Heribert Schwans Ko(h)lportage: Der Ghostwriter, den er rief

von Markus Kompa

10.10.2014

Dieser Tage ist Helmut Kohl in den Schlagzeilen wie seit der Wende nicht mehr. Das liegt nur zum kleineren Teil an seinem am Mittwoch auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellten Erinnerungsband. Zentrales Thema ist vielmehr der Streit mit Ex-Ghostwriter Heribert Schwan, der aus Gesprächen mit Kohl ohne dessen Segen allerlei pikante Details veröffentlicht. Ein riskantes Unterfangen, meint Markus Kompa.

Zur Zeit blicken die Medienrechtler gespannt nach Oggersheim, wo der "Schwarze Riese" seinem ehemaligen Ghostwriter Heribert Schwan grollt. Schwan hatte gemeinsam mit Helmut Kohl im Auftrag eines Verlags mehrere Bände der Kohl-Memoiren geschrieben, wobei Kohl als Autor firmierte. Als vertraglich vereinbarte Arbeitsgrundlage hierzu hatte Schwan 2001 und 2002 über 630 Stunden Interviews geführt. Während dieser Zeit hatte sich der Altkanzler im Zuge der damals aktuellen Spendenaffäre von vielen Weggefährten verraten gesehen. Etliche Bemerkungen des verbitterten Kohl waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, jedenfalls wohl nicht zu Lebzeiten. Zur Sprache kam auch Kohls Stasi-Akte, für die er 2004 beim Bundesverwaltungsgericht teilweise die Geltung einer 30jährigen Sperrfrist durchgesetzt hatte.

Kohl behielt sich gegenüber dem Verlag ein Eigentumsrecht am Manuskript vor. Zwar übertrug Schwan sämtliche seiner Nutzungsrechte an seinem Werk dem Verlag, auch bleibt Schwan als Urheber ungenannt. Schwan selbst allerdings unterschrieb gegenüber Kohl nie eine Verschwiegenheitsverpflichtung. Auch ein Ehrenwort, wie es Kohl seinen geheimen Spendern in Nibelungentreue gegeben hatte, war Schwan wohl nicht abgefordert worden.

Nachdem es zwischen beiden Männern zum Zerwürfnis kam, verzichtete Kohl auf Schwans weitere Mitwirkung. Der vom Verlag finanziell abgefundene Schwan prahlte nach seiner Demission dann im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL damit, nun sein eigenes Kohl-Buch zu schreiben und darin auch sein Insiderwissen zu kolportieren. Das Hamburger Blatt war von Kohl 1982 mit einem Bann belegt worden, als es sich eine unflätige Andeutung über dessen Privatleben erlaubt hatte.

Verkohlte Tonbänder

Kohl schwante nichts Gutes und so verklagte er Schwan auf Herausgabe der Bänder. Das Landgericht Köln erkannte eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Herausgabe nach § 667 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da es die Bänder als "erlangtes Etwas" zur Erfüllung des nunmehr gekündigten Auftrags ansah. Außerdem bewerteten die Kölner Richter die Absprache als formunwirksames Schenkungsversprechen von Todes wegen im Sinn des § 2301 BGB.

Schwan ging in Berufung und reklamierte sein Eigentum an den Tonbändern. Das OLG Köln entschied tatsächlich nach Eigentumslage, allerdings zugunsten von Kohl. Der Altkanzler habe Sacheigentum an den Bändern nach § 950 BGB erworben, weil der Pfälzer sie durch Besprechen in historische Dokumente umgewandelt habe. Mithin sei Kohl als Hersteller der Tonbandaufzeichnungen anzusehen. Damit stünde Schwan allenfalls Ersatz für den Materialwert nach § 951 BGB zu. Eine Nutzungsuntersagung ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen – zudem richtete das OLG einen moralischen Appell an Kohl, die Bänder etwa einem Museum oder einer Stiftung zu überlassen. Der Fall liegt nun beim BGH.

Trotz Niederlage vor dem OLG: Schwan-Buch erscheint

Während Kohls Amtskollege Richard Nixon einst die Veröffentlichung seiner berühmten Tonbänder verhindern konnte, hatte Kohl mit seinem indiskreten Ghostwriter weniger Glück. Schwan hatte sich Kopien der Tonbänder gezogen und auf dieser Grundlage eigenmächtig sein Buch geschrieben. Dieses wurde nun am Dienstag ausgerechnet mit PR-Partner SPIEGEL der Öffentlichkeit präsentiert. Eine Veröffentlichung vermochte Kohl trotz durchgesickerter Ankündigung offenbar nicht zu verhindern. Europas erster Ehrenbürger wurde nun in erster Linie mit seinen abschätzigen Bemerkung blamiert, die sich der Staatsmann heute vielleicht ganz, in jedem Falle aber in der Öffentlichkeit verkniffen hätte.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass das Landgericht Köln eine von Kohl beantragte Unterlassungsverfügung ohne Verhandlung zurückgewiesen hat. Ob der Antrag hierauf bereits die erst diese Woche bekannt gewordenen konkreten Äußerungen betrifft, oder ob präventiv ins Blaue hinein ein Verbot beantragt wurde, ist unklar. Für letzteres spricht die dem Vernehmen nach auch aus formalen Gründen erfolgte Abweisung. Die Sache liegt nun beim OLG Köln.

Geschwärzter Schwan?

Es spricht viel dafür, dass Schwans Buch in künftigen Auflagen mit schwarzen Balken ausgeliefert werden wird. Zwar greift nicht der strafrechtliche Schutz der Vertraulichkeit des Wortes aus § 201 Strafgesetzbuch (StGB), da die Aufnahmen befugt hergestellt wurden. Schwan ist auch kein Berufsgeheimnisträger nach § 203 StGB, ebenso wenig handelt es sich sich bei dem Material um Geschäftsgeheimnisse nach § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Auch das Redaktionsgeheimnis begründet keinen eigenständigen Unterlassungsanspruch, sondern beeinflusst lediglich die richterliche Wertung bei der Abwägung von Grundrechtseingriffen, wie es das Bundesverfassungsgericht 1984 in der Entscheidung "Wallraff I" vorzeichnete (Urt. v. 25.01.1984, Az. 1 BvR 272/81). Vorliegend befanden sich die Parteien nicht in einem typischen redaktionellen Arbeitsverhältnis, in dem die Vertraulichkeit in die Redaktionsarbeit etwa zugunsten von Informanten besonderen Schutzes bedurfte.

Auch nebenvertragliche Treuepflichten aus §§ 242, 157 BGB, wie vereinzelt vorgeschlagen wird, oder eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB werden kaum helfen, denn es mangelt wohl an einem greifbarem Vertrag oder einer nicht bedachten Regelungslücke. Das ungewöhnliche Fehlen einer Verschwiegenheitserklärung dürfte nämlich mit einem angeblichen Zugeständnis Kohls zu erklären sein, Schwan zumindest eine postmortale Auswertung zu erlauben. Während es bei einem typischen Ghostwriter ein Gentleman's Agreement zur Diskretion geben mag, war beim prominenten Journalisten Schwan, der über etliche Politiker Biographien unter seinem eigenen Autorennamen veröffentlicht hatte, mit einem entsprechenden Eigeninteresse zu rechnen. Mithin lag wohl ein bewusster Verzicht auf Absprachen vor. Auch der Verlag scheint mit Schwan keine vertraglichen Unterlassungspflichten wie Konkurrenzschutz vereinbart zu haben.

Zitiervorschlag

Markus Kompa, Heribert Schwans Ko(h)lportage: Der Ghostwriter, den er rief . In: Legal Tribune Online, 10.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13445/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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