Auch weiterhin nur wenig zu Lachen für Jan Böhmermann: Präsident Erdogan stellt einen Strafantrag. Außerdem in der Presseschau: Claudia Roth hat in Köln "mittelbar mitvergewaltigt" und das BAMF auf Personalsuche.
Thema des Tages
StA Mainz – Jan Böhmermann: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat wegen des berüchtigten Schmähgedichts Jan Böhmermanns nun auch einen persönlichen Strafantrag gegen den Satiriker gestellt. Berufen werde sich dabei auf eine Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch (StGB), schreibt spiegel.de (Hasnain Kazim). Die Staatsanwaltschaft Mainz habe den Vorgang bestätigt und prüfe nun den Antrag. Gleichzeitig werde von Böhmermann eine Unterlassungserklärung gefordert, in der er bekunde, "Verunglimpfungen und Beleidigungen nicht zu wiederholen". Ob nun auch die Bundesregierung ihrerseits die nach § 104a StGB erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt, werde nach Aussage von Regierungssprecher Steffen Seibert derzeit geprüft, mit einer Entscheidung sei in einigen Tagen zu rechnen. Hierzu berichtet unter anderem die SZ (Stefan Braun/Hannes Vollmuth). Einen Überblick zu den Entwicklungen liefert der Tsp (Jost Müller-Neuhof u.a.). in Frage-und-Antwort-Form.
Heribert Prantl (SZ, erweiterte Online-Fassung) meint, dass die Bundesregierung "nicht mehr lang herumeiern", sondern der Justiz die ihr obliegende Entscheidung über eine etwaige Strafbarkeit ohne jegliche Beeinfussung überlassen sollte. Auf einem anderen Blatt stehe die gebotene Abschaffung des § 103 StGB. Als "Überrest aus obrigkeitsstaatlichen und monarchischen Zeiten" bestehe für eine schwerer wiegende Beleidigung eines Staatsmanns gegenüber jener "anderer Menschen" im 21. Jahrhundert kein Bedürfnis mehr.
§ 103 StGB und Satire: Analysen zu Historie und Dogmatik des § 103 StGB liefern die taz (Christian Rath) sowie Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler auf lto.de. Privatdozent Alexander Thiele setzt sich auf verfassungsblog.de mit der "verfassungsrechtlichen Dimension der causa Jan Böhmermann" auseinander. Auch die FAZ (Reinhard Müller) leuchtet unter der Bezugnahme auf zahlreiche Beispiele in einem ausführlichen Beitrag den Umfang grundgesetzlich garantierter Meinungs- und Kunstfreiheit und mögliche Begrenzungen aus.
Rechtspolitik
Zukunft der Bundeswehr: Ein vom Bundesverteidigungsministerium erstellter Entwurf eines sicherheitspolitischen Weißbuches zur Zukunft der Bundeswehr fordert nach dem Bericht der SZ (Stefan Braun/Christoph Hickmann), Armeeeinsätze "zur Gefahrenabwehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen". Neben möglichen Verfassungsänderungen zugunsten eines Bundeswehreinsatzes im Inland sei nach dem Entwurf auch eine Überprüfung der geltenden Regelungen zu Auslandseinsätzen angezeigt. Der nun vorliegende Entwurf werde weiter, zunächst innerhalb der Bundesregierung, diskutiert.
Steuerflucht: Am heutigen Dienstag will die EU-Kommission ihre Pläne zur Bekämpfung von Steuerflucht vorstellen. Die SZ (Cerstin Gammelin/Alexander Mühlauer) beleuchtet deren Inhalt sowie aktuelle Überlegungen aus dem Bundesfinanzministerium zu der Frage.
Ein-Personen-Gesellschaften: Das Hbl (Ruth Berschens u.a.) berichtet zu Plänen einer Einführung sogenannter Societas Unius Personae, "quasi anonymen" Ein-Personen-Gesellschaften. Gegen die Stimme Deutschlands hätten die EU-Justizminister der entsprechenden Richtlinie der EU-Kommission bereits zugestimmt, aktuell liege der Gesetzentwurf beim Europäischen Parlament. Kritiker bemängelten zum Missbrauch einladende, abgesenkte Standards.
Sexistische Werbung: Zur Diskussion über ein Verbot sexistischer Werbung kommentiert Anja Stehle (Hbl), dass Werbung keine Realität schaffe, sondern deren Abbild sei. Dementsprechend müssten "noch existierenden Verirrungen im Geschlechterbild" gesellschaftliche Realitäten entgegengestellt werden. Die Bundesregierung täte gut daran, hierbei – etwa in der Frage gleicher Bezahlung im Beruf – Fakten zu schaffen und im Übrigen auf die selbstregulierenden Kräfte von Markt und Gesellschaft zu vertrauen. Heide Oestreich (taz) behauptet dagegen, dass "Werbung wirkt". Die von ihr geschaffenen Bilder trügen zu Essstörungen und "Mädchen, die meinen, sie hätten keine Daseinsberechtigung, wenn sie Männern nicht gefallen" bei. Gerade diesem jugendschützerischen Anliegen wäre ohne Verbote besser geholfen, der wirtschaftsfinanzierte Werberat aber habe bislang nicht bewiesen, dass er sexistische Werbung problematisiere.
Mietspiegel: Nach Bericht der FAZ (Joachim Jahn) hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) seine Pläne zur Reform des Mietrechts leicht entschärft. So solle nach dem der Zeitung vorliegenden Entwurf bei Mietspiegeln die Vertragspreise der jeweils letzten acht und nicht wie bislang geplant zehn Jahre zugrunde gelegt werden. Nach geltendem Recht werden die letzten vier Jahre berücksichtigt.
Justiz
OLG Köln zu "Mitvergewaltigung": Die vom AfD-Politiker Markus Frohnmaier im Januar getätigte Aussage, "Multikulti"-Politiker wie Claudia Roth hätten bei den Kölner Silvesterübergriffen "mittelbar mitvergewaltigt", stellt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln keine unzulässige Schmähkritik dar und ist durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Die von Roth erhobene Beschwerde gegen eine gleichlautende Entscheidung des Landgerichts Köln wurde damit abgewiesen, schreibt lto.de (Marcel Schneider). Frohnmaiers Äußerungen seien zwar polemisch-provokant und überspitzt formuliert, aus dem Munde eines Landtagskandidaten aber noch in einen sachlichen Gesamtkontext einzuordnen, so das Gericht. Zudem habe Frohnmaier klargestellt, dass seine Äußerung gerade nicht im Sinne einer juristischen Bewertung gemeint gewesen sei.
OLG München – Gurlitt-Erbe: Die FAZ (Stefan Koldehoff) erinnert im Feuilleton an den beim Oberlandesgericht München anhängigen Streit über das Erbe Cornelius Gurlitts. Dessen Cousine Uta Werner stelle die Testierfähigkeit des Erblassers in Frage und habe hierzu nun auch entsprechende Gutachten eingereicht. Das im Testament bedachte Kunstmuseum Bern plane derweil im Verbund mit der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn eine große Ausstellung mit Werken aus dem Gurlittschen Nachlass.
AG Düsseldorf – Silvesterübergriffe: Vor dem Amtsgericht Düsseldorf muss sich ein 33-Jähriger wegen eines sexuellen Übergriffs in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt in der Silvesternacht verantworten. Das mutmaßliche Opfer hatte den aus Marokko stammenden Angeklagten einige Tage nach dem Vorfall in einem Fernsehbericht, in dem er als "König der Diebe" dargestellt wurde, wiedererkannt und dann eine Anzeige erstattet, schreibt die FAZ (Reiner Burger). Die Welt (Kristian Frigelj) berichtet ebenfalls.
ArbG Gelsenkirchen zu Gewerkschaftsaustrittsprämie: Eine von einem Arbeitgeber ausgelobte Prämie für den Austritt aus der Gewerkschaft ist als Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit rechtswidrig. Dies entschied das Arbeitsgericht Gelsenkirchen in einem Urteil vom März. Die Rechtsanwälte Andre Zimmermann und Louisa Kallhoff (Handelsblatt-Rechtsboard) stellen die im Einklang mit Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehende Entscheidung vor. Berichtet hatte zuvor auch lto.de.
Recht in der Welt
EU – Visapflicht für US-Amerikaner: Nach Bericht der Welt (Christoph B. Schiltz) berät die EU-Kommission am heutigen Dienstag über die Einführung einer Visapflicht für US-Amerikaner und Kanadier. Bereits vor zwei Jahren habe die Kommission klargestellt, dass sie die in Nordamerika nach wie vor bestehende Visapflicht für fünf vorwiegend osteuropäische Mitgliedsstaaten nicht hinnehmen wolle, speziell die USA hätten sich jedoch einer Vereinfachung ihrer Einreisebestimmungen verwehrt.
USA – VW: Ein ausführlicher Beitrag der SZ (Thomas Fromm/Klaus Ott) zur Diskussion über die Vertretbarkeit von Bonuszahlungen an VW-Manager in Millionenhöhe weist darauf hin, dass eine letztliche Entscheidung eine bis in die USA reichende Signalwirkung besitze. Die dort von einem kalifornischen Bundesrichter bestimmte Frist zur Einigung mit Schadensersatzklägern laufe am 21. April ab. Für Carsten Germis (FAZ) ist im Leitartikel des Blattes die Diskussion über Boni beim Autobauer ein "erschreckendes Beispiel dafür, wie weit sich Teile der Managerklasse von der Gesellschaft" entfernt hätten.
Sonstiges
BAMF-Mitarbeiter: Nach des Bericht des Hbl (Bert Fröndhoff u.a.) wendet sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aktuell an die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PwC, KPMG, Deloitte und EY mit der Bitte um personelle Unterstützung bei der Bewältigung der großen Menge zu prüfender Asylanträge. Bereits ab Mai könnten die neuen Mitarbeiter von ihren regulären Jobs freigestellt und bei Antragsprüfungen eingesetzt werden. Zur Zeit würden bereits Mitarbeiter der Telekom und der Deutschen Post übergangsweise für das BAMF arbeiten, daneben sei nach wie vor eine Aufstockung von festen Stellen geplant.
Lookalike-Werbung: Der frühere Fußballstar Pelé hat in den USA einen großen Elektronikkonzern verklagt, weil der sich in einer Werbeanzeige eines Doppelgängers des Altstars bedient haben soll. Rechtsanwalt David Ziegelmayer erklärt auf lto.de, auch unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung, unter welchen Umständen eine solche Lookalike-Werbung auch in Deutschland Schadensersatzansprüche begründen kann.
Familienverfassung: Das Hbl (Lara Sogorski) stellt Familienverfassungen als Möglichkeit vor, Konflikte in familiengeführten Unternehmen zu vermeiden. In einem weiteren Beitrag (Lara Sogorski) wird Rechtsanwältin Ilka Heigl zu möglichen Inhalten derartiger Familienverfassungen befragt.
Das Letzte zum Schluss
Inspiration: Modedesign ist ganz bestimmt kein leichter Job. Ein Beispiel dafür, wo und vor allem wie ein derart Kreativer nicht nach Inspiration suchen sollte, lieferte der Italiener Massimo Piombo. Nach Bericht der FAZ (Alfons Kaiser) nutzte der "aufstrebende Designer" aus Italien einen Besuch bei einer für die französische Luxusmarke Hermés tätigen Weberei in Lyon unter anderem dafür, dort archivierte Stoffmuster in seinen Socken und einer Jackentasche zu verstecken. Für die nach eigener Aussage "gedankenlose Tat" verurteilte ihn jetzt ein französisches Gericht zu einer Geldstrafe und Schadensersatz.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. April 2016: Staatsaffäre Böhmermann / "Mitvergewaltigung" / Neues BAMF-Personal . In: Legal Tribune Online, 12.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18969/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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