Die Bundesregierung will es noch einmal probieren. Zwei Minister skizzieren die Regeln der neuen Vorratsdatenspeicherung. Außerdem in der Presseschau: das BVerfG beanstandet Nacktgewahrsam in Zelle mit Kamera, der BGH hilft enttäuscher Gebrauchtwagenkäuferin, die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen mutmaßliche deutsche IS-Folterer und ein US-Rentner steht wegen Sex mit seiner dementen Ehefrau vor Gericht.
Thema des Tages
Vorratsdatenspeicherung: Justizminister Maas (SPD) hat sich mit Innenminister de Maizière (CDU) auf Leitlinien für eine neue Vorratsdatenspeicherung geeinigt. Wichtigste Neuerungen gegenüber dem alten Gesetz: Die Speicherfrist für Telefon-Verbindungsdaten und IP-Adressen wird von sechs Monaten auf zehn Wochen verkürzt. Bei Handy-Standortdaten soll sie nur vier Wochen betragen. E-Mail-Verbindungsdaten sollen gar nicht mehr anlasslos gespeichert werden. Die Pläne werden ausführlich dargestellt von lto.de (Constantin van Lijnden) und taz (Christian Rath). Die SZ (Wolfgang Janisch/Robert Roßmann) sowie spiegel.de (Veit Medick/Annett Meiritz) präsentieren wichtige Aspekte in Frage/Antwort-Form. Die FAZ (Eckart Lohse) schildert die Präsentation in Reportage-Form.
Die Pläne werden begrüßt von Reinhard Müller (FAZ) ("Wer in diesem Kompromiss einen Untergang des Rechtsstaats sieht, der hat sich von ihm ohnehin längst verabschiedet.") und Jost Müller-Neuhof (Tsp) ("Fürchten kann man sich vor vielem. Davor nicht."). Kritik üben Heribert Prantl (SZ) ("Ein Grundrechtsverstoß bleibt ein Grundrechtsverstoß auch dann, wenn er künftig nur noch vier beziehungsweise zehn Wochen dauern soll."), Christian Rath (taz) ("Erst wird alles gesammelt, und dann schaut man, was wirklich relevant ist. So denkt ein Überwachungsstaat.") und Sascha Lobo (spiegel.de) ("Daten, die vorhanden sind, werden im Zweifel ausgewertet werden.").
zeit.de (Lisa Caspari) schildert die Debatte mit Blick auf die SPD. Die taz (Tobias Schulze) interviewt den SPD-Netzpolitiker Nico Lumma, der eine SPD-interne Kampagne gegen die Vorratsdatenspeicherung gestartet hat.
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Rechtsprofessor Thomas Hillenkamp plädiert in einem ausführlichen FAZ-Gastbeitrag gegen die diskutierte Bestrafung der organisierten Suizidhilfe. Diese verstoße gegen die deutsche Rechtstradition und sei auch nicht erforderlich.
Einbrüche: Die große Koalition will Bürger beim Einbau besonderer Türen, Schlösser oder Fenster als Schutz gegen Einbrecher besser unterstützen. Kfw-Programme, die hierfür zinsgünstige Kredite gewähren, sollen aufgestockt werden, die steuerliche Absetzbarkeit will man prüfen. Das berichtet die SZ (Robert Roßmann).
Justiz
BVerfG zu Suizidprophylaxe im Gefängnis: Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde eines Gefangenen statt, der länger als einen Tag nackt in einer video-überwachten Zelle untergebracht war. Dies wäre selbst zum Schutz gegen Selbstötung nicht erlaubt, stattdessen hätte der Gefangene Spezialkleidung erhalten müssen, berichten verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis), taz (Christian Rath) und lto.de.
BGH zu TÜV-Zusage: Wer einen Gebrauchtwagen mit aktueller TÜV-Untersuchung kauft, kann vom Vertrag zurücktreten, wenn das Fahrzeug dann doch erhebliche Mängel aufweist. Der Käufer muss das Angebot der Nacherfüllung nicht annehmen, erläutern lto.de und spiegel.de.
BGH zu sanierungsfeindlichem Mieter: Ein Vermieter kann einem Mieter fristlos kündigen, wenn dieser die Handwerker für dringende Sanierungsarbeiten (Hausschwamm) nicht in die Wohnung lässt. Der Vermieter muss den Umfang der Duldungspflicht des Mieters nicht erst vor Gericht klären lassen, berichtet die Welt (Norbert Schwaldt).
LG Hamburg zu Margarine-Werbung: Das Landgericht Hamburg hat verboten, die Margarine becel pro.activ damit zu bewerben, dass sie den Cholesterinspiegel um rund 20 Prozent senke. Dem Verbraucher werde nicht deutlich, dass ein so hoher Wert nur im Zusammenspiel mit gesunder Ernährung und Bewegung zu erreichen sei, meldet spiegel.de.
LG Heidelberg verurteilt Fürniß: Das Landgericht Heidelberg hat den Ex-Wirtschaftsminister von Brandenburg und Ex-OB von Wiesloch, Wolfgang Fürniß (CDU), wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, so SWR.de. Fürniß hatte mit erlogenen Geschichten bei Freunden und Bekannten rund 500.000 Euro erschwindelt.
LG Nürnberg-Fürth - fast gestorbenes Flüchtlingskind: Das Landgericht Nürnberg-Fürth wird übernächste Woche in zweiter Instanz über den Fall eines Flüchtlingskindes verhandeln, das fast gestorben war, weil der Wachmann einer Asylbewerberheims keinen Notarzt rief. In erster Instanz war er wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Zeit (Caterina Lobenstein) schildert den Fall ausführlich in einem Dossier und sieht dabei eine Mitursache in § 4 Asylbewerberleistungsgesetz, der die Behandlung von Asylbewerbern nur bei "akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen" erlaubt.
OLG München - NSU: zeit.de (Tom Sundermann) schildert die Aussage eines einstigen Schulfreundes von Uwe Mundlos, der dessen Radikalisierung miterlebt hatte.
GBA - IS-Folterer: Die Bundesanwaltschaft ermittele gegen mehrere aus Deutschland stammende IS-Mitglieder, die sich in Syrien an der Bewachung und Folterung von Gefangenen beteiligten, berichtet die SZ (Georg Mascolo) auf der Titelseite. Ein Zeuge, der selbst dort inhaftiert war, sei wieder in Deutschland und machte entsprechende Aussagen.
LG Frankfurt/Main - Heta-Bank: Die staatlich NRW-Bank klagt vor dem Landgericht Frankfurt/Main als erster Gläubiger gegen die Heta genannte Abwicklungsbank der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria auf Rückzahlung von 275 Millionen Euro. Das berichtet die FAZ (Christian Geinitz) und erläutert die Hintergründe. Letztlich geht es auch um die Wirksamkeit des österreichischen Bankenabwicklungsgesetzes Basag, mit dem die Schuld der Heta und die Haftung des Bundeslands Kärnten reduziert wurde.
Recht in der Welt
EGMR - Privatsphäre Prinz Albert: Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über eine Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das französische Magazin Paris Match hatte im Mai 2005 über einen nicht-ehelichen Sohn des monegassischen Prinzen Albert sowie weitere intime Details aus dessen Beziehungsleben berichtet und war daraufhin von einem französischen Gericht zu 50.000 Euro Schadensersatz verurteilt worden. Eine Kammer des EGMR hatte dies beanstandet, jetzt verhandelte die Große Kammer.
USA - Sex mit dementer Ehefrau: In Iowa steht ein Rentner wegen sexuellem Missbrauchs seiner Ehefrau vor Gericht. Diese lebte im Pflegeheim, doch er besuchte sie regelmäßig und kümmerte sich um sie. Obwohl ihm die Heimleitung sagte, die Frau könne nicht mehr in sexuelle Handlungen einwilligen, hatte er wohl noch Sex mit ihr. Eine Zimmernachbarin der Frau hatte ihn angezeigt. Die Frau starb drei Monate später. Wenige Tage nach ihrem Tod wurde der Witwer festgenommen, berichtet bild.de.
Sonstiges
Unverheiratetes Zusammenleben: Die SZ (Berrit Gräber) beschreibt, was unverheiratete Paare beachten müssen und empfiehlt in der Regel den Abschluss ausdrücklicher Vereinbarungen. Es geht dabei um Mietrecht, Versicherungen, Anschaffungen, Bürgschaften, Vollmachten, Immobilienkauf und das Erbrecht.
Das Letzte zum Schluss
Die Tiefe der Pfütze: Eine Polizeibeamtin muss nicht für Schäden am Polizei-Kfz haften, die sie beim Befahren einer hochwassergesperrten Straße verursachte. Das Verwaltungsgericht Halle entschied im März 2014, dass die Beamtin nicht hätte aussteigen müssen, um die Tiefe der Wasserfläche zu überprüfen, berichtet justillion.de (Stephan Weinberger), denn sie befand sich auf einer Verfolgungsfahrt. "Es sei geradezu offensichtlich, dass ein solches Verhalten dem Verfolgten einen nicht mehr einzuholenden Vorsprung verschafft hätte."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 16. April 2015: Zehn Wochen Vorratsdatenspeicherung – BGH zu TÜV-geprüften Gebrauchtwagen – Sex mit dementer Ehefrau . In: Legal Tribune Online, 16.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15249/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag