Maas und de Maizière sagen Dopern im Sport den Kampf an. Ihr Entwurf eines deutschen Anti-Doping-Gesetzes soll erstmals Sportler, die künstlich ihre Leistung steigern, auch strafrechtlich belangen. Die Regelung könnte mit den bestehenden Regelwerken der Sportverbände und Anti-Doping-Agenturen eher konkurrieren, als sie zu ergänzen, meint Alexander Hettel.
Die Große Koalition widmete 2013 eine ganze Seite ihres Koalitionsvertrages, und damit mehr als jemals zuvor, dem Sport. In die Tat umgesetzt wurden diese ersten sportpolitischen Ambitionen nun in den 11 Paragrafen des Referentenentwurfes eines Anti-Doping-Gesetzes (AntiDopG). Sein Inkrafttreten ist für nächstes Jahr geplant. "Das Gesetz ist ein Statement für den sauberen Sport und eine Kampfansage an die Doper im Spitzensport", sagte Bundesjustizminister Maas bei der Vorstellung des Entwurfs in Berlin.
Einerseits soll die Gesundheit der Sportler geschützt, andererseits die Chancengleichheit bei Sportwettbewerben und damit die Integrität des Sportes gesichert werden. In den Täterkreis aufgenommen und mit Geld- oder bis zu dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht werden neben den Hintermännern des "Dopingsumpfes" erstmals auch die Sportler selbst.
Die Entwurfsbegründung will dabei ein Nebeneinander von strafrechtlichen Sanktionen und sportverbandsrechtlichen Möglichkeiten und sieht das Strafverfahren als Ergänzung des Sportgerichtsverfahrens an. Es stellt sich die Frage, ob sich der gewünschte Entscheidungsgleichklang in der Praxis realisieren wird oder ob die Verfahren sich nicht gegenseitig bremsen werden.
Herstellen, Handeln und Abgeben werden unter Strafe gestellt
Mit der Pönalisierung der im Hintergrund stehenden Handelsnetze und "Doping-Ärzte" betritt man kein gesetzgeberisches Neuland. Bereits das geltende Arzneimittelgesetz (AMG) stellt es unter Strafe, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden. Auch der Besitz und Erwerb solcher Wirkstoffe in nicht geringer Menge sind schon nach heutigem Recht strafbare Handlungen (§ 6a Abs. 1, 2a i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2a, 2b AMG).
Hieran knüpft das neue AntiDopG an. Es kriminalisiert auf der Abgabenseite des Dopings neue Tatbegehungsweisen mit vergleichbarem Unwertgehalt. So werden von § 2 AntiDopG nun auch das Herstellen, das Handeltreiben, das Veräußern und Abgeben von Dopingmitteln erfasst. Explizit nennt die Entwurfsbegründung die Gesundheitsgefahren durch in "Untergrundlaboren" hergestellte und in illegalen Vertriebsnetzen gehandelte Dopingsubstanzen. Die Aufnahme der neuen Begehungsweisen erstreckt die Strafbarkeit auch auf die Vorstufen des unmittelbaren Dopingeinsatzes im Wettkampf.
Strafbar ist bislang allerdings nur das Anwenden der Dopingmittel an anderen, nicht jedoch deren Konsum. Auch die Anwendung des Betrugstatbestands nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB) auf freiwillig gedopte Sportler erfordert höchsten Begründungsaufwand oder scheidet mangels Vermögensverfügung oder –schaden von vornherein aus. Bislang wird Eigendoping nur mittels verbandsrechtlicher Wettkampfsperren geahndet, welche durch die Sportfachverbände ausgesprochen werden.
Das "Selbstdopen" wird strafbar
Da es aber gerade die Sportler selbst sind, die durch die künstliche Leistungssteigerung den Ausgang eines Wettkampfes verfälschen, soll nun auch ihre Handlung strafbar werden. Der Kern der Neuausrichtung staatlicher Dopingbekämpfung ist daher die Kriminalisierung des Selbstdopings. Die Integrität des Sports wird damit zu einem strafrechtlich schützenswerten Rechtsgut erhoben.
§ 3 Abs. 1 AntiDopG definiert Selbstdoping als das Anwenden eines Dopingmittels oder einer Dopingmethode ohne medizinische Indikation in der Absicht, sich einen Vorteil in einem Wettbewerb des organisierten Sports zu verschaffen. Unter Methoden versteht man Dopingarten wie "Gendoping", die ohne die Anwendung von Stoffen auskommen. Das Gesetz verweist zur Konkretisierung auf die Aufzählung in der Anlage zum Internationalen Übereinkommen gegen Doping im Sport von 2005, die in Zusammenarbeit mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) regelmäßig um neu auftretende Dopingarten aktualisiert wird. Darunter finden sich etwa diverse Anabolika, Steroide, Wachstumshormone und das – vor allem aus dem Radsport bekannte – Erythropoetin, kurz: EPO.
2/2: Nur Spitzensportler erfasst
Nicht jeder kann allerdings Täter des "Eigendopings" sein. Darunter sollen nur Spitzensportler fallen, die ihren Sport organisiert ausüben. Als ein solcher gilt, wer als Mitglied eines Testpools Trainingskontrollen des Dopingkontrollsystems unterliegt oder wer aus seiner sportlichen Betätigung Einnahmen von erheblichem Umfang erzielt (§ 4 Abs. 6 AntiDopG). Die Verfasser des Entwurfs nehmen an, dass nur solche Sportler die Integrität des Sports in strafwürdigem Maß erschüttern können, weil nur ihre Form des Leistungssports von der Öffentlichkeit derart stark wahrgenommen wird.
Mit dem Verweis auf die Zugehörigkeit eines Spitzensportlers zu einem Testpool des Dopingkontrollsystems schlägt das AntiDopG die Brücke zum Recht der Sportverbände und Anti-Doping-Agenturen. Federführend in der Bekämpfung ist seit 2002 neben der WADA die deutsche Nationale-Anti-Doping Agentur (NADA), beides privatrechtliche Stiftungen. Die NADA ist als nationaler Ableger zur Umsetzung der WADA-Regularien und zur Einrichtung eines effektiven Dopingkontrollsystems verpflichtet.
Als Teil ihres Kontrollsystems hat die NADA drei Testpools definiert, denen jeder Profisportler zugeteilt wird, je nachdem, wie risikoreich, also dopinganfällig seine Sportart ist und auf welchem Niveau er sie ausübt. Die Pools unterscheiden sich vor allem in der Kontrollhäufigkeit und in der Meldepflicht, der die Sportler gegenüber der NADA unterliegen. Alle Sportler in dem System müssen sich ohne Einschränkungen jederzeit für Dopingkontrollen bereithalten. In der höchsten Kategorie, der zum Beispiel die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft angehören, müssen sie sogar im Voraus Angaben zu ihrem täglichen Aufenthaltsort machen, an dem sie für eine Dopingkontrolle zur Verfügung stehen. Wird ein Sportler beim Eigendoping "erwischt", wird ihm nach Art. 10 NADA-Code regelmäßig eine Wettkampfsperre von zwei Jahren auferlegt, 2015 soll sie gar auf vier Jahre erhöht werden.
Im Strafrecht gibt es keine "indirekte Beweisführung"
Eine Besonderheit des NADA-Dopingrechts ist die Möglichkeit der sogenannten indirekten Beweisführung. Demnach sind Sanktionen wegen Dopings nicht nur dann möglich, wenn dem Athleten konkret nachgewiesen wurde, dass er bei seiner Leistung "nachgeholfen" hat, sondern auch schon bei Indizien, die den Rückschluss darauf zulassen.
Dafür können etwa schon anormale Blutwerte eines Athleten in der A- und B-Probe herangezogen werden. Nach Art. 2.1 NADA-Code ist nicht erforderlich, dass dem Sportler Vorsatz, Verschulden, Fahrlässigkeit oder bewusster Gebrauch nachgewiesen wird, um einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zu begründen. Praktisch kommt die Anwendung dieses Maßstabes eher einer Beweislastumkehr gleich, so dass der Sportler bei Auftreten von Blutanomalien selbst substantiiert dazu vortragen muss, wieso dies nicht auf der Einnahme von Dopingmitteln beruht.
Mit Blick auf diesen Beweismaßstab ergibt sich ein Konflikt des autonomen Doping-Verbandsrechts mit dem geplanten staatlichen Doping-Strafrecht. Eine Beweislastumkehr oder eine solche Vermutung ist dem von der Unschuldsvermutung geprägten deutschen Strafrecht fremd. Im Strafprozess muss dem Sportler vielmehr die Erfüllung sämtlicher Tatbestandsmerkmale von den Strafverfolgungsbehörden nachgewiesen werden. Allein vom Vorliegen einer positiven Dopingprobe dürfte beispielsweise nicht auf ein objektiv und subjektiv tatbestandsmäßiges Verhalten im Sinne des Selbstdopings nach § 3 AntiDopG geschlossen werden. Allerdings ist es wohl berechtigt, den Beweismaßstab im Sportgerichtsverfahren zu senken, weil den Sportverbänden nicht die gleichen Ermittlungsmethoden zur Verfügung stehen können wie den Behörden.
Kollision von Sport- und Strafgerichtsbarkeit
Obwohl die Entwurfsbegründung ein Nebeneinander von strafrechtlichen Sanktionen und sportverbandsrechtlichen Möglichkeiten propagiert und das Strafverfahren als Ergänzung des Sportgerichtsverfahrens ansieht, könnte es in der Praxis daher zu divergierenden Entscheidungen kommen. Sollte ein Sportler zwar vom Sportgericht freigesprochen, aber im Strafverfahren wegen Selbstdopings verurteilt werden, könnten seine Konkurrenten den Wettkampf wohl im Nachhinein noch anfechten. In der umgekehrten Situation könnten die zu unrecht gesperrten Athleten Schadenersatzansprüche gegen den Sportverband erheben. Anstelle eines "Hand in Hand" von Sport- und Strafgerichtsbarkeit käme es dabei eher zur Kollision der Verfahren, die sich der Gesetzentwurf als Parallele vorstellt.
Dennoch könnte ein anderer Aspekt das AntiDopG zu einer Arbeitserleichterung bei der Doping-Bekämpfung für Sportverbände und Anti-Doping-Agenturen führen. Der in § 8 AntiDopG neu eröffnete Informationsaustausch über personenbezogene Daten zwischen Staatsanwaltschaften, Gerichten und NADA ermöglicht den Sportgerichten, ihre Verfahren auf strafprozessuale Ermittlungsergebnisse zu stützen und ein Auseinanderfallen der Urteile zu vermeiden.
Allerdings müssten diese dazu ihre Verfahren bis zum Abschluss des Strafprozesses aussetzen und hinnehmen, dass mutmaßliche Dopingsünder solange weiter an Wettkämpfen teilnehmen. Ob indes eine ausgebremste Sportgerichtsbarkeit das Vertrauen in die Sauberkeit des Sports stärken wird, kann man bezweifeln.
Ohnehin scheint das Anti-Doping-Gesetz nur der erste Schritt der staatlichen Novellierung des Sportrechts zu sein. In Justiz- und Innenministerium laufen bereits Planungen für ein Gesetz gegen Spielmanipulationen und Sportbetrug.
Der Autor Alexander Hettel ist Doktorand an der Universität Mannheim und forscht zu Rechtsfragen bei internationalen und nationalen Spielertransfers im Profifußball. Ehrenamtlich ist er als Sportrichter im Südbadischen Fußball-Verband tätig.
Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes: Staatlich verbotene Leistungssteigerung . In: Legal Tribune Online, 17.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13831/ (abgerufen am: 16.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag