Das sind die Hausnummern des Grundgesetzes, nach denen sich in den nächsten Wochen das Berliner Politikgeschehen richtet. In Worten: Konstituierung des 18. Deutschen Bundestags, Wahl des Bundeskanzlers, vielleicht eine Weile eine geschäftsführende Regierung oder sogar eine Minderheitsregierung. Koalitionsverhandlungen finden sich in der Verfassung nicht, werden aber vorausgesetzt.
Ab wann sind die neu gewählten Abgeordneten im Amt?
Ab der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags. Das muss spätestens am 30. Tag nach der Wahl geschehen, Art. 39 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Bundestagspräsident Nobert Lammert will diese Frist offensichtlich auskosten und hat für die konstituierende Sitzung des 18. Deutschen Bundestags den 22. Oktober bestimmt.
Bis wann müssen die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sein? Was passiert bis dahin?
Dafür gibt es keinen festen Termin, die Koalitionsverhandlungen laufen vor allem unabhängig von der Konstituierung des Bundestags. Einen Rekord hat Angela Merkel bereits aufgestellt. Noch nie dauerten Koalitionsverhandlungen so lange wie 2005. Verhandlungen wurden damals erst rund einen Monat nach der Wahl überhaupt aufgenommen. Ab da sollte es noch einen weiteren Monat dauern, bis Merkel zur Kanzlerin gewählt wurde. Aktuell spekuliert SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles darüber, dass sich die Verhandlungen bis Dezember oder gar Januar hinziehen könnten.
Solange die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, bleibt die alte Regierung geschäftsführend im Amt, deren Zeit eigentlich mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages abläuft, Art. 69 Abs. 2, 3 GG.
Neue Minister dürfen während dieser Zeit nicht ernannt werden. Im Zweifel müssen andere das Amt eines ausscheidenden Ministers übernehmen. Am Dienstag entließ Bundespräsident Joachim Gauck Bundesverbraucher- und Agrarministerin Ilse Aigner bereits aus ihrem Amt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wird das Ressort bis zur Bildung einer neuen Regierung geschäftsführend übernehmen.
Eine geschäftsführende Regierung hat dieselben Befugnisse wir eine reguläre Regierung. Sie darf etwa Gesetze in den Bundestag einbringen, auch ein Haushaltsgesetz. Der Übergangscharakter kann lediglich Zurückhaltung gebieten.
Könnte die CDU auch ohne eine andere Partei regieren, obwohl sie keine absolute Mehrheit hat?
Ja, das könnte sie. Als Minderheitsregierung, die sich verfassungsrechtlich nicht von einer mit absoluter Mehrheit gebildeten Regierung unterscheidet. Eine Minderheitsregierung müsste sich für jedes Vorhaben neu die erforderliche Mehrheit suchen. Um für eine gewisse Stabilität zu sorgen, wird in der Regel vorab mit einer Fraktion aus der Opposition eine dauerhafte Tolerierung vereinbart.
Auf Bundesebene hat es das bisher nicht gegeben. In guter Erinnerung ist vielen noch der gescheiterte Versuch der hessischen SPD und Grünen, eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken zu bilden. Mehr Erfolg hatte dasselbe Unternehmen in NRW: Die Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft hielt immerhin zwei Jahre, bis der Entwurf für ein Haushaltsgesetz keine Mehrheit im Landtag fand. Auf Landesebene gibt es zwar noch weitere Beispiele, deren Zahl aber im Verhältnis zu der Zahl der Mehrheitsregierungen doch mickrig ausfällt.
Wer wählt den Bundeskanzler?
Der Bundeskanzler wird vom Bundestag gewählt, Art. 63 GG. Und zwar ohne Aussprache. Eine Debatte über die Person des Kandidaten ist im Parlament also unzulässig.
Welche Mehrheit braucht es dafür?
Das kommt darauf an. Im Zweifel sind drei Wahlgänge möglich mit unterschiedlichen Anforderungen an die Mehrheit.
Für den ersten Wahlgang schlägt der Bundespräsident einen Kandidaten vor. Dabei ist er grundsätzlich nicht gebunden. Allerdings soll er zu einer erfolgreichen Regierungsbildung beitragen und kann daher nicht grundlos einen Kandidaten vorschlagen, der wahrscheinlich keine Mehrheit bekommt, wenn ein mehrheitsfähiger Kandidat bereit steht.
Im ersten Wahlgang ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt, Art. 63 Abs. 2 GG, das ist die absolute Mehrheit. Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag selbst – also nicht mehr der Bundespräsident wie nach Art. 63 Abs. 1 GG im ersten Wahlgang – innerhalb von 14 Tagen einen Kandidaten vorschlagen und einen weiteren Wahlversuch unternehmen. Auch dabei braucht der Kandidat eine absolute Mehrheit, Art. 63 Abs. 3 GG.
Klappt auch das nicht, tritt die dritte Wahlphase ein. In dieser genügt eine relative Mehrheit, gewählt ist also, wer die meisten Stimmen erhält, Art. 63 Abs. 4 GG. Bekommt der Gewählte trotzdem eine absolute Mehrheit, so muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Andernfalls hat der Bundespräsident die Wahl, Art. 63 Abs. 4 GG: Er kann den Gewählten entweder innerhalb von sieben Tagen ernennen oder den Bundestag auflösen und damit für Neuwahlen sorgen.
cko/LTO-Redaktion
Die Regeln der Regierungsbildung: 39 zwei, 63, 69 drei plus Gespräche . In: Legal Tribune Online, 07.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9744/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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