Richter Jörg L. hat gestanden, Klausuren fürs Zweite Juraexamen verkauft zu haben. Außerdem in der Presseschau: Der Zivilprozess soll nach Plänen des Justizministers Maas effizient und bürgernah werden, ein Juraprof fordert stärkere Vermittlung von Grundlagenkenntnissen im Studium, ein belgischer Gefangener bekommt doch keine Suizidhilfe und warum ein Vollrausch auf dem Boot klargeht.
Thema des Tages
Jörg L. hat gestanden: Der vor dem Landgericht Lüneburg wegen mutmaßlichen Verkaufs von Prüfungslösungen angeklagte Richter Jörg L. hat am gestrigen Dienstag überraschend ein umfangreiches Geständnis abgelegt – in einigen Punkten sogar über die Anklage hinaus. L. gab an, als Referatsleiter des Niedersächsischen Justizprüfungsamtes Prüfungslösungen für das Zweite Staatsexamen angeboten bzw. verkauft zu haben. Nun sei dem Gericht zufolge nicht auszuschließen, dass ein Urteil schon nächste Woche fällt. L. steht wegen Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall sowie Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchter Nötigung vor Gericht. Es berichten die FAZ (Reinhard Bingener), die Welt (Per Hinrichs), lto.de und spiegel.de.
Rechtspolitik
Reformen im Zivilprozess: Im Ressort "Recht und Steuern" schildert die FAZ (Joachim Jahn) Reformbestrebungen des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) mit dem Ziel eines "bürgernahen und effizienten Zivilprozesses". Eine Überlegung sei, die Richter einzelner Kammern für einzelne Rechtsgebiete zu spezialisieren. Außerdem wolle man die Verfahren beschleunigen und die Neutralität von Sachverständigen gewährleisten.
Passentzug: Polizei und Verfassungsschutzämter begrüßen laut Welt (Florian Flade), dass gewaltbereiten Islamisten neben dem Reisepass künftig auch der Personalausweis entzogen werden soll, um Reisen in Konfliktregionen zu verhindern. Die Gesetzesänderung soll in Kürze im Kabinett beschlossen werden.
Drogenhandel: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), fordert von Justizminister Heiko Maas (SPD), im Kampf gegen Drogen die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zu erleichtern und deren nachträgliche Abschöpfung zu ermöglichen. Die bisherigen Regeln würden zu selten angewendet und seien weniger praxistauglich als erhofft, so Mortler laut FAZ (Andreas Mihm/Joachim Jahn).
CSU und Asylrecht: Kritisch zu aktuellen Forderungen der CSU zur Beschleunigung von Asylverfahren und Abschiebungen äußert sich Katharina Schuler auf zeit.de. Faire Verfahren brauchten Zeit und humanitäre Gründe könnten Abschiebungen verhindern. Die CSU erwecke "den Eindruck, dass es ihr vor allem darum geht, sich der Öffentlichkeit einmal mehr als Hardliner in Asyldingen zu präsentieren".
Justiz
EuGH – Umsatzsteuer: Über die umsatzsteuerrechtliche Frage, ob die Berichtigung einer Rechnung nach europäischem Recht zurückwirkt, wird der Europäische Gerichtshof voraussichtlich noch im Jahr 2015 entscheiden. Die Frage sei "für alle umsatzsteuerlichen Unternehmer von Interesse", so der Anwalt Oliver Zugmaier im FAZ-Ressort "Recht und Steuern".
LSG Hessen zu Rentenanspruch bei Straftat: Ein Versicherungsnehmer, der wegen Krankheit oder Behinderung erwerbsgemindert ist, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Rente. Nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen entfällt dieser Anspruch aber, wenn der Versicherte die Erwerbsminderung durch eine von ihm begangene Straftat (dort: Trunkenheit im Verkehr) verursacht hat. lto.de berichtet.
LG Berlin – Leiharbeitsrichtlinie: Vor dem Landgericht Berlin verklagt eine Leiharbeitnehmerin die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtline auf Schadensersatz aus Staatshaftung. Auf blog.handelsblatt.com schätzt der Rechtanwalt André Zimmermann die Erfolgsaussichten als eher gering ein.
LG Dresden – Landfriedensbruch bei Demo: Über das Strafverfahren gegen einen Gegendemonstranten auf dem Dresdner Nazi-Aufmarsch 2011 berichtet die taz (Michael Bartsch). Ihm wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen; vor dem Landgericht Dresden läuft jetzt die Berufung. Kritisiert wird ein zweifelhafter Videobeweis.
AnwGH NRW zur Zustellung unter Anwälten: lawblog.de (Udo Vetter) weist auf ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen aus dem November 2014 hin, wonach Rechtsanwälte nicht verpflichtet sind, Zustellungen von Anwaltskollegen entgegenzunehmen. Diese Pflicht gelte nur für Zustellungen von Gerichten und Behörden, nicht von Kollegen.
AG München zu Glückspielgeld: Wer sich beim Online-Black-Jack des unerlaubten Glückspiels schuldig macht, muss das gewonnene Geld komplett an den Staat herausgeben. Die Welt (Karsten Seibel) schildert einen Fall vor dem Amtsgericht München, wonach ein beim Verurteilten sichergestellter Gewinn von rund 63.500 Euro für immer eingezogen wird. Das Urteil habe "Signalwirkung".
Recht in der Welt
USA – Ferguson-Jury: Nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf den schwarzen Jugendlichen im Sommer 2014 in Ferguson hatte die Grand Jury entschieden, dass keine Anklage gegen den Polizisten erhoben wird. Um sich zu den Gründen der umstrittenen Entscheidung äußern zu dürfen, klagt jetzt ein Jury-Mitglied gegen seine Geheimhaltungspflicht. spiegel.de berichtet.
USA – Marathon-Bomber: Der SZ (David Hesse) zufolge gestaltet sich im Prozess gegen den mutmaßlichen Marathon-Bomber Dschochar Zarnajew die Auswahl der Geschworenen aus 1.200 Personen als schwierig. Eine zentrale Frage sei deren Haltung zur Todesstrafe; die Verteidigung meint außerdem, im gesamten Bundesstaat Massachusetts seien keine unvoreingenommenen Geschworenen mehr zu finden.
Belgien – Suizidhilfe: Der in Belgien u.a. wegen Mordes verurteilte und seit dreißig Jahren gefangene Frank Van Den Bleeken bekommt nun doch keine Suizidhilfe, melden die Welt (Francois Duchateau) und sueddeutsche.de. Van Den Bleeken soll in eine psychiatrische Einrichtung verlegt werden.
Palästina – IStGH: Mit dem Beitrittsgesuch der palästinensischen Autonomiebehörde zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag befasst sich nun auch die FAZ (Reinhard Müller). Sollte das IStGH-Statut dereinst für Palästina gelten, könnten auch israelische Politiker und Militärs für schwere Kriegsverbrechen auf palästinensischem Gebiet belangt werden – wenngleich die Hürden für ein Verfahren vor dem IStGH hoch seien.
Guatemala – Ríos Montt: Der Prozess gegen Guatemalas früheren Militärmachthaber Ríos Montt wegen Völkermordes ist kurz nach Auftakt vertagt worden, meldet die taz. Grund: Die Richterin sei befangen, weil ihre Doktorarbeit vom Völkermord in Guatemala handelt.
Juristische Ausbildung
Lehrkritik: Im FAZ-Ressort "Forschung und Lehre" plädiert der Juraprofessor Nils Jansen für die stärkere Vermittlung von Grundlagenkenntnissen im Jurastudium: Textlektüre solle besser geschult, juristisches Wissen nicht mit bloßer Rechtsprechungskenntnis verwechselt werden. Und schließlich gehe es "um die Frage, wie junge Juristen geprägt werden: als professionelle Rechtstechniker oder als verantwortungsbewusste Anwälte des Rechts".
Sonstiges
Code statt Gesetz: Werden Algorithmen eines Tages die Funktion von Gesetzen übernehmen? Sind (rechts)politische Prozesse bereits heute automatisiert? Diesen Fragen widmet Adrian Lobe einen Beitrag im Medien-Teil der FAZ.
Digitaler Nachlass: Müssen E-Mails an Erben Verstorbener herausgegeben werden? Die Provider können sich auf das Telekommunikationsgeheimnis berufen, weiß der Anwalt Peter Bräutigam im Interview mit der Berliner Zeitung (Mira Gajevic).
Unternehmensschenkungen: Wann ist nach dem Erbschaftsteuer-Urteil des Bundesverfassungsgerichts für Unternehmerfamilien der günstigste Zeitpunkt für eine Schenkung? Dieser Frage gehen die Anwälte Christian von Oertzen und Frank Hannes im Finanz-Ressort der FAZ nach.
Das Letzte zum Schluss
Zwei Promille auf der Yacht: Trotz über zwei Promille darf der Kapitän einer Segelyacht seinen Bootsführerschein behalten: Der Rechtsgrundlage zum Entzug des Bootsführerscheins lasse sich nicht mit einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Bestimmtheit entnehmen, dass ein einmaliger erheblicher Rausch ausreicht. Der Verordnungsgeber hätte das klarer regeln müssen, befand das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. blog.beck.de (Carsten Krumm) weist auf das Urteil hin.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. Januar 2015: Richter gesteht Korruption – Prof kritisiert Lehre – doch keine Suizidhilfe für Sexualstraftäter . In: Legal Tribune Online, 07.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14287/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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