Wenn eine Kanzlei eine bestimmte Größe erreicht, sollte sie sich systematisch mit den Themen Management, Planung und Budgetierung befassen. Wieso das zum nachhaltigen Erfolg der Sozietät beitragen kann, erklärt Christopher Holl.
Kaufmännisches Denken hält Einzug in mittleren und großen Kanzleien, und auch die betriebswirtschaftliche Expertise wächst. Dennoch sind die Themen "Planung und Budgetierung" für viele Partner ein unnützes Tun. Und in der Tat: Die meisten Kanzleien sind auch ohne detaillierte Planung auf ihre aktuelle Größe gewachsen, meist angetrieben von der fachlichen Strahl- und menschlichen Schaffenskraft einer oder einiger weniger Personen.
Es kommt jedoch der Zeitpunkt, ab dem eine Organisation eine Größe erreicht, bei der das von Fredmund Malik in dem Buch Führen, Leisten, Leben beschriebene "wirksame Management" notwendig wird, um das Auseinanderwachsen einer Organisation zu verhindern und nachhaltig erfolgreich zu sein.
Budgetierung ist Managementaufgabe
Ein zentraler Managementprozess ist der Prozess von Analyse, Planung, Budgetierung, Durchführung, Kontrolle und Anpassung der Kanzleientwicklung. In der Praxis vieler größerer Kanzleien wird zwar durchaus analysiert, was intern und extern passiert. In irgendeiner Form gibt es meist auch einen groben Plan, dessen Durchführung bestenfalls auch irgendwie kontrolliert und sporadisch angepasst wird. Eine konkrete Planung oder gar Budgetierung einschließlich strikter Kontrolle findet man hingegen seltener.
Besonders bei mittelgroßen Kanzleien mangelt es aber oft schon an einem aussagekräftigen Rechnungswesen, das Kosten und Leistungen auf die verursachenden Stellen und Träger verteilt und das dem Management die Informationen gibt, wo Geld verdient wird und wo nicht.
Gefährlich: Die Planung mal so nebenbei erstellen
Eine vernünftige Planung kann durchaus auch ohne detaillierte Budgets aufgestellt werden, es existieren laut Malik jedoch gute Gründe dafür, eine Planung auch in ein Budget zu gießen. Viele Planungen werden nebenbei aufgestellt, da man sein Geschäft schon seit Jahren betreibt und entsprechend gut zu kennen meint. Hierbei besteht aber die Gefahr, dass wesentliche Entwicklungen übersehen werden.
Der wirksam durchgeführte Budgetprozess zwingt dazu, sich nicht nur mit seinem Geschäft und der eigenen Organisation wiederholt intensiv und kritisch auseinanderzusetzen, sondern auch konkret zu werden: In welchem Geschäftsfeld und bei welchen Mandanten will ich um wieviel wachsen? Welche Preise und Margen benötige ich? Welche Aktionen und Ressourcen sind dafür konkret erforderlich? Was kostet das? Wie finanziere ich das?
Ressourcen vorausschauend planen
Befasst man sich einmal intensiv mit dem Budget, dann fördert dies sowohl die vorausschauende Planung von Ressourcen als auch die Fähigkeit, Projekte vernünftig zu kalkulieren und mit Mandanten zu verhandeln. Viele Wachstums- und damit Erlöschancen werden vertan, weil nicht genügend Ressourcen vorhanden sind, oder weil Projekte aus Unwissenheit über Kostenstrukturen falsch kalkuliert werden.
Die Budgetierung von Ressourcen erhöht die Chance, diese frühzeitig in deren produktivste Verwendungen zu transferieren. Dies lässt sich oftmals auch spontan noch ganz gut bewerkstelligen oder aber mit einer noch erträglichen Verzögerung im Anschluss an die Analyse des Vorjahresergebnisses. Je größer eine Organisation jedoch wird, desto mehr verselbständigen sich einzelne Teile.
Wie viele Geschäftsbereiche bleiben aus Gewohnheit auf ihren Ressourcen sitzen oder beanspruchen immer die gleichen Ressourcenzuwendungen? Die kritische Auseinandersetzung im Rahmen des Planungs- und Budgetprozesses ist dem Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik zufolge eines der wirksamsten Mittel, will man Entwicklungen kontrollieren oder Änderungserfordernisse erkennen.
2/2: Besser als jedes Teambuilding-Seminar
Ein weiterer positiver Aspekt: Erst eine konkrete Planung ist die Grundlage für produktive Auseinandersetzungen zwischen Kanzleileitung und Partner bzw. der Partner untereinander. Planungsgespräche verbleiben häufig im Ungefähren, werden wenig kritisch miteinander geführt und sind damit nutzlos.
Dabei hat eine intensive, kritische und damit kontroverse Auseinandersetzung mit klaren und eindeutigen Zielen eine identitäts- und integrationsstiftende Wirkung, die durch kein noch so teures und gutes Seminar erreicht werden kann. Wenn keinen Partner interessiert, was der andere Partner macht, dann wird mittel- und langfristig der gemeinsame Weg von Interessen- und letztlich auch Erfolgslosigkeit geprägt sein. Wirksame Planung gibt jedem Partner konkrete Ziele und misst ihn daran. Sie nimmt jeden Partner ernst und fordert diesen heraus.
Nicht zu viel auf einmal wollen
Das Budget darf selbstverständlich keine einfache Fortschreibung von Vorjahren darstellen, sondern muss Ausdruck der operativen Planung im Rahmen der Strategie sein. Die Strategie entspringt nicht aus dem Budget - und das Budget ersetzt auch den Strategieprozess nicht. Malik schlägt vor, ein Geschäftsentwicklungsbudget aufzustellen, das für neue Initiativen zur Verfügung steht.
Solche Initiativen sind jedoch nur dann zu verfolgen, wenn die Chance besteht, in dem Zielmarkt, d.h. in der Wahrnehmung der Zielmandanten, besser als die Konkurrenz zu werden. Viele Planer scheitern allerdings bereits bei der Definition eines klar umrissenen Zielmarktes. Zielmandanten werden meist viel zu vage anvisiert und Dienstleistungen zu allgemein ausgestaltet, so dass keine wirksame Kommunikation von Kompetenzen stattfinden kann.
Ein weit verbreiteter Fehler in der Planung ist zudem, dass zu viele Dinge auf einmal ins Auge gefasst werden, anstatt die wesentlichen Ziele herauszuarbeiten und durch eine ausreichende Ressourcenzuwendung auch erfolgsversprechend zu verfolgen. Erfolgreich ist meist derjenige, der seine ganze Kraft für die Erreichung eines bestimmten Ziels aufwendet.
Nicht im Mittelmaß verharren
Eng damit verbunden ist die weitverbreitete Praxis, eigene Schwächen zu beseitigen. Solange Schwächen aber kein Hindernis zur Entwicklung von Stärken sind, empfiehlt Malik, dass man ihnen nicht zu viel Beachtung schenken sollte. Aus einem Ackergaul wird man kein Rennpferd machen. Der Gaul wird niemals als Rennpferd nachgefragt werden - und selbst wenn: Er würde keinen Erfolg im Rennsport verbuchen. Aber er kann ein besserer und damit erfolgreicherer Ackergaul werden. Darauf sollte er sich konzentrieren.
Viele Kanzleien bleiben Mittelmaß, weil sie nicht den Mut haben, auf ihre Stärken zu setzen und beispielsweise Geschäft abzulehnen, das nicht zu ihrer angestrebten Positionierung passt. Wie soll eine Kanzlei aus der Masse von Kanzleien herausstechen, wenn sie überall nur Mittelmaß darstellt? Nicht nur bei der strategischen Planung, sondern auch in der Personalentwicklung führt die Orientierung an den Schwächen ebenso in die falsche Richtung wie die Tendenz, wenig ambitionierte Ziele zu setzen. Menschen wachsen an ihren Aufgaben. Es sind die großen Herausforderungen, die motivieren und das Erreichen von großen Zielen, die Zufriedenheit und Anerkennung erzeugen.
Moderne Personalentwicklung, so Malik, verkennt leider allzu oft, dass Zufriedenheit aus Leistung entspringt und nicht umgekehrt. Zur Motivation gehört im Übrigen, dass Ziele – und dort schließt sich wieder der Kreis zur Planung und Budgetierung – konkret, objektiv und messbar sein müssen. Ob ein Ziel erreicht ist, darf keine Frage von Diskussionen und Kompromissen sein, sondern nur von Ergebnissen. Denn letztlich ist das Ergebnis der größte gemeinsame Nenner, den jede geschäftliche Partnerschaft hat.
Literatur: Malik, Fredmund (2014): Führen, Leisten, Leben. Wirksames Management für eine neue Welt, Frankfurt/New York.
Der Autor Dr. Christopher Holl ist Kaufmännischer Leiter der Versicherungs- und Haftungsrechtskanzlei BLD Bach Langheid Dallmayr in Köln.
Dr. Christopher Holl, Planung und Budgetierung: Raus aus dem Mittelmaß . In: Legal Tribune Online, 05.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18032/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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