Die Asylrechtsreform soll am Donnerstag beschlossen werden, wie sieht sie aus? Außerdem in der Presseschau: 45 Millionen für den NSU-Prozess, "Selfie-Extremismus" hilft den Ermittlern und Umweltschutz made in USA.
Thema des Tages
Asyl-Gesetzespaket: Am heutigen Montag findet eine Expertenanhörung zur Asylrechtsreform statt. Am Donnerstag soll der Bundestag das Gesetzespaket beschließen und dazwischen muss es noch fertiggestellt werden. Die Montags-taz (Ulrich Schulte – Einleitung auf taz.de) zählt stark kritisierte Regelungen des Entwurfs auf. Die FAS (Markus Wehner) befasst sich mit Regelungen, die der geringen Zahl von Abschiebungen trotz abgelehnter Asylanträge entgegenwirken sollen. So soll etwa die Härtefallkommission nach Festsetzung eines Abschiebetermins nicht mehr angerufen werden können und eine Ankündigung der Abschiebung ("run letter") entfallen.
Asyl-Eilverfahren: Die Einführung von Asyl-Eilverfahren in Transitzonen an der deutschen Grenze wird nun doch wieder diskutiert. Grenzkontrollen an Binnengrenzen seien nach EU-Recht zulässig, schreibt die Montags-taz (Christian Rath), allerdings selbst im äußersten Ausnahmefall nur für maximal zwei Jahre. Probleme könnten sich etwa daraus ergeben, dass solche Verfahren an Grenzen nach EU-Recht binnen vier Wochen abgeschlossen sein müssten.
BVerfG – Zuzug begrenzen: Die bayerische Regierung droht mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, sollte die Bundesregierung den Zuzug von Flüchtlingen nicht begrenzen. Damit gefährde der Bund die "eigenstaatliche Handlungsfähigkeit der Länder", melden lto.de, spiegel.de und zeit.de. Reinhard Müller (Montags-FAZ) fragt gegen was sich die Klage den richten solle, den Gedanken, dass der Staat handlungsfähig bleiben müsse unterstützt er jedoch.
EU-Asylrecht: In der Montags-FAZ legt Kai Heilbronner, Rechtsprofessor und Leiter des Forschungszentrums Ausländer- und Asylrecht in Konstanz, in einem ganzseitigen Artikel dar, wie ein europäisches Asylrecht aussehen könnte, das der aktuellen Situation gewachsen wäre. Im Zentrum stehen klare und europaweit einheitliche Regeln darüber, wem Asyl gewährt wird und eine effektive Abschiebung derer, auf die das nicht zutrifft.
Rechtspolitik
Konkurrentenklagen: lto.de (Ursula Knapp) befasst sich mit Konkurrentenklagen, die derzeit wieder an drei Bundesgerichten Stellenbesetzungen teilweise seit Jahren hinauszögern. Das Bundesjustizministerium prüfe den Vorschlag der Präsidentinnen und Präsidenten der Bundesgerichte, die Verfahren zur Beschleunigung und Rechtsvereinheitlichung beim Bundesverwaltungsgericht zu bündeln. Vorschläge aus der Justizministerkonferenz richteten sich auf eine Reform der Richterwahl und eventuell einen neuen Instanzenzug für die Klagen.
TTIP: Heribert Prantl (Samstags-SZ – Onlineversion) sieht das "Safe Harbour"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs als Aufruf an die EU-Kommission bei TTIP "grundrechtsbewusster zu verhandeln". Der geplante Investitionsschutz hätte zu Schadensersatzpflicht wegen des Urteils führen können.
Strafprozessreform: Die von Bundesjustizminister Maas eingesetzte Expertenkommission zur Reform des Strafprozessrechts fordert Videomaterial früherer richterlicher Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten im Strafprozess zu nutzen. Außerdem sollen Beschuldigte bei der Auswahl von Sachverständigen mitreden, "bereits in den Polizeivernehmungen Anwälte anfordern" und Pflichtverteidigung im Ermittlungsverfahren beantragen dürfen, meldet der Spiegel (Melanie Amann).
Erbschaftsteuerreform: Auf die Expertenanhörung zur Erbschaftsteuerreform am heutigen Montag weisen Samstags-FAZ (Joachim Jahn) und Montags-SZ (Guido Bohsem) hin und zeigen die gegensätzlichen Positionen in der Debatte auf. Laut SZ kommt aus den Reihen der Grünen ein umfassender Reformvorschlag zu einer "synthetischen Erbschaftsteuer".
Nebenklage: In seiner Kolumne "Ein Spruch" kritisiert Jost Müller-Neuhof (Tsp) wie sich Rechtsanwälte – Organe der Rechtspflege – an berechtigtem Opferschutz durch die Nebenklage in einer der Wahrheitsfindung wenig dienlichen Rolle als "Opferanwälte" bereichern. Der Vorfall im NSU-Prozess könne auf ein grundsätzliches Problem hinweisen, das zu beobachten sei.
Widerrufsjoker: Auch die Samstags-Welt (Berrit Gräber) informiert nun über den Widerrufsjoker und seine geplante Abschaffung zum 21. Juni 2016.
Justiz
BVerfG zu Tarifeinheitsgesetz: Eilanträge dreier Spartengewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht am Freitag abgewiesen, die Hauptsacheentscheidung wird für Ende 2016 erwartet. Für den Fall einer erheblichen Verschlechterung der Situation der Gewerkschaften behielt sich das Gericht den Erlass einer Eilentscheidung vor, notfalls auch ohne Antrag, berichten Samstags-FAZ (Joachim Jahn), Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) und Samstags-taz (Christian Rath). Wolfgang Jahnisch (Samstags-SZ) meint: "Indem das Gericht hervorhebt, welche 'gewichtigen Nachteile' den kleinen Gewerkschaften drohen, setzt es ein dickes verfassungsrechtliches Fragezeichen hinter das Gesetz."
EuGH zu Safe Harbour: Der Fokus (Matthias Kowalski u.a.) sieht nach dem Urteil die Chance für einen besseren Datenschutz, wenn die Nutzer mitziehen und konkrete Überprüfungen durch Datenschutzbeauftragte einfordern. internet-law.de (Thomas Stadler) meint, praktisch werde sich nicht viel ändern, aber das Urteile zeige, dass "das Grundkonzept unseres Datenschutzrechts … den Anforderungen des Internetzeitalters nicht genügt und letztlich zu unauflösbaren Widersprüchen führt."
BVerfG zu Identitätsfeststellung bei Demonstranten: Gegenüber dem Spiegel (Dietmar Hipp) fasst der Bürgerrechtsaktivist, auf dessen Klage das Urteil zurückgeht, den Fall und das Ergebnis kurz zusammen. Er meint, künftig könnten sich Bürger "immer darauf berufen, dass man das Vorgehen der Polizei für Beweiszwecke dokumentieren darf." Christian Rath (taz.de) begrüßt die faktische Erlaubnis zur "Bild-Vorratsdatenspeicherung" gegenüber staatlichem Handeln. Im Gegensatz zum Bürger müsse der Staat transparent sein.
OLG München – NSU-Prozess: Die Samstags-SZ (Anette Ramelsberger) befasst sich mit den Kosten des NSU-Prozesses: "Sollte der Prozess bis Mai 2016 laufen, also genau drei Jahre, könnte man von ungefähren Kosten in Höhe von 45 Millionen Euro ausgehen."
Prozesse gegen Syrienrückkehrer: Samstags-SZ (Georg Mascolo) berichtet, wie Syrienrückkehrer mit dem, was Kriminalisten "Selfie-Extremismus" nennen, den Ermittlern die Arbeit erleichtern. Aber die Bilder und Texte in sozialen Netzwerken gingen zurück. Nach einer "angeblich vom IS stammende Anweisung ('Was nicht publiziert werden darf')" sei es insbesondere verboten, Bilder von Kämpfern aus dem Ausland zu posten.
Anlegerklagen/VW: Rechtsprofessor Ulrich Wackerbarth begründet auf blog.fernuni-hagen.de, warum Aktionäre grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch gegen die VW AG haben. Jedenfalls nicht mit der Begründung, sie seien nicht schon 2008 über den Einsatz der Software informiert worden.
LG Darmstadt – Mordprozess: Von dem Mordprozess gegen die Eltern der getöteten 19-jährigen Lareeb vor dem Landgericht Darmstadt berichtet der Spiegel (Julia Jüttner – spiegel.de-Meldung). Die 14-jährige Schwester und der Freund des Opfers hätten die Mutter als treibende Kraft dargestellt.
LG Berlin – Mord an Schwangerer: Die FAS (Julia Schaaf) schreibt zu den bisherigen Erkenntnissen aus dem Prozess vor dem Landgericht Berlin. Da beide Angeklagten, abgesehen von einer zu verlesenden Erklärung von Daniel M., schweigen, werde die Aufklärung eine Weile dauern.
LG Hamburg – Çiftlik: Der Prozess gegen das ehemalige Mitglied der Hamburger Bürgerschaft Bülent Çiftlik hat vor dem Landgericht Hamburg erneut begonnen, berichtet die Montags-taz Nord (Marco Carini).
StA-Berlin – Hartmann: Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen den Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre. Das meldet die Montags-SZ.
StA Erfurt – Mohring: Das nach anonymer Anzeige eingeleitete Verfahren der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen den Vorsitzenden der Thüringer CDU Mike Mohring wurde eingestellt. Die StA konnte keine Hinweise auf Manipulation von Mitgliederlisten finden, meldet die Samstags-FAZ (Claus Peter Müller).
Richter und Mönch: In der Rubrik "Jugend schreibt" der Montags-FAZ porträtiert Lisa Spang den Benediktiner-Mönch Eucharius Wingenfeld, der als Richter in Zivilsachen am Amtsgericht Trier tätig ist.
Recht in der Welt
USA – Germanwings: Auch für deutsche Angehörige von Opfern des Germanwings-Absturzes soll nach Informationen der Montags-SZ (Hans Leyendecker) Klage in den USA eingereicht werden. Experten halten eine solche Klage für unzulässig, mangels Zuständigkeit der US-Justiz. Die Begründung der Anwälte, die am vergangenen Samstag eine Informationsveranstaltung für Opferangehörige in Düsseldorf abhielten, blieb vorerst noch geheim.
EuG – Schlesischer Streuselkuchen: Begriffe, die auf einer Sprache im Register geschützter geografischer Angaben aufgeführt sind, sind deshalb nicht unbedingt auch in ihrer Übersetzung von dem Schutz umfasst. Das entschied das Europäische Gericht für Schlesischen Streuselkuchen, den Deutsche Bäcker trotz der Eintragung auf Polnisch (Kolocz slaski/Kolacz slaski) backen und verkaufen dürfen, meldet die Samstags-Welt.
Sonstiges
D&O-Versicherung/VW: Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) schreibt über den Rückgriff von Unternehmen in Fällen wie dem VW-Abgasskandal auf seine Manager, wegen mangelhafter Compliance. Diese Haftung für Fahrlässigkeit wird zu 90 Prozent (allerdings nur bis zu einer Deckungssumme von maximal 800 Millionen Euro) von "Directors and Officers"-Versicherungen übernommen. Für 10 Prozent (bzw. das, was oberhalb der Deckungssumme liegt) müssen die Manager mit ihrem Vermögen aufkommen. Die Samstags-FAZ (Phillip Krohn) zeigt die Verteilungsfragen auf, die sich beim Eingreifen der Versicherer stellen.
VW-Strukturen: Mit Rechtsprofessor Volker Rieble spricht die FAS (Rainer Hank) über den VW-Betriebsratsvorsitzenden, der gleichzeitig im Aufsichtsrat sitze ("Betriebsräte haben im Aufsichtsrat ihres eigenen Unternehmens nichts zu suchen") und über überhöhte Gehälter und Abhängigkeitsstrukturen, die auch einer Aufklärung der Abgas-Affäre entgegenstehen: "Die Straftat heißt 'Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern'", sie sei aber als Antragsdelikt ein zahnloser Tiger, denn "Alle sind im Filz befangen."
Versorgungsausgleich: Die Professorin für Wirtschaftsjournalismus Barbara Brandstetter schreibt in der Samstags-FAZ ausführlich über die Möglichkeit eine Neuberechnung des Versorgungsausgleichs zu beantragen. Menschen, deren Ehe zwischen 1977 und 2009 geschieden wurde, können bei einer Berechnung der auszugleichenden Rente nach neuem Recht einen höheren Anspruch haben oder der Ex-Partner einen niedrigeren.
Schirachs "Terror": Der "Jurist und Literat" Alexander Kluge rezensiert im Spiegel eingehend Ferdinand von Schirachs Theaterstück: "Sowohl der literarische Autor wie der Jurist Schirach nimmt die Rechtsordnung ernst. Für ihn ist der Rechtsstaat nicht diskutierbar." "Es ist ein Zeichen für gutes Theater, wenn es uns auf einen nicht manipulierten Prüfstand für unser ideologisches Abgas stellt."
Juristisches Denken: Markus Felber (NZZ) kritisiert, dass das juristische Denken im "Rechtsalltag zunehmend einem ergebnisorientierten Hantieren" weiche. Die juristische Argumentation folge dabei dem vom Bauch gefassten Ergebnis.
Das Letzte zum Schluss
Der Umwelt zuliebe: Wäsche auf Leinen in Gärten und auf Balkonen erinnerte an Slums und erschien als Vorstufe zur Anarchie, also waren sie in den meisten Häusersiedlungen kalifornischer Städte einfach verboten. Um Sonne und Luft anstelle der Strom fressenden Wäschetrockner nutzbar zu machen, hat Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown nun ein Gesetz unterzeichnet, was es untersagt das outdoor-Wäschetrocknen zu verbieten. Das melden Montags-FAZ und Montags-Welt.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. - 12. Oktober 2015: Hau-Ruck-Aktion Asylrecht – Fragezeichen hinter Tarifeinheit – Selfie-Extremismus . In: Legal Tribune Online, 12.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17165/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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