Ein Hooligan-Trupp kann nach Ansicht des BGH als kriminelle Vereinigung gelten. Außerdem in der Presseschau: Pinkeln im Stehen gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietswohnung, der Prozess gegen Jörg L. wegen Verkaufs von Juraklausuren geht weiter, die Rechtsprechung zum Filesharing ist uneinheitlich und warum ein Falschpark-Sheriff jetzt gegen Dolly Buster vorgeht.
Thema des Tages
BGH zu Hooligans: Gewaltbereite Hooligan-Gruppen, die sich zum Prügeln verabreden, können als kriminelle Vereinigung eingestuft werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Das Urteil betrifft die Gruppierung "Hooligans Elbflorenz", die bereits das Landgericht Dresden als kriminelle Vereinigung eingestuft hatte. Die Verteidigung argumentierte, dass alle Beteiligten in die Gefährdung ihrer Gesundheit einwilligt hatten. Diese Einwilligung ist nach Ansicht des BGH aber sittenwidrig – weil die bloße Beteiligung an einer Schlägerei strafbar ist. Die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath), der Tagesspiegel (Ursula Knapp) und lto.de berichten.
Christian Bommarius (Berliner Zeitung) nimmt das Urteil zum Anlass, den Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung als zu unbestimmt zu kritisieren: Der leichteste Anfangsverdacht genüge für weitreichende Ermittlungsbefugnisse.
Rechtspolitik
Unterbringungsrecht: Auch Juraprofessor Henning Ernst Müller bespricht auf blog.beck.de den Entwurf einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur "Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 Strafgesetzbuch". Der Entwurf gehe in die richtige Richtung, wenngleich unzureichende gegenseitige kritische Kontrolle von Justiz und Forensik nicht beseitigt werde.
EU-Urheberrecht: Um ein Votum des EU-Parlaments zur Zukunft des Urheberrechts vorzubereiten, hat Julia Reda, einzige deutsche Piratin im EU-Parlament, der FAZ (Hendrik Kafsack) zufolge einen "äußerst diplomatischen" Entwurf vorgelegt. Im Mittelpunkt stehe die EU-weite Harmonisierung des Urheberrechts. Und um es mit dem digitalen Zeitalter zu "versöhnen", soll das Urheberrecht künftig "technikneutral" gefasst sein.
Justiz
EuGH zu Umweltverbänden: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Umweltverbände nur unter engen Voraussetzungen gegen EU-Institutionen klagen. Dass der EuGH Klagen gegen einzelne Mitgliedsstaaten hingegen immer weiter zulässt, kritisiert der Juraprofessor Felix Ekardt auf lto.de.
BVerfG zur Anerkennung von Religionsgemeinschaften: Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, wann der Staat die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft anerkennen muss. Wer sich als "mosaisch gläubig" bezeichnet, will demnach Mitglied der jüdischen Gemeinde sein. Entscheidend sei allein der nach außen erkennbare Wille des Betroffenen, so das BVerfG. lto.de schildert den Fall, der dem Urteil zugrunde liegt.
BVerwG zu NPD-Ratsmitglied: Der Ausschluss eines wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilten Mitglieds des Trierer Stadtrats war rechtswidrig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Ein Ausschluss setzte voraus, dass die Arbeit des Stadtrats beeinträchtigt wird, was im konkreten Fall des Stadtratmitglieds und NPD-Politikers nicht der Fall war. lto.de berichtet.
BVerwG zu Erschließungskosten: Kommunen können von Anwohnern nicht die Mehrkosten für die Erschließung verlangen, die im Wesentlichen inflationsbedingt entstanden sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wie lto.de meldet.
OLG München – NSU-Prozess: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und die Welt (Per Hinrichs) berichten vom gestrigen Verhandlungstag des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht München. Auch gestern ging es um den Anschlag in der Kölner Keupstraße 2004.
AG Düsseldorf zu Stehpinkler: Das Pinkeln im Stehen gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietswohnung – trotz "zunehmender Domestizierung des Mannes", wie es im Urteil des Amtsgericht Düsseldorf heißt. Das AG hat damit einen Vermieter verpflichtet, die von ihm zurückbehaltene Kaution an den vormaligen Mieter zurückzuzahlen, wie lto.de und die FAZ (Reiner Burger) melden. Der Marmorboden war durch Urinspritzer beschädigt worden.
Filesharing-Rechtsprechung: Die "nach wie vor vollkommen uneinheitliche" Rechtsprechung zum Filesharing beklagt Thomas Stadler (internet-law.de). Die Mehrzahl der Urteile würde noch zu Gunsten von Rechteinhabern ausfallen, und der Erfolg einer Verteidigung hänge stark vom Sachvortrag im Einzelfall ab.
LG München II – Kindesmissbrauch: Ein früherer Präfekt des Internats in Kloster Ettal soll Schüler missbraucht haben; nun muss er sich vor dem Landgericht München II verantworten. spiegel.de und SZ (Heiner Effern) berichten im Bayern-Teil über den Prozess. Der Angeklagte habe nur "Berührungen und Streicheleinheiten" eingestanden, was strafrechtlich nicht relevant ist.
StA Dresden – Khaled B.: Nach dem gewaltsamen Tod des 20-jährigen Flüchtlings Khaled B. hat nun die Staatsanwaltschaft Dresden Haftbefehl gegen den Mitbewohner und Landsmann des Eritreers B. erlassen. Er soll ein Geständnis abgelegt haben, wie die SZ (Ulrike Nimz) berichtet.
StA Stuttgart zu S21: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat einen Strafbefehl beim Amtsgericht Stuttgart gegen den ehemaligen Stuttgarter Polizeipräsidenten wegen fahrlässiger Körperverletzung beantragt. Die StA wirft im vor, bei der Stuttgart 21-Demo 2010 nicht verhindert zu haben, dass Wasserwerfer auf Köpfe der Demonstranten gerichtet werden. Das meldet die spiegel.de.
Recht in der Welt
USA – Barrett Brown: Der US-Journalist Barrett Brown ist für seine mutmaßlichen Verbindungen zu Anonymous und deren Hack des US-Sicherheitsunternehmens Stratfor von einem Gericht in Dallas zu rund fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das berichtet zeit.de. Unterstützer gehen davon aus, dass das Urteil Whistleblower und Aktivisten abschrecken soll.
USA – Ferguson-Polizist: Zuständige Justizbeamte empfehlen spiegel.de zufolge, keine Bundesanklage gegen Darren Wilson zu erheben. Es gebe keine Hinweise auf Verletzung der Bürgerrechte. Wilson erschoss im August 2014 einen schwarzen Jugendlichen in Ferguson.
Italien – Francesco Schettino: Fahrlässige Tötung, Körperverletzung, Havarie, Zurücklassen Hilfsbedürftiger und Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behörden wirft die Staatsanwaltschaft Francesco Schettino im Costa Concordia-Prozess vor. Schettino selbst, der als Kapitän das Schiff steuerte, hält sich für unschuldig. Nun laufen die Plädoyers der Staatsanwaltschaft, wie spiegel.de und welt.de berichten.
Juristische Ausbildung
Prozess gegen Jörg L. geht weiter: lto.de zufolge ist der Prozess am Landgericht Lüneburg gegen den ehemaligen Richter Jörg L., der Examenslösungen verkauft haben soll, auch nach seinem Geständnis nicht so schnell zu Ende. Das Gericht wolle sich "einen Eindruck von der Motivlage des Täters und den Konsequenzen für die Kandidaten machen". Der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) berichtet, wie angehende Juristen die Begegnungen mit L. schildern.
Sonstiges
Verteidiger Sven Thomas: Strafverteidiger Sven Thomas spricht im SZ-Interview (Melanie Ahlemeier) über Schauspielkunst vor Gericht und seine Beziehung zu "Alphatieren" wie etwa seinem Mandanten Bernie Ecclestone. An der jüngsten Finanzkrise sehe man, dass man manche Sachverhalte im Wirtschaftsleben nicht anklagen könne, so Thomas außerdem.
Das Letzte zum Schluss
Knöllchen-Horst gegen Dolly Buster: Er hat schon Tausende Falschparker bezichtigt – jetzt zieht "Knöllchen-Horst" den ehemaligen Erotikstar Dolly Buster vor Gericht: Nachdem Buster öffentlich gemutmaßt haben soll, das Anzeigen von Falschparkern errege "Knöllchen-Horst" sexuell, verlangt dieser von Buster 1.500 Euro Schadensersatz vor dem Amtsgericht Osterode. spiegel.de berichtet.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. Januar 2015: Hooligans als kriminelle Vereinigung – Pinkeln im Stehen – Prozess um verkaufte Klausuren geht weiter . In: Legal Tribune Online, 23.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14462/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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