Nun ist plötzlich auch die große Koalition für das Prinzip "Nein heißt Nein". Außerdem in der Presseschau: Ex-Geliebte von Jörg Kachelmann hat beim BVerfG Erfolg und Bundesamt für Flüchtlinge sucht Anwälte ohne Asyl-Kompetenz.
Thema des Tages
Sexualstrafrecht: Die Spitzen der Koalition bekennen sich erstmals zum Prinzip "Nein heißt Nein" im Sexualstrafrecht. Die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU/CSU) und Thomas Oppermann (SPD) schwenken unter dem Druck der Frauen aus ihren Fraktionen damit auf den Kurs der Oppositionsfraktionen Grüne und Linke ein. Der bisherige Regierungsentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) wollte zwar einige Lücken im Sexualstrafrecht schließen, ohne allerdings jede sexuelle Handlung gegen den erklärten Willen eines anderen unter Strafe zu stellen. Über die Wende der Koalitionsführungen berichtete zunächst die BamS (Angelika Hellemann/Miriam Hollstein), dann auch die Montags-FAZ (Johannes Leithäuser) auf der Titelseite.
Christian Rath (taz.de) warnt, dass der vermeintliche Durchbruch nur eine Finte sein könnte. Union- und SPD-Politiker hätten sich schon mehrfach zu "Nein heißt Nein"-Lösungen bekannt, dabei aber anderes gemeint.
Rechtspolitik
TTIP: Die SZ bekam Dokumente aus den Verhandlungen über den EU-US-Handelsvertrag TTIP zugespielt und stellt diese auf einer Doppelseite vor. Dabei befasst sich die Montags-SZ (Michael Bauchmüller/Silvia Liebrich) unter anderem mit der geplanten Kooperation bei der Gesetzgebung. Dabei wolle die USA, dass sich die Europäer bei der Schaffung neuer Gesetze verpflichten, Alternativen zu prüfen. Die EU will sich dazu jedoch nicht verpflichten. Außerdem beschreibt die Montags-SZ (Alexander Hagelüken/Alexander Mühlauer/Jan Wilmroth) die Diskussionen um Schiedsgerichte zum Investorenschutz. Über den EU-Vorschlag eines staatlichen Handelsgerichtshofs sei noch nicht verhandelt worden, die USA beharrten nach wie vor auf privaten Schiedsgerichten.
Heribert Prantl (Montags-SZ) bezeichnet TTIP im Leitartikel als "Wirtschaftsgrundgesetz der Superlative", das tief in die Politik und Sozialkulturen eingreife. Die geleakten Papier zeigten, "dass die Realität der Verhandlungen die dunklen Ahnungen noch übertrifft." Möglicherweise komme das Abkommen wegen des "US-Starrsinns" aber gar nicht zustande.
Kameras im Gericht: Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, kritisiert im Interview mit der Montags-SZ (Detlef Esslinger - sz.de-Zusammenfassung) die Pläne von Justizminister Heiko Maas zur Zulassung von TV-Übertragungen der Urteile von Bundesgerichten. Dass dies nur mit Zustimmung des jeweiligen Senatsvorsitzenden möglich sein soll, helfe nicht, da gegen die Verweigerung wohl erfolgreich das Bundesverfassunsgericht angerufen werden könne.
Elektronische Fußfessel: Die Justizminister von Bayern und Hessen wollen im Rahmen der Führungsaufsicht entlassener Strafäter die Anwendung der elektronischen Fußfessel ausweiten, berichtet die Samstags-FAZ (Eckart Lohse). Sie soll bei Unterstützern einer terroristischen Vereinigung, die nach der Entlassung als Gefährder gelten schon nach einjähriger Freiheitsstrafe angewandt werden (sonst sind drei Jahre Strafe erforderlich). In einer separaten Reportage schildert die Samstags-FAZ (Eckart Lohse) die Arbeit der Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL) in Bad Vilbel. Dort gehen die von den Fußfesseln ausgelösten Alarme ein.
§ 103 StGB: Die Samstags-FAZ (Günter Bannas) schildert den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas "zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten" und den Stand des Verfahrens.
Landesverfassung SH: Nachdem der Landtag von Schleswig-Holstein 2014 eine Verfassung ohne Gottesbezug beschlossen hat, schlägt nun eine interfraktionelle Initiative folgenden Kompromissformel vor: "In Achtung der Verantwortung, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt." So soll auf eine Volksinitiative reagiert werden, die den Gottesbezug auf direktdemokratischem Wege in die Verfassung bringen will. Die Samstags-FAZ (Frank Pergande) schildert die Diskussion.
Geheimdienstkontrolle: In einem Beitrag für die Montags-taz warnt Ex-Linke-MdB Wolfgang Neskovic vor der Einrichtung eines Geheimdienstbeauftragten. Das Parlament solle seine Aufgaben selbst erfüllen.
Stephan Harbarth: Als Nachfolger von Thomas Strobl soll MdB Stephan Harbarth neuer Fraktions-Vize der CDU/CSU im Bundestag werden, meldet der Focus (Margarete van Ackeren). Seine Zuständigkeit sind Recht und Inneres.
Jens Gnisa: Den neuen Vorsitzenden des Deutschen Richterbunds (DRB) Jens Gnisa portraitieren die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de (Tanja Podolski). Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2013 stellvertretender DRB-Vorsitzender.
Justiz
BVerfG zu Meinungsfreiheit und Freispruch: Die Ex-Geliebte von Wettermoderator Jörg Kachelmann bezichtigte diesen auch nach dessen strafrechtlichem Freispruch der Vergewaltigung. Die gerichtliche Untersagung verletzte ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Es handele sich um "subjektive Bewertungen eines nicht aufklärbaren Geschehens". Berichte finden sich in der Samstags-SZ (Wolfgang Janisch), auf taz.de (Christian Rath) und auf lto.de.
VG Darmstadt zu Aufenthaltsverbot: Das Verwaltunsgericht Darmstadt hat Eilanträgen von Frankfurter Fussballfans stattgegeben und damit ein von der Stadt Darmstadt für sie ausgesprochenes Aufenthaltsverbot im ganzen Stadtgebiet ausgehebelt, berichtete lto.de.
BVerwG zu Cialis für Polizisten: Der Anwalt Robert Hotstegs stellt auf lto.de ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von voriger Woche dar. Danach durfte das Land Nordrhein-Westfalen die freie Heilfürsorge für Polizisten auf Leistungen zu beschränken, die die Polizeidienstfähigkeit sichern bzw. wiederherstellen. Cialis-Tabletten gegen Erektionsstörungen dürfen hierbei ausgeschlossen werden. Das Land habe großen Spielraum in der Ausgestaltung, so das BVerwG, dürfe sich nur nicht ganz aus der Fürsorge für die Beamten verabschieden.
OLG Düsseldorf - Reker-Attentat: Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf sagte jetzt die Kölner Kommunalpolitikerin Henriette Reker aus, die von einem Asylgegner mit einem Messer lebensgefährlich verletzt worden war. Der Attentäter habe nicht freiwillig von ihr abgelassen, sondern sei abgedrängt worden, schildert spiegel.de (Jörg Diehl).
Einen Überblick über den Prozess gibt die FAS (Reiner Burger).
LG Detmold - KZ-Wachmann: Vor dem Landgericht Detmold gab der wegen hunderttausendfacher Beihilfe zum Mord angeklagte Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning über seine Verteidiger eine Erklärung ab und sagte auch selbst einige Worte des Bedauerns. Es berichten u.a. die Samstags-SZ (Hans Holzhaider) und die Samstags-taz (Klaus Hillenbrand).
In einem Leserbrief in der Montags-SZ kritisiert der Ex-BGH-Richter Ernst Ankermann solche Prozesse gegen gebrechliche alte Männer als "grotesk, menschenunwürdig und rechtlich mehr als fragwürdig."
OLG München - Zschäpe: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) analysiert das Aussageverhalten der Angeklagte Beate Zschäpe im NSU-Prozess. Sie bestätige zwar in vielen Punkten die Anklage, trage aber darüber hinaus nicht zur Aufklärung bei.
GBA - Freital: Ein Verteidiger der mutmaßlich rechtsterroristischen Freital-Gruppe hat jetzt die Ermittler angezeigt, weil sie durch Telefonüberwachung von Anschlagsplänen wussten und diese nicht verhindert hätten, meldet der Spiegel (Steffen Winter). Ein Zeuge, der die Polizei warnte und sich später mit einer Dienstmarke unklarer Herkunft ausgewiesen haben soll, sei sogar bei manchen Taten dabeigewesen.
BVerfG - deutsche Grenzen: In einem Gastbeitrag für die Montags-SZ fordert der ehemalige CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler die bayerische Staatsregierung auf, endlich die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht zu verklagen, weil diese die deutschen Grenzen nicht gegen illegale Grenzübertritte von Flüchtlingen geschützt habe.
BFH - Ehegattensplitting: Die verwitwete Steuerberaterin Reina Becker klagt vor dem Bundesfinanzhof gegen das Ehegattensplitting. Nach dem Tod ihres Mannes war ihre Steuerlast von 35 Prozent auf 42 Prozent gestriegen. Die Montags-SZ (Gianna Niewel) portraitiert Becker.
RAin Ina Brock: Das Handelsblatt (Martin Tofern) portraitiert die Anwältin Ina Brock, die jetzt in das internationale Management der Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells berufen wurde. Ihr Spezialgebiet sei die Produkthaftung für Pharma- und Medizinprodukte.
Recht in der Welt
Österreich - Asylrecht: Die Samstags-FAZ (Stephan Löwenstein) stellt das verschärfte und rechtlich umstrittene neue österreichische Asylrecht vor. Wichtigster Punkt sei "die Möglichkeit für die Regierung, per Erlass bestimmte EU-Regeln auszusetzen, wenn sie 'im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates' festgestellt hat, 'dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit gefährdet sind'". Ein Rechtsgutachten hatte dies vorab für zulässig erklärt.
Kanada - tödliche Medizinskepsis: Ein kanadisches Gericht hat ein Elternpaar verurteilt, weil es sein schwer krankes Kind nur mit alternativmedizinischen Mitteln behandelte, statt einen klassischen Arzt zu konsultieren, meldet spiegel.de. Nach zweieinhalb Wochen starb das 19 Monate alte Kind an einer Hirnhautentzündung.
Sonstiges
BAMF sucht unkundige Anwälte: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sucht Anwälte und andere Volljuristen, die als Asylentscheider arbeiten sollen. Dabei sollen aber ausgerechnet Asylanwälte ausgeschlossen sein - um Interessenskollisionen zu vermeiden. Dies sorgt aber für Unverständnis, berichten spiegel.de (Dietmar Hipp) und lto.de (Constantin van Lijnden).
Hexenprozesse: Die FAS (Johannes Munzinger) gibt einen Überblick über die Hexenprozesse in Bamberg im 17. Jahrhundert. Damals wurden rund tausend Menschen aus allen Gesellschaftsschichten gefoltert, verurteilt und verbrannt.
Das Letzte zum Schluss
Reisebedarf aus dem Sex-Shop: Der justillon (Stefan Maier) erinnert an eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München aus dem Jahr 2012. Damals hatte die Stadt München einem Sex-Shop im Münchener Bahnhof die Sonntags-Öffnung untersagt. Dagegen klagte der Betreiber und setzte durch, dass Pornos und Gleitgel als "Reisebedarf" anerkannt wurden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. April bis 2. Mai 2016: Durchbruch für "Nein heißt Nein" / BVerfG schützt Kachelmann nicht / BAMF sucht Anwälte ohne Sachkunde . In: Legal Tribune Online, 02.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19495/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag