Nach einem Urteil des baden-württembergischen Staatsgerichtshofs steht fest, dass der Rückkauf von EnBW-Aktien durch das Land verfassungswidrig war. Die neue Landesregierung will die Verluste nach dem Aktiensturz nun als Schadensersatz bei den beteiligten Anwälten geltend machen. Ob die Juristen für ihre Falschberatung zahlen müssen, untersucht Patrick Ostendorf.
Im Oktober hat der baden-württembergische Staatsgerichtshof festgestellt (Urt. v. 06.10.2011, Az. GR 2/11), dass der Rückkauf der Anteile der EnBW durch das Land Baden Württemberg das parlamentarische Budgetrecht verletzt hat und damit verfassungswidrig war. Seitdem steht die renommierte Anwaltskanzlei Gleiss Lutz in der Kritik: Sie hatte die damalige Landesregierung beraten und war dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Anteilskauf ohne Einschaltung des Parlaments auf ein Notbewilligungsrecht des Finanzministers stützen lässt – eine Einschätzung, die den Staatsgerichtshof nicht überzeugt hat, weil die dafür nötige Eilbedürftigkeit nicht vorlag.
Wenig überraschend ist daher, dass die neue grün-rote Regierung jetzt die damaligen Anwälte wegen Fehlberatung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will. Nach längerer Suche ließ sich auch eine Kanzlei finden, die ein entsprechendes Gutachten erstellt.
An einem Schaden des Landes Baden-Württemberg fehlt es jedenfalls nicht, hat sich der Wiedereinstieg bei EnBW doch längst als schlechter Deal herausgestellt: Nicht zuletzt durch die Nuklearkatastrophe von Fukushima ist der Kurs des vom französischen Marktführer Electricité de France übernommenen Aktienpakets an der EnBW mittlerweile dramatisch gefallen.
Nicht jede Falschberatung löst einen Schadensersatzanspruch aus
Ob die Anwälte für diese Differenz haften müssen, wäre allerdings selbst dann fraglich, wenn man ihnen tatsächlich eine Falschberatung nachweisen könnte. Zwar gäbe es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Verletzung von Beratungspflichten und den Verlusten durch den Kursabsturz, wenn man unterstellt, dass der Kauf nicht zustande gekommen wäre, wenn die Anwälte auf die zwingende Notwendigkeit der Beteiligung des Parlaments hingewiesen hätten.
Im deutschen Schadensrecht reicht die bloße Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden aber nicht aus: Zusätzlich muss der Nachteil auch vom so genannten Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht erfasst werden. Mit anderen Worten: Der entstandene Schaden muss gerade aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche Pflicht übernommen worden ist.
Dieser notwendige Schutzzweckzusammenhang fehlt hier. Die anwaltliche Beratung diente - soweit bekannt - letztlich nur dazu, die Verfassungsmäßigkeit und die Wirksamkeit des Anteilskaufs sicherzustellen. Aufgabe der Advokaten war es dagegen nicht, das Land vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Erwerbs zu schützen.
Der Imageschaden bleibt
Vor diesem Hintergrund haftet Gleiss Lutz nur für Schäden, die sich aus der Rückabwicklung einer unwirksamen Transaktion ergeben würden. Also wenn der Vertrag wegen Nichtigkeit rückgängig gemacht würde. Das aber ist ein gegenwärtig wenig realistisches Szenario – einmal davon abgesehen, dass die Haftungssumme bei einer Rückabwicklung erheblich niedriger ausfallen würde als die Beträge, die derzeit diskutiert werden.
Interessanterweise hatte ein englisches Gericht kürzlich einen ähnlichen Fall zu entscheiden und dabei dem deutschen Recht vergleichbare Grundsätze der Schadenszurechnung angewendet. Hier konnte eine norwegische Topkanzlei nicht für Schäden wegen Falschberatung belangt werden, obwohl die Anwälte die von ihr beratene Bank fälschlicherweise nicht darauf hingewiesen hatten, dass ihre Vertragspartner – zwei norwegische Kommunen – für den Abschluss von Kreditverträgen gar nicht rechtsfähig waren. Die Richter entschieden, dass der geltend gemachte Schaden nicht auf der Unwirksamkeit der Transaktion beruht und damit nicht in den Schutzbereich der Beratungspflichten fällt.
Die Anwälte bei Gleiss Lutz dürfen also vorerst etwas aufatmen. Der entstandene Imageschaden allerdings lässt sich in Geld nicht messen.
Patrick Ostendorf ist Professor für Wirtschaftsrecht an der FH Bielefeld und Of Counsel bei Orth Kluth in Berlin.
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Patrick Ostendorf, Haftung für den EnBW-Deal: . In: Legal Tribune Online, 29.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5193 (abgerufen am: 31.10.2024 )
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