Der BGH gibt den Landesregierungen beim Schutz vor Mieterhöhungen großen Freiraum. Außerdem in der Presseschau: Transitzonen und ihr Vorbild, BAG zählt Leiharbeiter als Arbeitnehmer und BGH rüffelt Buchautorin Ursula Sarrazin.
Thema des Tages
BGH zu Kappungsgrenzen im Mietrecht: Seit 2013 können Landesregierungen in Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt die Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen per Verordnung von 20 Prozent auf 15 Prozent absenken. Berlin hat hiervon für das gesamte Stadtgebiet Gebrauch gemacht. Ein Vermieter aus dem Wedding fand, dass der Senat die Verordnung auf bestimmte Stadtbezirke hätte beschränken müssen. Der BGH bestätigte dagegen die Berliner Verordnung. Der Senat habe einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Feststellung, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und tagesschau.de (Klaus Hempel). Der Anwalt Dominik Schüller stellt auf lto.de das Urteil vor.
Wolfgang Janisch (SZ) lobt Kappungsgrenzen und ähnliche Instrumente als "wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden". Sie sollten allerdings nicht überschätzt werden. "Solche Regelungen können allenfalls die schlimmsten Auswüchse verhindern."
Rechtspolitik
Forensische Psychiatrie: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, wonach bei der Einweisung von Straftätern in die Psychiatrie künftig das Verhältnismäßigkeitsprinzip besser beachtet werden soll. Unter anderem sollen Gutachter in kürzerer Abfolge als bisher beurteilen, ob die Unterbringung in der Psychiatrie noch gerechtfertigt ist, meldet lto.de.
Transitzonen: Am heutigen Donnerstag treffen sich die Parteichefs der großen Koalition erneut, um über die Einführung von Asyl-Schnellverfahren in Transitzonen an der Grenze zu beraten. Hannah Birkenkötter beschreibt auf verfassungsblog.de mit Blick auf das bereits bestehende Flughafenschnellverfahren, dass es unterschiedliche Sichtweisen gebe, ob Asylantragsteller während derartiger Verfahrens inhaftiert seien oder nicht. Auch die SZ (Heribert Prantl) betrachtet die Transitzonen vor allem mit Blick auf das Flughafenverfahren und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu. Außerdem werden Unterschiede zum SPD-Konzept der Einreisezentren herausgearbeitet.
Suizidhilfe: Am morgigen Freitag entscheidet der Bundestag, ob und wie die Suizidhilfe in Deutschland gesetzlich neu geregelt werden soll. Die taz (Heike Haarhoff) gibt auf einer Seite einen Überblick über die Gesetzentwürfe und lässt die Protagonisten (Renate Künast, Kerstin Griese, Patrick Sensburg, Peter Hintze) selbst zu Wort kommen.
Das Bundesjustizministerium hatte 2014 gegenüber Abgeordneten gewarnt, dass eine Bestrafung der "geschäftsmäßigen Förderung" der Selbsttötung auch Ärzte treffen könne, wenn diese mehrfach Suizidbeihilfe leisteten. Dies sei, so der Tsp (Jost Müller-Neuhof), auch für aktuelle Gesetzentwürfe relevant.
WLAN-Gesetz: Ebenfalls am Freitag soll im Bundestag das WLAN-Gesetz beschlossen werden. Im Bundesrat haben Ausschüsse beantragt, dass in das Gesetz noch ein zivilrechtliches Auskunftsrecht gegenüber den Internet-Providern aufgenommen werden soll. Wer sich durch Aussagen im Netz in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt, soll auch ohne Strafverfahren und Richtervorbehalt erfahren können, welchem Anschlussinhaber eine IP-Adresse zugeordnet war. Über die rechtspolitische Diskussion berichtet die taz (Svenja Bergt).
Baurecht für Asylheime: jurop.org (Johannes Schulte) stellt den neugefassten § 246 BauGB (Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte) vor. Die Vorschrift war Teil des jüngst beschlossenen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes.
Überwachung: Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, kritisiert im Interview mit der SZ (Jannis Brühl) die zunehmenden Überwachungsgesetze in den europäischen Staaten. Als Gegensteuerung schlägt er vor: "Die Parlamente sollten mitreden, über Überwachung müssen Richter entscheiden, und die Aufseher dürfen nicht zahnlos sein."
Justiz
BAG zu Leiharbeitern und Schwellenwerten: Für die Frage, nach welchem Wahlverfahren Arbeitnehmer in mitbestimmungspflichtigen Betrieben ihre Aufsichtsräte wählen, kommt es laut Gesetz auf die Zahl der Beschäftigten im Betrieb an. Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass bei der Bestimmung der Beschäftigtenzahl die Leiharbeiter mitzuzählen sind. Über das Urteil und die Schlussfolgerungen berichten die SZ (Detlef Esslinger) und die BadZ (Christian Rath).
In einem separaten Kommentar erklärt Detlef Esslinger (SZ), dass das BAG wohl auch bei der Frage, ob ein Betrieb mitbestimmungspflichtig ist, die Leiharbeiter mitzählen wird. Die Gewerkschaften müssten in einem passenden Fall nur noch klagen.
BGH zu Persönlichkeitsrechten: Nun berichtet auch der Tsp (Jost Müller-Neuhof) über das Urteil des Bundesgerichtshofs, das einer schreibenden Lehrerin Aussagen über Leistungsschwächen einer namentlich genannten Grundschülerin verbot. Es wird dabei offengelegt, dass es um das Buch "Hexenjagd" von Ursula Sarrazin ging, der Ehefrau des Berliner Ex-Finanzsenators.
OLG Koblenz zu Himmelslaternen: Wer chinesische Himmelslaternen starten lässt, muss nach § 830 Bürgerliches Gesetzbuch auch dann für einen in der Nähe ausbrechenden Brand haften, wenn die Kausalität nur möglich, aber nicht erwiesen ist. Das hat laut lto.de das Oberlandesgericht Koblenz entschieden.
LG München zu FDJ-Emblem: Das Landgericht München hat einen Mann freigesprochen, der bei einer Demonstration eine FDJ-Fahne getragen habe. Er war angeklagt, weil er das Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation gezeigt habe. Die taz (Margarete Moulin) berichtet und stellt auch die infolge der Wiedervereinigung verwickelte Rechtslage dar.
BVerfG - Bundeswehr und Parlament: Die Grünen haben eine Organklage gegen die Bundesregierung eingereicht, meldet die FAZ. Die Regierung habe den Bundestag nicht umfassend und frühestmöglich über die Einzelheiten des EU-Einsatzes gegen Schlepper informiert.
LG Hamburg - Kindesmisshandlung: An diesem Donnerstag beginnt am Landgericht Hamburg der Prozess gegen einen Vater, der sein wenige Wochen altes Kind schwer verletzt hat. Er ist wegen wegen gefährlicher und schwerer Körperverletzung sowie Misshandlung von Schutzbefohlenen angeklagt, berichtet spiegel.de.
StA München II - Hubert Haderthauer: Die Staatsanwaltschaft München II hat den Mann der CSU-Politikerin Christine Haderthauer wegen Steuerhinterziehung und Betrugs angeklagt, so spiegel.de. Hubert Haderthauer und ein weiterer Beschuldigter sollen einen Ex-Mitgesellschafter ihrer Modellbau-Firma um rund 84.400 Euro betrogen haben. Die Firma verkaufte teure Modellautos, die Straftäter in der forensischen Psychiatrie gebaut hatten, in der Haderthauer arbeitete.
LG Detmold - Auschwitz-Wachmann: Nun berichtet auch die taz (Klaus Hillenbrand) über die Anklage gegen einen heute 93-jährigen ehemaligen SS-Wachmann des Vernichtungslagers Auschwitz. Das Landgericht Detmold wird in den kommenden Wochen über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden.
Asylprozesse: In der Reihe "Asyl-Irrsinn in Deutschland" schildert Bild (Stephan Kürty) den Fall eines abgelehnten afghanischen Asylbewerbers, der wegen schlecht organisierter und überlasteter Gerichte vier Jahre nach Stellung des Asylantrags immer noch auf eine rechtskräftige Entscheidung wartet.
Recht in der Welt
Großbritannien - Investigatory Power Bill: Nun stellen auch die FAZ (Jochen Buchsteiner) und netzpolitik.org (Nikolai Schnarrenberger) die englischen Regierungspläne für ein neues Überwachungsgesetz vor. Kern ist eine zwölfmonatige Vorratsdatenspeicherung, die auch die Browsing-Chronik im Internet umfasst. Auch verschlüsselte Kommunikation soll über "Hintertüren" überwacht werden können.
EGMR - Leugnung des Völkermords an Armeniern: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Hüseyin Çelik kritisiert auf verfassungsblog.de das im Oktober ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in dem die Verurteilung eines türkischen Nationalisten in der Schweiz wegen Verletzung der Meinungsfreiheit gerügt wurde. Dieser hatte den Völkermord an den Armeniern als "imperialistische Lüge" bezeichnet. Çelik findet das Urteil blauäugig und enttäuschend. Die Unterscheidung zwischen dem Holocaust und anderen Völkermorden sei nicht nachvollziehbar. In der Türkei sei der Eindruck entstanden, es sei nun höchstgerichtlich festgestellt, dass kein Genozid an Armeniern stattgefunden habe.
Das Letzte zum Schluss
Falsches Polizeiopfer: Der US-Polizist Charles Joseph Gliniewicz hatte im September über Funk Verstärkung angefordert. Er verfolge drei Verdächtige. Als die Verstärkung eintraf, lag Gliniewicz erschossen in der Nähe seines Wagens. Hunderte Polizisten suchten nach dem Täter. Laut FAZ hat sich jetzt aber herausgestellt, dass es sich um einen "sorgfältig inszenierten Suizid" handelte. Gliniewicz habe jahrelang Geld aus der Jugendarbeit der Polizei veruntreut.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. November 2015: BGH zu Mieterschutz / BAG zu Leiharbeitern / BGH zu Ursula Sarrazzin . In: Legal Tribune Online, 05.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17438/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
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