Der für 2015 geplante ausgeglichene Bundeshaushalt wird durch eine Entscheidung des FG Hamburg auf die Probe gestellt: Atomkraftwerkbetreibern muss die Brennelementesteuer vorläufig zurückerstattet werden. Außerdem in der Presseschau: Reformpläne zum Sexualstrafrecht, Informationsrechte von Abgeordneten zu Rüstungsexporten und welchen Einfluss Geschlecht und Herkunft auf die Benotung im Ersten Staatsexamen haben.
Thema des Tages
FG Hamburg zur Brennelementesteuer: Nach Berichten der FAZ (Joachim Jahn, Manfred Schäfers) und der SZ (Markus Balser) hat das Finanzgericht Hamburg am Montag den Eilanträgen der Atomkraftwerkbetreiber RWE und Eon stattgegeben und die Hauptzollämter vorläufig zur Erstattung der entrichteten Brennelementesteuer in Höhe von 2,2 Milliarden Euro verpflichtet. Nach Argumentation des Gerichts sei die Steuer mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes verfassungswidrig, da nicht der Verbrauch von Kernbrennstoffen, sondern die Gewinne der Kraftwerkbetreiber besteuert würden. Überdies verstoße die Steuer wohl gegen Europarecht. Das Gericht hatte aus diesen Gründen zuvor bereits das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof angerufen. Wie spiegel.de erläutert, betrifft die Entscheidung vom Montag daher nur die Frage, ob die Betreiber von der Zahlung der Kernbrennstoffsteuer einstweilig befreit und entrichtete Beträge erstattet werden.
Joachim Jahn (FAZ) spricht von einer "drastischen" Entscheidung und fragt sich, ob das Bundesverfassungsgericht die Regierung auch noch "zu ein paar Milliarden Euro Schadensersatz" verurteilen werde.
Rechtspolitik
Reform des Sexualstrafrechts: Die FAZ (Eckart Lohse) erläutert ausführlich Entstehung und Inhalt der von Bundesjustizminister Maas geplanten Reform des Sexualstrafrechts. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung handele es sich nicht nur um eine "Lex Edathy"; vielmehr habe die Koalition bereits zuvor geplant, "inakzeptable Schutzlücken" zu schließen und "Wertungswidersprüche im Sexualstrafrecht" zu beseitigen. Daher beinhalte die Reform neben der Strafbarkeit des Kaufs von Nacktbildern auch andere Maßnahmen wie etwa die Verlängerung der Verjährung von Sexualstraftaten, im äußersten Fall bis zur Vollendung des 50. Lebensjahrs des Opfers.
Auf Annelie Kaufmann (zeit.de) wirkt Maas' "gesetzgeberischer Rundumschlag" übereilt. Während etwa die Verlängerung der Verjährungsfristen hinter der Forderung von Betroffenenverbänden zurückbleibe, gehe der Entwurf im Falle der Posing-Bilder sehr weit, obwohl diese Strafbarkeitslücke wahrscheinlich viel kleiner sei, als die Debatte glauben machte.
Kinderpornographie und Vorratsdatenspeicherung: Wie die FAZ (Eckart Lohse) und die SZ berichten, haben führende Unionspolitiker anlässlich der geplanten Gesetzesverschärfungen zur Kinderpornographie die Zulassung von Vorratsdatenspeicherung in schwerwiegenden Fällen gefordert. Die Verkehrsdaten bildeten aufgrund der Anonymität des Internets die wichtigsten Ermittlungsansätze. "Was nützt eine erweiterte Strafbarkeit beim Thema Kinderpornografie, wenn die Fahndungsmöglichkeiten wegen fehlender Mindestspeicherfristen stark begrenzt sind?", wird etwa der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zitiert.
TTIP und Bundesrat: Nach Meldung von spiegel.de (Gerald Trauvetter) geht das Bundeswirtschaftsministerium im Gegensatz zur EU-Kommission davon aus, dass neben dem Bundestag auch der Bundesrat dem Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA zustimmen muss. Dies werde damit begründet, dass das Abkommen auch Verfahrensregelungen zu Länderzuständigkeiten vor allem im Bereich des Berufsrechts betreffe.
EU-Gesellschaftsrecht: Rechtsprofessor Ulrich Noack stellt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard den EU-Richtlinienvorschlag zur Einführung der "Societas Unius Personae" (SUP), einer rechtsfähigen Kapitalgesellschaft mit nur einem Gesellschafter, vor. Die SUP sei als "halbe" neue Rechtsform anzusehen: Neu sei das Gründungs- und Haftungsregime, während im Übrigen das mitgliedstaatliche Recht, in Deutschland das GmbH-Gesetz, gelte.
Justiz
BVerfG –Informationsrechte bei Rüstungsexporten: Am heutigen Dienstag befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der Reichweite der Informationsrechte des Bundestags bei Rüstungsexporten. Anlass ist die grundsätzliche Genehmigung eines Kampfpanzer-Exports an Saudi-Arabien vor drei Jahren. Bisher werden sensible Rüstungsentscheidungen vom Bundessicherheitsrat, bestehend aus mehreren, aber nicht allen Ministern unter Vorsitz der Kanzlerin, getroffen. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) erläutert, will das Gericht auch die Möglichkeit erörtern, wie bei der Kontrolle der Geheimdienste ein der Geheimhaltung verpflichtetes parlamentarisches Kontrollgremium einzusetzen.
LG Bochum zu Ante Sapina: Der Fußball-Wettbetrüger Ante Sapina ist vom Landgericht Bochum wegen Betrugs in 19 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Damit fiel die Strafe um ein halbes Jahr geringer aus als bei der ersten Verurteilung im Jahre 2011. Dieses Urteil hatte allerdings der Revision vor dem Bundesgerichtshof nicht standgehalten, weil nicht ausreichend geprüft worden sei, ob Sapina als Kronzeuge angesehen werden könne und damit milder bestraft werden müsse. Die SZ (Ulrich Hartmann) und lto.de berichten.
GenStA München zu Mollath: Wie lto.de und focus.de melden, hat die Generalstaatsanwaltschaft München die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Augsburg bestätigt, im Fall Mollath keine Ermittlungsverfahren gegen Verfahrensbeteiligte einzuleiten. Bei den Ermittlungsbehörden waren zuvor zahlreiche Anzeigen gegen Richter, Staatsanwälte, Gutachter, Ärzte, die damalige Ehefrau Mollaths sowie Verantwortliche der HypoVereinsbank eingegangen. Die betreffenden Personen hätten nach Dafürhalten der Generalstaatsanwaltschaft nicht vorsätzlich darauf hingewirkt, Mollath seiner Freiheit zu berauben oder ihn fälschlich verurteilen zu lassen. Zahlreiche Vorwürfe seien zudem bereits strafrechtlich verjährt.
GBA – Spionageattacke auf das DLR: Wie die FR meldet, hat der Generalbundesanwalt nach der Spionageattacke auf das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit eingeleitet. Beim DLR waren mehrere Computer von Wissenschaftlern und Systemadministratoren mit Spionage-Programmen infiltriert worden. Indizien sollen auf chinesische Täter hinweisen.
In den USA gehe China in Sachen Luft- und Raumfahrttechnik schon lange auf diese Weise vor, "was längst Unternehmen zu Abwehrmaßnahmen veranlasst und die Regierung in Washington auf den Plan gerufen hat", meint Daniel Deckers (FAZ). In Deutschland werde dagegen "die gelbe Gefahr aus dem Netz beschwiegen".
LG Hamburg zu Berichterstattung über Uli Hoeneß: Das Landgericht Hamburg hat gegen das Magazin "Stern" eine einstweilige Verfügung in Sachen Uli Hoeneß erlassen. Danach darf die Zeitschrift nicht weiter die Vermutung äußern, hinter dem Urteil des Münchner Landgerichts stehe ein Deal; auch die Überschrift: "Ein Deal für Hoeneß" sei unzulässig. Nach Einschätzung der FAZ (Joachim Jahn) ist die Entscheidung "bemerkenswert", da ähnliche Vermutungen von vielen Menschen und von etlichen Medien geäußert wurden. Die Justitiarin des Verlags Gruner + Jahr, Kirsten von Hutten, vermute hinter dem Vorstoß daher "Nebelkerzen".
StA Aachen – Reemstma-Lösegeld: Gegen einen 62-jährigen ehemaligen Zuhälter ermittelt die Staatsanwaltschaft Aachen wegen Erpressung im Zusammenhang mit dem Lösegeld aus der Entführung des Hamburger Unternehmers Jan Philipp Reemtsma im März 1996. So soll der Mann einigen Frankfurter Hells Angels mit Enthüllungen gedroht haben, dass sie Summen in Millionenhöhe aus Teilen des Reemtsma-Lösegelds gewaschen hätten. Wie spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet, waren die Ermittler bei einer Überprüfung der Finanzen der Hells Angels auf regelmäßige Zahlungen an den auf Mallorca lebenden Rentner aufmerksam geworden.
Recht in der Welt
USA - Prozess gegen Imam Abu Hamza: Seit Montag muss sich der Imam Abu Hamza vor einem US-Bezirksgericht in New York verantworten. Er soll al-Qaida unterstützt und ein Ausbildungslagers für Terroristen in Oregon geplant haben, sowie an einer tödlich ausgegangen Touristenentführung im Jemen 1998 beteiligt gewesen sein. 2004 wurde der gebürtige Ägypter mit britischem Pass in Großbritannien wegen Anstiftung zu Mord und Rassenhass festgenommen und 2006 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Oktober 2012 wurde er an die USA ausgeliefert. spiegel.de (Marc Pitzke) und die SZ (David Hesse) berichten.
Türkei – Sondergefängnis für Homosexuelle: Nach Meldung von spiegel.de plant die türkische Regierung den Bau eines Sondergefängnisses, in dem ausschließlich Homosexuelle untergebracht werden sollen. Ziel der Trennung sei der "Schutz der Verurteilten". Fortan müsse jeder Gefangene bei Haftantritt seine sexuelle Orientierung angeben.
Libyen – Prozess gegen Gaddafi-Söhne: Wie die taz (Mirco Keilberth) und die SZ (Sonja Zekri) berichten, hat am Montag in Libyen der Prozess gegen die Söhne von Libyens gestürztem Machthaber Muammar al-Gaddafi, Saadi und Saif al-Islam Gaddafi, begonnen. Zusammen mit 37 weiteren Vertretern des ehemaligen Regimes werden ihnen Kriegsverbrechen und Korruption vorgeworfen.
Großbritannien - Sexualstrafverfahren: Nach seinem Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung und anderer Sexualdelikte in der vergangenen Woche geht der konservative britische Politiker und ehemalige stellvertretende Parlamentspräsident Nigel Evans nun in die Offensive. So beschuldigt er die Staatsanwaltschaft, zu leichtfertig Klage einzureichen, und verlangt die Anonymität für Angeklagte sowie die Rückerstattung von Anwaltskosten für Freigesprochene. "Auf Evans Anklagebank sitzt die moderne Rechtskultur in Großbritannien, die der Verfolgung von Sexualstraftaten einen hohen Rang einräumt", so die Einschätzung der FAZ (Jochen Buchsteiner).
Juristische Ausbildung
Examensnoten und Diskriminierung: spiegel.de (Frauke Lüpke-Narberhaus) weist auf eine kürzlich veröffentlichte Studie zur Benotung im Ersten Juristischen Staatsexamen hin, wonach Geschlecht und Herkunft der Prüflinge ihre Resultate anscheinend massiv beeinflussen. So schnitten Frauen bei gleichen Leistungen und Voraussetzungen im Schnitt zehn Prozent schlechter ab. Ähnlich liege es bei Studierenden mit ausländischem Namen. Dass dies auf Diskriminierung zurückzuführen sei, liege nach Aussage der Forscher zwar nahe, könne mit der Studie aber nicht bewiesen werden.
Sonstiges
Cum-Ex-Geschäfte der LBBW: Wie die SZ (Klaus Ott) berichtet, hat die Landesbank Baden-Württemberg 150 Millionen Euro aus sogenannten Cum-Ex-Geschäften an seinen Miteigentümer, das Land, zurückerstattet. Bei diesen Geschäften waren Aktien über viele Stationen im In- und Ausland rasend schnell an- und verkauft worden; die Handelspartner ließen sich von den Finanzämtern im Anschluss eine nur einmalig entrichtete Kapitalertragssteuer mehrmals erstatten. Wegen der Geschäfte aus den Jahren 2007 und 2008 wird gegen einige damalige Händler der Bank ermittelt.
Tiere im Recht: Rechtsanwältin Amelie C. Buhl gibt auf verfassungsblog.de einen Überblick über die Fragestellungen, mit der sich die erste jährliche europäische Tierrechtskonferenz an der Universität Basel Anfang April befasste.
Smartphone in der Uni: Rechtsanwalt Tobias Kohl geht auf lto.de der Frage nach, ob Studenten Präsentationsfolien abfotografieren oder gar die ganze Vorlesung mit dem Handy filmen dürfen.
Das Letzte zum Schluss
Schaum gegen Bankräuber: Einen neuen Mechanismus gegen "moderne" Bankräuber, die Geldautomaten aus der Wand reißen, einladen und dann in Ruhe an einem sicheren Ort öffnen, haben nach einer Meldung von spiegel.de (Holger Dambeck) Forscher der ETH Zürich entwickelt. Danach soll die Geldkassette mit einer Folie ausgekleidet werden, die bei mechanischer Beschädigung binnen Sekunden große Mengen heißen Schaums produziert. Farbpigmente im Schaum sollen die Geldscheine unbrauchbar machen und zugleich die Täter markieren. Vorbild stand dieser Methode im Übrigen die Natur: So wehrt sich der "große Bombardierkäfer" mit Gasexplosionen gegen Angreifer.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. April 2014: Milliarden für Kernkraftwerkbetreiber – Rüstungsexporte und Transparenz – Examensbenotung und Diskriminierung . In: Legal Tribune Online, 15.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11699/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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