Das Landgericht Traunstein urteilt zum Zugunglück von Bad Aibling. Außerdem in der Presseschau: AfD gegen Rundfunkbeitrag, Hausbesetzer-Urteil in Hamburg, Blatters Funktionärskarriere ist vorbei und Wahlkampf bei der Polizei.
Thema des Tages
LG Traunstein zu Bad Aibling: Beim Zugunglück von Bad Aibling im vergangenen Februar starben zwölf Menschen, knapp 90 wurden, zum Teil lebensgefährlich, verletzt. Das Landgericht Traunstein hat den hierzu angeklagten Fahrdienstleiter nun wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Der Verurteilte habe sich vor dem Zusammenstoß zweier Züge durch ein Handyspiel ablenken lassen und damit eine "Kette von Einzelfehlern" ausgelöst, gibt die FAZ (Karin Truscheit) die mündliche Urteilsbegründung wieder. Die technische Ausstattung der Strecken habe bei der Beurteilung der Schuld keine Rolle gespielt. Weitere Berichte bringen Welt (Gisela Friedrichsen) und spiegel.de (Benjamin Schulz).
Annette Ramelsberger (SZ) kommentiert, dass der Unfall nicht als "tragisch" im Sinne von "unausweichlich, vorherbestimmt" bezeichnet werden könne, weil er "bis zum Schluss verhindert" hätte werden können. Dies unterblieb, weil der Verurteilte seinen Job nicht gemacht habe. Dementsprechend könne er trotz der immensen Folgen für ihn selbst auch nicht "nur als Opfer" gesehen werden.
Rechtspolitik
Datenschutz: Das Bundesinnenministerium hat vor Kurzem den Referentenentwurf eines neuen Bundesdatenschutzgesetzes zur Stellungnahme übermittelt. Die Regelungen sollen auch Öffnungsklauseln der ab Mai 2018 unmittelbar geltenden EU-Datenschutz-Grundverordnung ausnutzen. In der ausführlichen Vorstellung von Rechtsanwalt Tim Wybitul auf lto.de erfahren sie jedoch Kritik. Das postulierte Ziel, die Wirtschaft bei der Umsetzung europarechtlicher Datenschutzvorgaben zu unterstützen, sei zwar anerkennenswert. Die erdachten Regelungen seien jedoch so "komplex, wenig übersichtlich und selbst für Experten schwierig zu verstehen", dass es fraglich sei, ob dieses Ziel erreicht werde.
Meinungsfreiheit: Jost Müller-Neuhof (Tsp) erinnert in einem Kommentar daran, dass die grundgesetzliche Meinungsfreiheit auch "Hass und Hetze" sowie "extremistische und sogar rechts- und verfassungswidrige Ansichten inklusive einer guten Portion Menschenverachtung" schütze. Zu berücksichtigende Grenzen seien flexibel und eröffneten gerade hierdurch "Spielräume" und damit Freiheit. Letzteres sei von den Initiatoren der "Charta der digitalen Grundrechte", die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, ungenügend berücksichtigt worden.
Rentenansprüche von Strafgefangenen: Die SZ (Sebastian Fischer) berichtet über die von Interessenverbänden vorgebrachte Forderung nach Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung. Nach Angabe des Bundesarbeitsministeriums scheitere ein derartiges Vorhaben bislang an Finanzierungsvorbehalten der Länder. Aktuell sei für das kommende Frühjahr die Tagung einer Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialminister geplant.
Steuerzinsen: Das Hbl (Martin Greive) hat Kenntnis von einem von der CDU erarbeiteten Gesetzentwurf erlangt, durch den der für Steuernachzahlungen und -erstattungen erhobene Zinssatz von sechs Prozent um die Hälfte halbiert werden soll. Die Durchsetzung des Vorhabens erscheine fraglich, weil das Bundesfinanzministerium zu hohen Verwaltungsaufwand geltend mache und die Länder um Einnahmen fürchteten.
Rundfunkbeitrag: Über ihre zehn Landtagsfraktionen will die AfD die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge mit dem Ziel der Abschaffung des Rundfunkbeitrags erreichen. Ob hiermit auch die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beabsichtigt werde, sei in der Partei noch nicht geklärt, berichtet die Welt (Matthias Kamann).
Justiz
BVerwG – Elbvertiefung: Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Woche vor Weihnachten an drei Terminen mündliche Verhandlungen im Verfahren zur Zulässigkeit der Elbvertiefung angesetzt. Die beteiligten Hamburger Behörden und der Hafenbetreiber hofften daher auf einen baldigen Abschluss des Verfahrens, schreibt die FAZ (Christian Müßgens). Die klagenden Umweltverbände sähen dagegen noch weiteren Klärungsbedarf und hielten auch eine erneute Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofs für möglich.
OLG München – NSU: Im NSU-Verfahren am Oberlandesgericht München will die Hauptangeklagte am kommenden Donnerstag Antworten des Gerichts zum Fall Peggy verlesen lassen. Dies meldet lto.de.
OLG Oldenburg zu Rentenansprüchen: Die in einer Ehe erworbenen Rentenansprüche werden bei einer Scheidung dann nicht geteilt, "wenn dies grob unbillig wäre". Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg nach Meldung von spiegel.de klargestellt. Im Fall hatte der geschiedene Ehemann nach der Trennung seine Frau angegriffen und lebensgefährlich verletzt.
LAG Köln zu Verzugspauschale: Aus Anlass der bejahenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln zum Anspruch auf die allgemeine zivilrechtliche Verzugspauschale auch auf Lohnzahlungen stellt Rechtsanwalt Alexander Ulrich (Handelsblatt-Rechtsboard) dieses und andere Urteile sowie die Rechtsproblematik und Praxisfolgen vor.
LG Bochum – Werner Mauss: Im Steuerverfahren gegen den mutmaßlichen Geheimagenten Werner Mauss vor dem Landgericht Bochum hat eine Steuerfahnderin beschrieben, dass für das fragliche Luxemburger Konto des Angeklagten relativ detaillierte Bestimmungen für den Todesfall getroffen worden seien. Nach dem Bericht der SZ (Ralf Wiegand) hat ferner die Bundesregierung dem früheren Staatsminister Bernd Schmidbauer (CDU) eine Aussagegenehmigung erteilt. Am kommenden Montag soll der Politiker zur Behauptung des Angeklagten vernommen werden, das in seinem Namen geführte Konto sei zur Finanzierung seiner Missionen eingerichtet worden.
LG Hamburg zu Hausbesetzung: Nach 46 Verhandlungstagen hat das Landgericht Hamburg vier Heranwachsende unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Verurteilten hatten im August 2014 im Umfeld eines Hausbesetzerkongresses ein leerstehendes Haus im Stadtteil Altona besetzt und sich gegen die polizeiliche Räumung "militant verteidigt", schreibt die taz-Nord (Katharina Schipkowski). Kai von Appen (taz-Nord) bedauert in seinem Kommentar, dass die Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht mehr interessiere, "was von den falschen Anschuldigungen der Strafverfolgungsbehörden übrig geblieben ist." Ursprünglich war ein gemeinschaftlich versuchter Totschlag angeklagt worden.
LG Frankfurt/M. zu S&K: Das Hbl meldet die erste Verurteilung im S&K-Verfahren am Landgericht Frankfurt am Main. Das Gericht verurteilte einen Wertpapierhändler zu fünf Jahren und drei Monaten Haft.
VG Köln – Transparenz: Vor dem Verwaltungsgericht Köln versucht netzpolitik.org (Arne Semsrott) das Bundesgesundheitsministerium zur Freigabe bislang geheimgehaltener Domainlisten zu bewegen. Es bestehe der Verdacht, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik durch die Geheimhaltung Sicherheitslücken behördlicher Webseiten verschleiere. Der klagende Autor bedient sich dabei des Projekts "transparenzklagen.de" das nun auch von lto.de vorgestellt wird.
VG Berlin zu Kinderpornographie: Das Verwaltungsgericht Berlin hat Disziplinarklagen der Senatsverwaltung für Bildung mit dem Ziel der Entlassung zweier Lehrer abgewiesen. Die Betroffenen waren wegen des Besitzes kinderpornographischen Materials strafrechtlich verurteilt worden. Die unterlegene Senatsverwaltung wolle gegen die Entscheidung in die Berufung gehen, meldet lto.de.
StA Freiburg – Sexualmord: In einem Kommentar zur Berichterstattung im Fall des wegen Vergewaltigung und Ermordung einer Freiburger Studentin festgenommenen Tatverdächtigen konzediert Reinhard Müller (FAZ), dass Einordnung und Art und Weise der Erzählung "eine Herausforderung" blieben, weil der Tatverdächtige ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling ist. Wenn aber "von vornherein krampfhaft möglicher Beifall von der "falschen Seite" vermieden" werden solle, indem gar nicht berichtet würde, dann sichere man sich gerade diesen Beifall.
Recht in der Welt
CAS – Sepp Blatter: Der Internationale Sportgerichtshof (Court of Arbitration for Sport, CAS) hat den Einspruch des früheren FIFA-Chefs Sepp Blatter gegen seine vom Weltverband verhängte Ethiksperre abgewiesen. Nach den Feststellungen des Gerichts habe es sich bei der Zahlung, mit der die Sperre begründet wurde, gerichtet an den mittlerweile ebenfalls gesperrten früheren UEFA-Präsidenten Michel Platini, um ein "unangemessenes Geschenk ohne Vertragsgrundlage" gehandelt. Blatters Version einer verspäteten Gehaltszahlung für eine frühere Beratertätigkeit Platinis sei dagegen unglaubwürdig, so die SZ (Thomas Kistner) in ihrem Bericht. Ermittlungen der Schweizer Justiz wegen Untreue des Funktionärs liefen derweil weiter.
ICTY – Ratko Mladic: Im Verfahren gegen Ratko Mladic vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat nach Meldung der taz das Plädoyer der Anklage begonnen. Das Urteil werde für das kommende Jahr erwartet.
Großbritannien – Brexit: Die wichtigsten Fragen zu dem gestern am britischen Supreme Court begonnenen Brexit-Verfahren stellt zeit.de (Sascha Zastiral) ausführlich dar.
Brasilien – Korruption: Das Oberste Gericht Brasiliens hat den Senatspräsidenten des Landes vorläufig abgesetzt. Grund seien Ermittlungen gegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, meldet zeit.de. Der Politiker gelte als enger Vertrauter des Präsidenten Michel Temer.
Sonstiges
Autorennen: Den früheren Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) befragt die SZ (Sebastian Fischer) zu der von ihm unterstützen Forderung nach strengerer Bestrafung von Teilnehmern sogenannter illegaler Autorennen. Schramma gründete einen Opferhilfeverein, nachdem sein Sohn 2001 als unbeteiligter Fußgänger bei einem solchen Rennen in Köln zu Tode kam.
Das Letzte zum Schluss
Wahlkampf: Nicht nur in den USA, auch bei der Berliner Polizei wird Wahlkampf mit allen Mitteln betrieben. focus.de berichtet, dass eine unabhängige Liste für die anstehenden Personalratswahlen den Amtsinhaber mit einem Nachruf, nach dem er sich "von der Wahrheit im Leben verabschiedet" habe, angegriffen haben soll. In der Einschätzung eines GdP-Sprechers bewege sich die Äußerung an der Grenze zur Strafbarkeit.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. Dezember 2016: Fahrdienstleiter verurteilt / Hausbesetzung in Hamburg / Blatter bleibt gesperrt . In: Legal Tribune Online, 06.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21330/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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