Banker-Boni - seit langem ein großes Aufregerthema. Die neue Institutsvergütungsverordnung ändert jetzt die Vorgaben für die Gehälter in Finanzinstituten. Alexander Insam und Lars Hinrichs geben einen Überblick über die Neuerungen.
Mit der neuen Institutsvergütungsverordnung (IVV) 3.0, die am 4. August 2017 in Kraft getreten ist, entwickelt der deutsche Gesetzgeber die regulatorischen Vorgaben an die Vergütungssysteme von Finanzinstituten weiter. Hintergrund sind unter anderem die am 21. Dezember 2015 von der European Banking Authority (EBA) veröffentlichten Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, die seit dem 1. Januar 2017 verbindlich gelten.
Zudem musste aus europäischer Sicht bei der Umsetzung von einzelnen Vorgaben der maßgeblichen EU-Richtlinie (Capital Requirement Directive IV, CRD IV) in die deutschen Gesetze nachjustiert werden.
Neue Vorgaben für die Vergütung von Risikoträgern
Die Diskussion um den Nachjustierungsbedarf drehte sich vor allem um die Umsetzung des in der CRD IV enthaltenen Proportionalitätsgrundsatzes zur Ausgestaltung der variablen Vergütung von Geschäftsleitung und anderen "Risikoträgern", also von Mitarbeitern, deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil der Bank haben.
Nach der CRD IV muss jedes Institut solche Risikoträger identifizieren, die Richtlinie bestimmt für deren variable Vergütung bestimmte Vorgaben. Diese beziehen sich vor allem auf ihre Bemessung – in Form von Zielvereinbarungen - und auf ihre Gewährung. Die Richtlinie bestimmt hierzu unter anderem eine teilweise mehrjährige Zurückbehaltung (Deferral), eine nachträgliche Kürzung wegen "negativer Erfolgsbeiträge" des Risikoträgers, d.h. wenn Vorgaben nicht erfüllt werden, und teilweise die Gewährung in Instrumenten, die eine nachhaltige Wertentwicklung des Instituts abbilden, z.B. Aktien bei börsennotierten Instituten.
Nach dem Proportionalitätsgrundsatz soll das einzelne Institut die Vorgaben für die variable Vergütung der Risikoträger so umsetzen, wie es seiner Größe, der internen Organisation und der Art, dem Umfang und der Komplexität der Geschäfte angemessen ist. Die CRD IV lässt für die Umsetzung Regelungsspielräume zu, etwa in der Festlegung des Umfangs des Deferrals. Sie fordert allerdings generell eine Umsetzung aller Vorgaben inklusive der Identifizierung der Risikoträger.
Der feine Unterschied zwischen "bedeutend" und "nicht-bedeutend"
Der deutsche Gesetzgeber hatte in der bisherigen Fassung der IVV eine Pflicht zur Identifizierung der Risikoträger nur für "bedeutende Institute" bestimmt. Bedeutend sind dabei Banken, die eine Bilanzsumme von mindestens 15 Milliarden Euro aufweisen, die von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt werden, oder die von der Finanzaufsicht als potentiell systemgefährdend eingestuft worden sind.
Auf europäischer Ebene wurde für die Neufassung der IVV teilweise die Vorgabe der Identifizierung der Risikoträger für alle Institute gefordert. Der deutsche Gesetzgeber gab dieser Forderung in einer ersten Entwurfsfassung der IVV 3.0 zunächst statt. Er kehrte jedoch in der finalen Fassung zur Ausgangsregelung zurück. Nicht-bedeutende Institute, die nach der ersten Entwurfsfassung bereits erste Arbeiten zur Risikoträger-Identifizierung durchgeführt haben, können diese Arbeiten (vorerst) ad acta legen. Sie müssen weiterhin die Vorgaben für die variable Vergütung von Risikoträgern nicht beachten.
Geld zurück bei Fehlverhalten
Mit der IVV 3.0 erhält erstmals das Instrument des Clawback Einzug in die Vergütungssysteme von Risikoträgern: Institute sollen bei nachträglichen negativen Abweichungen des Erfolgsbeitrags eines Risikoträgers, einer Organisationseinheit oder eines einzelnen Instituts bereits ausgezahlte variable Vergütungsbestandteile von den jeweiligen Risikoträgern zurückfordern.
Die IVV 3.0 bestimmt hierzu, dass die für die maßgebliche Periode relevante variable Vergütung in jedem Fall vollständig zurückgefordert werden soll, wenn der Risikoträger an einem Verhalten maßgeblich beteiligt oder dafür verantwortlich war, das für das Institut zu erheblichen Verlusten oder wesentlichen regulatorischen Sanktionen geführt hat - oder wenn er externe oder interne Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten in schwerwiegendem Maß verletzt hat. Dies etwa, wenn er interne Limite bei der Vergabe von Krediten eklatant überschreitet.
2/2 Der Clawback – arbeitsrechtlich nicht unproblematisch
Die Umsetzung des Clawback beinhaltet aus arbeitsrechtlicher Sicht Herausforderungen – individuelle Vereinbarungen mit dem einzelnen Risikoträger haben den restriktiven Anforderungen der gesetzlichen AGB-Kontrolle zu genügen und hier vor allem dem Transparenzgebot, das das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung zur variablen Vergütung streng anwendet.
Wird der Clawback in einer Kollektivvereinbarung geregelt, haben die Betriebsparteien die gesetzlichen Billigkeitsanforderungen zu beachten. Das letzte Wort zur Wirksamkeit solcher Clawback-Regelungen werden die deutschen Arbeitsgerichte zu sprechen haben.
Die weiteren Neuregelungen der IVV 3.0 zur variablen Vergütung von Risikoträgern enthalten überwiegend redaktionelle Klarstellungen, die Institute mit einem belastbaren Aufwand in die Vergütungssysteme umsetzen können.
Alles, was nicht fix ist, ist variabel
Eine wesentliche Neuerung in der IVV 3.0 ist die Abkehr von dem bisherigen regulatorischen Leitsatz, wonach alle nicht als variable Vergütung anzusehenden Vergütungsbestandteile eine Fixvergütung beinhalten. Dieses Regel-Ausnahme-Prinzip wird in der IVV 3.0 umgekehrt. Der Sinneswandel des Gesetzgebers zwingt die Institute faktisch zu einem Nachweis mit umfassender Dokumentation dazu, dass und warum sie den einzelnen Vergütungsbestandteil als Fixvergütung ansehen. Gelingt der Nachweis nicht, handelt es sich um eine variable Vergütung.
Dieser Vergütungsbestandteil unterliegt dann den strengen regulatorischen Anforderungen an die variable Vergütung und ist unter anderem in die Beurteilung des Verhältnisses zwischen der fixen Vergütung und der variablen Vergütung einzubeziehen. Dieses hat der Gesetzgeber unverändert auf eine Höhe von maximal 200 Prozent der Fixvergütung gedeckelt.
Zulagen und Abfindungen gelten im Grundsatz als variabel
Verschärft hat der Gesetzgeber in der IVV 3.0 die regulatorische Behandlung von Zulagen und Abfindungsleistungen. Diese gelten im Ausgangspunkt jeweils als variable Vergütung und können nur bei Erfüllung bestimmter zusätzlicher Voraussetzungen im Ergebnis als Fixvergütung anzusehen sein.
Abfindungsleistungen sollen etwa unter anderem dann faktisch weiterhin als Fixvergütung angesehen werden können, wenn sie in einem gerichtlichen Vergleich abgeschlossen werden oder die in der IVV 3.0 festgelegten Höchstwerte (200.000 Euro Fixbetrag und der Höhe nach maximal 200 Prozent des letzten Jahresfixgehalts) nicht überschreiten.
Zudem bestimmt die IVV 3.0 für alle Institute verschärfte Dokumentationsanforderungen für die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme und für die einzelnen Prozesse, etwa zur Ermittlung des Gesamtbonuspools, zur jährlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vergütungssysteme sowie zu den Zuständigkeiten der bei dem individuellen Institut mit den Vergütungssystem befassten Mitarbeitern.
Mehr Arbeit, aber keine großen Neuerungen
Ergibt die jährliche Überprüfung Feststellungen, haben Institute nunmehr verpflichtend einen Maßnahmenplan zu erstellen und die Behebung der Feststellungen ebenfalls umfassend zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang wird auch die Arbeit und Rolle des Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrats weiter an Bedeutung zunehmen.
Zusammengefasst birgt die IVV 3.0 für die Institute einzelne Herausforderungen in der Umsetzung der neuen Vorgaben aus rechtlicher und personalpolitischer Sicht. Sie führt zu einem höheren Zeitaufwand, weil sich die Institute einem nachhaltigen und transparenten Vergütungssystem widmen müssen.
Der ursprünglich vor allem von den nicht-bedeutenden Instituten befürchtete große neue Wurf mit Vorgaben für die variable Vergütung von Risikoträgern blieb allerdings aus. Ob hierzu aus gesetzgeberischer Sicht das letzte Wort gesprochen wurde, ist vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen – etwa des Brexit mit der zu erwartenden Aufwertung des Bankenplatzes Deutschland in der EU - abzuwarten.
Dr. Alexander Insam und Dr. Lars Hinrichs sind Fachanwälte für Arbeitsrecht bei KPMG Law. Sie beraten Institute, Finanzdienstleistungsunternehmen und Kapitalverwaltungsgesellschaften.
Dr. Alexander Insam und Dr. Lars Hinrichs, Institutsvergütungsverordnung 3.0: Kein großer Wurf . In: Legal Tribune Online, 12.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23925/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag