Das BVerfG hat den Einsatz von Bundestagsmitarbeitern als "missbrauchsanfällig" bezeichnet und den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Auch sprach es sich für die Fünf-Prozent-Klausel und gegen ein Eventualstimmrecht aus.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Bundestagswahl im Jahr 2013 verworfen. Die Beschwerde gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel und für die Einführung eines Eventualstimmrechts war genauso erfolgslos, wie die Rüge einer staatlichen Wahlkampffinanzierung über den Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern (Beschl. v. 19.09.2017, Az. 2 BvC 46/14). Das hat das BVerfG am Donnerstag bekanntgegeben.
Der Senat hat allerdings den Deutschen Bundestag aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, die ordnungsgemäße Verwendung von staatlichen Mitteln für die Beschäftigung von Bundestagsmitarbeitern einer nachvollziehbaren Kontrolle zu unterlegen.
Der Beschwerdeführer sah durch einen mandatsrelevanten Wahlfehler das Recht auf gleiche Wahl und den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verletzt.
Diese ergebe sich zum einen aus der missbräuchlichen Verwendung von Abgeordnetengeldern. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Abgeordnetengesetz (AbgG) dürfen die Fraktionen Geld, das sie aus dem Bundeshaushalt bekommen, nicht für Parteiaufgaben verwenden. Genau das ist aber der Vorwurf: In Vorwahlkampfzeiten würden staatlich finanzierte Bundestagsmitarbeiter für Wahlkampfaktivitäten eingesetzt.
BVerfG: Einsatz von Bundestagsmitarbeitern "missbrauchsanfällig"
Allein die Bereitstellung staatlicher Mittel zur Beschäftigung von Abgeordnetenmitarbeitern stelle keinen Wahlfehler dar, urteilte der Senat. Diese Mittel würden dem Abgeordneten nur zur Verfügung gestellt, soweit sich die Tätigkeit der Mitarbeiter auf die Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit beschränkt. Etwas anderes gelte nur, wenn im Einzelfall aufgezeigt werden könne, dass Bundestagsmitarbeiter für Aufgaben außerhalb des Mandatsbezugs, also für Parteiaufgaben oder Wahlkampfaktivitäten, eingesetzt würden.
Aus Sicht des BVerfG ist der Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern aber "missbrauchsanfällig" und "öffentlich weitgehend nicht" nachzuvollziehen. Die Gründe sehen die Karlsruher Richter in der unvermeidbaren Überschneidung zwischen der Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats im Wahlkreis und der Beteiligung am Wahlkampf.
Die derzeitige Rechtslage trage dem nicht ausreichend Rechnung. Der Gesetzgeber müsse deswegen dem Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf verstärkt entgegenwirken und die Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel nachvollziehbaren Kontrollen unterwerfen, so die Verfassungsrichter.
2/2: 15,7 Prozent der Stimmen entfielen auf Kleinparteien
Auch wurde ein neuer Versuch unternommen, die Fünf-Prozent-Sperrklausel zu kippen. Das Argument: Ein Vergleich zum Europäischen Parlament und der Ausfall von 15,7 Prozent der Stimmen bei der Bundestagswahl 2013. Dabei handelte es sich um die Stimmen, die auf Parteien entfallen waren, die es nicht in den Bundestag geschafft hatten – so viele wie nie zuvor.
Für den Fall, dass die Sperrklausel bestehen bleibt, sollte der Gesetzgeber wenigstens eine Eventualstimme einführen. Die zusätzliche Stimme betreffe den Fall, dass die Hauptstimme auf eine Partei entfällt, die mangels Mindeststimmzahl am Einzug in den Bundestag gescheitert ist.
Die Verfassungsrichter sahen jedoch keinen Anlass von ihrer Rechtsprechung abzuweichen. Ein Ausfall von 15,7 Prozent der Stimmen stelle keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, erklärte das BVerfG.
Eventualstimmrecht ist fehleranfällig
Auch ein Vergleich mit dem Europäischen Parlament – für dessen Wahl eine Sperrklausel von drei bzw. fünf Prozent als verfassungswidrig erachtet wurden – könne aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen nicht gezogen werden. Das Europäische Parlament müsse keine Regierung wählen, die auf fortlaufende Unterstützung angewiesen ist. Der Deutsche Bundestag müsse deswegen vor einer Parteizersplitterung geschützt werden, so das BVerfG.
Nach Ansicht des Senats könne ein Eventualstimmrecht nicht zweifelsfrei als gleich geeignetes, milderes Mittel angesehen werden, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu erhalten. Zweifel bestünden hinsichtlich der erhöhten Komplexität und Fehleranfälligkeit des Wahlvorgangs. Deswegen wäre es letztlich Aufgabe des Gesetzgebers, die Vor- und Nachteile einer Eventualstimme abzuwägen.
mgö/LTO-Redaktion
BVerfG zum Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern: Staatliche Mittel für Parteiaufgaben? . In: Legal Tribune Online, 05.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24853/ (abgerufen am: 01.05.2024 )
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