinlich weitherhin schon einige Wochen dauern werde. Dann werde das BAMF in der Regel wegen Überlastung die geplante Ein-Wochen-Frist nicht einhalten können und die Antragsteller am Ende also doch oft im normalen Verfahren landen.
EU-Terrorabwehr: Die EU Kommission hat ein Maßnahmenpaket zur Verschärfung des Waffenrechts verabschiedet, durch das der Besitz und Erwerb von Feuerwaffen erschwert werden soll. Konkret sollen halbautomatische Feuerwaffen verboten und die Vorschriften für Online-Waffenkäufe verschärft werden, schreibt lto.de. In einem HBl-Gastkommentar bezeichnet die frühere Justizministerin und Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Leutheusser-Schnarrenberger die Verschärfung des Waffenrechts sinnvoll. Skeptisch steht sie dagegen Überlegungen gegenüber, die auf einen einseitigen Ausbau der Überwachung zielen. So solle die europäische Fluggastdatenspeicherung eingeführt werden, die fünf Jahre lang Daten jeden Flug eines jeden EU-Bürgers speichert. Immer neue Möglichkeiten, persönliche Daten zu erheben, schaffe aber nicht mehr Sicherheit. Es komme vielmehr darauf an, ob die Sicherheitsbehörden mit den gesammelten Daten überhaupt etwas anfangen können.
Bundeswehreinsatz im Inland: Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) und der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, halten entgegen der Forderung von Finanzminister Schäuble (CDU), die Aufgaben der Bundeswehr generell auf polizeiliche Aufgaben auszuweiten, die gegebenen grundgesetzlichen Möglichkeiten für ausreichend. Die Bundeswehr könne bereits jetzt Amtshilfe bei drohenden schweren Unglücksfällen leisten, gibt das HBl (Regina Krieger/Till Hoppe) den Diskussionsstand wieder.
Leiharbeit/Werkverträge: Nun widmet sich auch der Rechtsanwalt Thomas Leister auf lto.de dem Gesetzentwurf zur Regulierung von Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen. Damit werde zwar teilweise die neuere Rechtsprechung kodifiziert, aber vieles im Unklaren belassen.
Pflegereform: Im Gesundheitsforum erläutert die SZ (Kim Björn Becker), was sich durch das Pflegestärkungsgesetz II ab 2017 für Pflegebedürftige ändern wird. Eine wesentliche Neuerung sei die präzisere Einstufung von Pflegestufen.
Justiz
BGH zu Pippi-Kostüm: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Lizenzforderungen der Saltkråkan Gesellschaft, welche die Urheberrechte von Astrid Lindgren innehat, in Höhe von 50.000 Euro für die Vermarktung eines Pippi-Langstrumpf-Karnevalskostüm gegen den Discounter Penny zurückgewiesen. Zwar sei es durchaus denkbar, dass Inhaber der Rechte an Büchern gegen die werkgetreue Nachbildung der Romanfigur vorgehen könnten, das Kostüm habe sich aber deutlich vom Original unterschieden, gibt die SZ (Wolfgang Janisch) die Entscheidung wieder.
BVerwG zu "Farben für Waisenkinder e.V.": Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des Vereins "Farben für Waisenkinder e.V." durch Verfügung des Bundesministerium des Innern (BMI) vom 2. April 2014 aufrechterhalten, weil der Verein durch die indirekte Unterstützung der Hisbollah in eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Völkerverständigung verstoßen habe. Die Entscheidung bespricht die wissenschaftliche Mitarbeiterin Franziska Kring auf lto.de.
OLG München – NSU-Prozess: Bezüglich der in Aussicht gestellten Aussage von Beate Zschäpe zieht spiegel.de (Gisela Friedrichsen) Parallelen zu einem anderem Prozess, in dem ihr Verteidiger Hermann Borchert einem Angeklagten zur Aussage riet – mit zweifelhaften Erfolg. Zudem gebe es Zweifel am Doktorgrad des Verteidigers. In einem weiteren Bericht weist spiegel.de (Gisela Friedrichsen) darauf hin, dass über den Befangenheitsantrag Ralf Wohllebens noch immer nicht entschieden worden sei. So plätschere der NSU-Prozess vor sich hin und niemand stelle die entscheidenden Fragen – etwa zu einer möglichen Fingerspur der Angeklagten auf einem Artikel des Kölner Express über den Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße.
BAW – Hannover: Nach der Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover aufgrund von Hinweisen auf einen möglichen Anschlagsplan hat die Bundesanwalt (BAW) Ermittlungen eingeleitet. Durch die Ermittlungen müsse zunächst geklärt werden, ob sich tatsächlich eine terroristische Vereinigung mit entsprechenden Absichten gebildet habe, zitiert die FAZ (Majid Sattar) einen Sprecher der BAW.
LG Stuttgart zu versuchtem Mord am Steuer: Die 21-jährige Autofahrerin, die im Sommer 2014 einen Radfahrer bei einem Auffahrunfall tödlich verletzt hatte, weil sie sich von ihrem Smartphone ablenken ließ, ist von einer Jugendkammer des Stuttgarter Landgerichts zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Das Gericht sah die Tatbestände der fahrlässigen Tötung sowie der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt und verurteilte die Angeklagte zudem wegen versuchten Mordes, weil sie durch die unerlaubte Entfernung vom Unfallort "Verdeckungsabsicht" verwirklicht habe, berichtet die FAZ (Rüdiger Soldt).
VG Köln zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen: Wie lto.de berichtet, hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass eine Videofotografie eines Fußballfans zusammen mit seinem Ausweis zwar keine Identitätsfeststellung, aber ohne Verdacht einer Straftat eine rechtswidrige erkennungsdienstliche Maßnahme sei.
Recht in der Welt
Frankreich – Krieg gegen IS: Stefan Ulrich (SZ) meint, der französische Staatspräsident Hollande habe den "Islamischen Staat" juristisch falsch als Staat eingeordnet, was dieser angesichts ständiger Gebietsveränderungen nicht sei. Zwar würden im Völkerrecht auch so genannte De-facto-Regime wie Staaten behandelt, Voraussetzung dafür sei aber eine effektive Herrschaft mit Aussicht auf dauerhaftes Bestehen, woran es dem von der Staatengemeinschaft total abgelehnten IS fehle. Artikel 51 der UN-Charta und Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags passten daher nicht. Frankreich könne sich jedoch auf Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU berufen, woraus sich ergebe, dass EU und Mitgliedstaaten Unterstützung leisten müssten, wenn ein anderer Mitgliedstaat von einem Terrorangriff betroffen sei. In einem HBl-Gastbeitrag beschreibt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler wie das Völkerrecht im Kampf gegen Terrorgruppen seine Bindekraft verliert.
Frankreich – Notstand: Wie die taz (Rudolf Balmer) berichtet, hat die französiche Nationalversammlung der Verlängerung des Notstands um drei Monate zugestimmt. Außerdem sprachen sich die Abgeordneten für einen Gesetzentwurf aus, mit dem Sicherheitsgesetze verschärft werden sollen und das aus dem Jahr 1955 stammende Notstandsgesetz modernisiert werden soll. Im Wesentlichen plane die französische Regierung das Notstandsrecht in drei Punkten zu verschärfen. So sollen Personen vorsorglich striktem Hausarrest unterstellt werden können, Durchsuchungen sollen ohne richterliche Anordnung möglich sein und Terrorismus unterstützende oder bewerbende Gruppen sollen aufgelöst werden können. Nach einem Bericht von spiegel.de (Stefan Simons) wappnet sich die französische Regierung zudem gegen Chemie-Anschläge und hat die Herstellung des Gegengifts Atropin verordnet.
Belgien – Verschärfung der Sicherheitsgesetze: Auch Belgien plant eine massive Verschärfung seiner Sicherheitsgesetze. Ein von Premierminister Charles Michel vorgelegter 18-Punkte-Plan sieht vor, dass zurückgekehrte Syrien-Kämpfer künftig im Gefängnis landen und sogenannte Gefährder eine elektronische Fußfessel tragen sollen. Außerdem sollen Reisende in einem Passagierdatensystem registriert und die Internet- und Telefonüberwachung ausgeweitet werden, schreibt die taz (Eric Bonse).
Russland – Resolutionsentwurf: Russland hat in der Nacht auf Donnerstag überraschend einen Resolutionsentwurf zum Umgang mit dem Syrien-Konflikt in den UN-Sicherheitsrat eingebracht und ist damit einem französischen Entwurf zuvor gekommen, berichtet die SZ (Nienhuysen/Wernicke).
Sonstiges
Merkel IV?: Heribert Prantl (SZ) wirft die Frage auf, ob 2017 eine vierte Legislaturperiode mit Bundeskanzlerin Merkel folgen wird. Merkel verstehe es aus dem "Aber" der Kritiker ein "Und" zu machen und damit Widersprüche in der Union zu verkleistern. Ihre Macht sei daher noch lange nicht am Ende.
Klagen gegen VW: Wie das HBl (Jens Hagen/Christian Schnell) berichtet, bereitet die Düsseldorfer Kanzlei Baum, Reiter und Collegen in Partnerschaft mit der Berliner Kanzlei Gansel Rechtsanwälte eine Klagewelle geprellter Aktionäre und betroffener Autobesitzer gegen VW vor und setzt dabei auf juristische Konstruktionen, die für die Mandanten keine Kosten verursachen sollen. Verbraucherfreundliche Sammelverfahren seien in Deutschland jedoch nicht möglich.
Sezessionen: Auf verfassungsblog.de erläutert die Jurastudentin Valeria Nickel unter Bezugnahme auf einen Vortrag des Bundesverfassungsrichters Andreas Paulus vor dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages die völkerrechtliche Beurteilung von Sezessionsbestrebungen. Anknüpfungspunkt sei das Selbstbestimmungsrecht der Völker aus Artikel 1 der UN-Charta aus dem sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Sezessionsrecht ergeben könne.
Das Letzte zum Schluss
Revolver im Handgepäck: Udo Lindenberg hat sich eine Anklage der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingehandelt. Beim Durchleuchten seines Handgepäcks auf dem Flughafen der Hansestadt vor einem Jahr war ein Kleinkaliberrevolver entdeckt worden. Seiner Beteuerung: "Alles cool, keine Panik, war 'ne Waffe meines Bodygard-Teams, die beim Security 'ne Peepshow gemacht hat" wurde kein Glauben geschenkt, weiß spiegel.de zu berichten.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. November 2015: Ungeschützte Whistleblower / Nachgemachte Pippi / Verlängerter Notstand . In: Legal Tribune Online, 20.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17605/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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