Begonnen hat er als Einzelanwalt in Mönchengladbach, heute trägt eine Kanzlei mit 130 Anwälten seinen Namen. Am 12. Dezember wird Klaus Kapellmann 75 Jahre alt. Sein Erfolgsrezept: strategisch denken und nicht egoistisch sein.
Professor Dr. Klaus Kapellmann versteht - das sagt er selbst über sich - von vier Dingen etwas: Borussia Mönchengladbach, Wein, Vogelbeobachtung und Baurecht. Dabei ist er, dessen Name heute quasi ein Synonym für das Baurecht ist, überhaupt nur durch Zufall zu diesem Rechtsgebiet gekommen. Als junger Anwalt, mit 26 Jahren, arbeitet er zunächst als Strafrechtler – "das Langweiligste überhaupt", wie er heute sagt. Er wollte damals vor allem beweisen, dass er ein hervorragender Jurist ist, und das schien ihm im Strafrecht nicht möglich.
Als Klaus Kapellmann sich dann am 1. März 1974 mit seiner eigenen Sozietät in Mönchengladbach selbstständig macht, stellt er nüchtern fest: Anwälte gibt es mehr als genug, die meisten davon beraten im Bereich Feld, Wald und Wiese. Doch der Kanzleigründer ist ehrgeizig. Er sucht nach einer Nische, einer Spezialisierung. Er analysiert kurzerhand die Fälle, die zu Gericht kommen und stellt fest, dass die häufigsten Prozesse, nämlich 30 Prozent, Baurechtsstreitigkeiten sind. Offensichtlich eine lohnenswerte Materie und zugleich ein damals noch rechtswissenschaftlich weitgehend unbearbeitetes Feld.
Der junge Anwalt vertieft sich in die Materie, erarbeitet sich Spezialwissen und veröffentlicht schließlich gemeinsam mit dem Bauingenieur Karl-Heinz Schiffers die beiden Bände Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, heute ein Klassiker des Baurechts. "Das Buch wurde sehr erfolgreich und hat die Kanzlei unheimlich nach vorne gebracht", erinnert sich Kapellmann. Das ist eine klare Untertreibung, denn heute kommt niemand, der sich mit dem Baurecht befasst, an dem Namen Kapellmann vorbei. Das Kanzleiranking Who's Who Legal bezeichnet Klaus Kapellmann gar als "Urahn des deutschen Baurechts".
Mit freundlicher Unterstützung des BGH
Dass aus Kapellmanns kleiner Kanzlei am Niederrhein mit einer Handvoll Anwälten aber eine bundesweit tätige Sozietät wurde – dabei half letztlich der Bundesgerichtshof (BGH) mit, indem er 1988 das Zweigstellenverbot aufhob. "Aus heutiger Sicht war es naiv, aber wir dachten damals: Warum sollen wir die schönen OLG-Prozesse in Düsseldorf anderen überlassen?", sagt Kapellmann. 1990 eröffneten die Anwälte deshalb ihre erste Zweigstelle in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens, weitere Standorte in Berlin, Hamburg, Frankfurt, München und zuletzt in Brüssel folgten.
Später erkannten Kapellmann und seine Mitstreiter, dass die Beratung bei Großprojekten viel lukrativer ist als die Prozessvertretung - und sie wurden auch in diesem Feld aktiv. Kaum ein Großbauvorhaben im Nachwende-Deutschland, das ohne die Anwälte der Sozietät ablief. In den 1990er Jahren betreuten die Kapellmänner Neubauvorhaben des Mitteldeutschen Rundfunks MDR mit einem Projektvolumen von rund einer halben Milliarde Euro. Später erteilten sie Rechtsrat beim Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, beim Bau der ICE-Strecke zwischen Frankfurt und Köln, und sie vertraten Stadt Köln beim Einsturz des Stadtarchivs.
Schlimmstes Mandat: Der Schürmann-Bau
Auch beim skandalumwitterten Schürmann-Bau in Bonn begleitete die Kanzlei eine der beteiligten Baufirmen. "Mein schlimmstes Mandat", erinnert sich Kapellmann und schüttelt heute noch, mit vielen Jahren Abstand, entsetzt den Kopf. Denn ein Hochwasser beschädigte den Rohbau des Architekten Johannes Schürmann, der einmal die Büros der Bundestagsabgeordneten beherbergen sollte. Das Bauwerk schwamm buchstäblich auf und hob sich teilweise um bis zu siebzig Zentimeter.
In der Folge entbrannte ein heftiger Rechtsstreit zwischen der Bundesrepublik Deutschland als Bauherrin und den Bauunternehmen. Die Kontrahenten stritten sich bis zum BGH. Im November 2007, 14 Jahre nach dem Hochwasser, einigte man sich, nun wieder beim Landgericht Bonn angekommen, auf einen Vergleich. Der Bund hatte ursprünglich 200 Millionen Euro Schadensersatz gefordert, gezahlt wurden rund 43 Millionen.
2/2 Die Mitarbeiter zu Stars machen
Auch wenn der Schürmann-Bau Klaus Kapellmann in schlechter Erinnerung ist, macht das Beispiel doch eines deutlich: Es sind die Mandate, die für Schlagzeilen sorgen. Kapellmanns Kanzlei tut es nicht. Marktbeobachter bezeichnen sie als solide und robust, um nicht zu sagen: ein bisschen langweilig. Keine Fusionen, keine Abspaltungen einzelner Standorte, keine Team-Weggänge. In 43 Jahren hat die Sozietät gerade einmal drei Partner verloren - manch internationale Law Firm hat diesen Schwund in bloß sechs Monaten.
Das Geheimnis dieser Stabilität? "Es sind alles Rheinländer", lacht Kapellmann. Das ist nur zum Teil lokalpatriotisch gemeint: Fast alle Leiter der Standorte haben zuvor am Stammsitz in Mönchengladbach gearbeitet und haben dort nicht nur die niederrheinische Luft geatmet, sondern auch die Unternehmenskultur verinnerlicht, die Klaus Kapellmann versucht hat zu prägen.
Und die ist durchaus ungewöhnlich: "Eine Kanzlei ist wie ein Corps de ballett", sagt der Gründer. Es gibt eine Primadonna und 16 andere, die das auch gerne wären und nur auf den Moment warten, ihr ein Bein zu stellen um ihre Stelle einzunehmen. "Sie müssen es schaffen, dass auch die 16 anderen zu Stars werden", sagt er. Sprich: Die Mitarbeiter fördern und es ihnen beispielsweise ermöglichen, sich durch Publikationen einen Namen zu machen. Auch wenn das bedeutet, scheinbar auf Umsatz zu verzichten, weil die Anwälte in der Zeit, in der sie schreiben, keine Mandate bearbeiten können.
Solidarität statt Gewinnmaximierung
Klaus Kapellmann hat es in der Zeit, in der er seine Kanzlei geführt hat, nie auf reine Gewinnmaximierung angelegt, sagt er. Die Sozietät ist deswegen nicht – wie viele andere – einzig und allein auf einen Seniorpartner zugeschnitten, der sich die höchsten Entnahmen genehmigt und alle nach seiner Pfeife tanzen lässt. Bei Kapellmann werden die Partner nach dem Lockstep-Modell vergütet, ein System, das Zusammenarbeit und Solidarität fördern soll.
Mit dem Wachstum der Sozietät wurde außerdem eine Art Vorstandssystem eingeführt: Es gibt derzeit sechs geschäftsführende Partner, die jeweils für einen Bereich - beispielsweise Personal, Controlling und Produktentwicklung - zuständig sind und diese Ressorts weitgehend eigenständig führen.
Qualität, Solidarität, ethisches Verhalten – es sind klassische Tugenden, nach denen Klaus Kapellmann seine Kanzlei aufgebaut hat. Heute, wo der Blick auf die Auslastungs- und Umsatzzahlen den Alltag der meisten Managing Partner bestimmt, könnte man das als altmodisch und wirklichkeitsfremd bezeichnen. Doch Kapellmann blieb stur, wenn seiner Art der Kanzleiführung der Untergang prophezeit wurde. Innovationen haben die Kapellmann-Anwälte gleichwohl hervorgebracht, und Wettbewerber loben regelmäßig die fachliche Kompetenz der Juristen. Die strengen Markbeobachter des Juve-Verlags bescheinigen der Sozietät zudem eine "angenehme Kanzleikultur."
"Im Alter wird man bequem"
Aus dem operativen Geschäft hat sich Klaus Kapellmann schon vor einigen Jahren zurückgezogen. Seither betrachtet er "mit Wohlwollen und Interesse", wie sich die Praxis weiterentwickelt. Einmischen will er sich nicht mehr. Sein Ausscheiden war – wie damals die Wahl des Baurechts – eine rationale Entscheidung. Sie wird ihm dennoch nicht leichtgefallen sein. Aber Klaus Kapellmann sieht es nüchtern: "Alte Leute sind nicht gut für eine Praxis", ist er überzeugt. Es sei wichtig, dass Jüngere die Verantwortung übernehmen: "Im Alter wird man bequem", meint er. "Es ist schwieriger, sich mit neuen Themen zu befassen."
Der Jurist ist im Rückblick überzeugt, die richtigen strategischen Entscheidungen getroffen zu haben, er ist "stolz, sehr stolz" auf die Entwicklung seiner Sozietät. Zu Recht: Vor 43 Jahren sperrte er nervös die Kanzleitür in Mönchengladbach auf und bangte darum, ob die Mitarbeiter pünktlich ihren Dienst antreten. Heute arbeiten mehr als 130 Anwälte an sieben Standorten für Kapellmann Rechtsanwälte; die Kanzlei erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von 44,6 Millionen Euro.
Nur eine Frage bleibt offen: Was wäre wohl geschehen, wenn die häufigsten Prozesse in den 70er Jahren nicht im Baurecht, sondern im Verkehrsrecht entschieden worden wären?
Anja Hall, Klaus Kapellmann zum Fünfundsiebzigsten: "Alte Leute sind nicht gut für eine Praxis" . In: Legal Tribune Online, 12.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25969/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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