Turnusmäßig alle vier Jahre von März bis Mai finden deutschlandweit Betriebsratswahlen statt – wenn die Arbeitnehmer denn wollen. Denn Bildung und Wahl eines Betriebsrats sind ein Recht, aber keine Pflicht der Arbeitnehmer. Sie zu stören, stellt hingegen sogar eine Straftat dar. Voraussetzungen und Ablauf der bevorstehenden Betriebsratswahlen erläutert Michael Fuhlrott.
Gibt es im eigenen Betrieb eigentlich einen Betriebsrat? Wer sich die Frage stellen muss, der hat keinen – oder zumindest keinen sonderlich aktiven. Aber vielleicht ändert sich das ja bald, denn die turnusmäßigen Betriebsratswahlen fallen auf das Jahr 2014 und stehen dieser Tage ins Haus. Dass sie alle vier Jahre zwischen März und Mai stattzufinden haben, bestimmen das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und die Wahlordnung (WahlO).
Auf betrieblicher Ebene hat ein Betriebsrat weite Mitbestimmungsrechte in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Für Unternehmen ist es daher eine wesentliche Frage, ob sie ihre Entscheidungen alleine treffen oder zuvor in Konsultationen mit dem Betriebsrat treten müssen.
Recht, aber keine Pflicht der Arbeitnehmer
Die Bildung eines Betriebsrats ist ein Recht, aber keine Pflicht der Arbeitnehmer. Werden nicht mindestens drei Arbeitnehmer aktiv und initiieren eine Betriebsratswahl, bleibt der Betrieb betriebsratslos. Dies erklärt, warum es zahlreiche Betriebe gibt, die zwar betriebsratsfähig sind, aber bei denen dennoch kein Betriebsrat besteht.
Dabei kann im Grundsatz gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG in jedem Betrieb mit regelmäßig mindestens fünf Arbeitnehmern ein Betriebsrat gewählt werden. Dessen Größe steigt zudem mit der Belegschaftsgröße und ergibt sich aus § 9 BetrVG: Während in kleineren Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern der Betriebsrat aus einer Person besteht, werden etwa in typischen "Mittelstands-Betrieben" mit 201 bis 400 Arbeitnehmern bereits neun Betriebsräte gewählt. Die Zahl ist stets ungerade, damit es bei Abstimmungen nicht zu Patt-Situationen kommt. Ab einer Größe von 200 Arbeitnehmern im Betrieb ist zudem ein Betriebsratsmitglied dauerhaft von der Arbeitsleistung freizustellen, um ausschließlich Betriebsratsaufgaben nachzugehen.
Betrieb, Unternehmen und Konzern
Anknüpfungspunkt für die Bildung eines Betriebsrats ist stets der Betrieb, also die organisatorische Einheit wie das einzelne Werk oder der einzelne Produktionsstandort. Nur für diesen Betrieb ist der einzelne Betriebsrat auch zuständig. Das hat den Sinn, dass die Mitbestimmungsaufgaben dezentral dort wahrgenommen werden sollen, wo sie anfallen. Nicht maßgeblich ist daher das Unternehmen als rechtliche Einheit, wie zum Beispiel die mehrere Werke oder Produktionsstandorte aufweisende GmbH oder AG oder gar die mehrere Unternehmen umfassende Holding.
Allerdings kann auf Unternehmens- bzw. Konzernebene zusätzlich zum örtlichen Betriebsrat ein sogenannter Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat gewählt werden. Diese sind dem örtlichen Betriebsrat aber nicht vorgesetzt. Im Gegenteil sind sie nur subsidiär für solche Aufgaben zuständig, die der örtliche Betriebsrat aufgrund der Betroffenheit mehrerer Betriebe oder mehrerer Unternehmen nicht alleine wahrnehmen kann – wie etwa eine deutschlandweit für alle Betriebe geltende Dienstbekleidung.
Keine Repressalien für Betriebsräte – aber auch keine Vergünstigungen
Wer mit dem Gedanken spielt, selbst im Betriebsrat tätig zu werden, der ist zumindest rein rechtlich gut vor Repressalien durch den Arbeitgeber abgesichert. Betriebsratsmitglieder genießen für die Dauer ihrer Amtszeit Sonderkündigungsschutz und können nur mit Zustimmung des Betriebsrats oder des Arbeitsgerichts in Ausnahmefällen gekündigt werden. Auch erfolglose Wahlbewerber genießen für ein halbes Jahr nach der Wahl einen solchen Sonderkündigungsschutz.
Während der Ausübung der Tätigkeit darf das Betriebsratsmitglied gemäß § 78 S. 2 BetrVG weder benachteiligt noch bevorzugt werden. Dies gebietet es nach der Rechtsprechung zwar nicht, das wirksam befristete Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds zu entfristen. Allerdings dürfen Betriebsräte in ihrer Gehaltsentwicklung keine Nachteile durch ihre Tätigkeit erleiden und sind daher trotz ihrer Tätigkeit wie andere Arbeitnehmer bei Beförderungen zu berücksichtigen.
Viel häufiger in der Praxis ist jedoch das Anbieten von Vorteilen, um sich so einen gnädig gestimmten Betriebsrat zu erkaufen: Da § 78 S. 2 BetrVG aber auch Vergünstigungen verbietet, wäre zum Beispiel eine pauschale Zahlung einer "Funktionszulage Betriebsrat" oder das Spendieren luxuriöser Reisen nicht rechtens.
2/2: Aktives und passives Wahlrecht
An den Wahlen teilnehmen darf jeder volljährige Arbeitnehmer. Auch Leiharbeitnehmer dürfen im Entleiherbetrieb mitwählen, wenn sie mindestens drei Monate dort beschäftigt sind, § 7 S. 2 BetrVG. In den Betriebsrat gewählt werden dürfen hingegen nur direkt dem Betrieb angehörige Arbeitnehmer, die dort bereits mindestens sechs Monate beschäftigt sind. Leiharbeitnehmer dürfen daher in keinem Fall in den Betriebsrat des Betriebs gewählt werden, der sie entliehen hat. Dafür wählen Leiharbeitnehmer in ihrem Stammbetrieb, also ihrem Zeitarbeitsunternehmen einen eigenen Betriebsrat.
Dort dürfen sie natürlich auch in den Betriebsrat gewählt werden. Zudem zählen Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Belegschaftsgröße und dadurch mittelbar bei der Größe des Betriebsrats im Entleiherbetrieb mit. Eine Ausnahme bilden schließlich noch die sogenannten leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG: Dabei handelt es sich um Arbeitnehmer, die dem Arbeitgeber besonders nahe stehen, etwa Betriebsleiter oder Prokuristen. Diese leitenden Angestellten haben für die Betriebsratswahlen weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht.
Störungen der Wahl als Straftat
Doch natürlich kann es auch Arbeitnehmer auf niederen Positionen geben, die sich aus unterschiedlichen Gründen vor allem den Unternehmensinteressen verpflichtet fühlen. Der Arbeitgeber könnte versucht sein, die Wahl zu beeinflussen, um solche ihm genehmen Kandidaten in den Betriebsrat zu befördern. Das wäre jedoch sogar strafrechtlich relevant: Gemäß § 119 Abs. 1 BetrVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe derjenige bestraft, der eine Betriebsratswahl behindert oder durch Versprechen von Vor- bzw. Nachteilen zu beeinflussen versucht.
Dies betrifft nicht nur den Fall, in dem der Arbeitgeber die Wahlinitiatoren einschüchtert oder mit Kündigung bedroht. Umfasst sind auch subtilere Mittel wie etwa arbeitgeberseitige Wahlempfehlungen oder Aufrufe zur Wahl einer bestimmten Liste. Gleiches gilt für die Zahlung einer Prämie für diejenigen Arbeitnehmer, die nicht an der Wahl teilnehmen.
Alle derartigen Störungen sind daher keine Kavaliersdelikte, sondern können staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nach sich ziehen. Vor einer solchen Inanspruchnahme schützt auch die beste D&O–Versicherung nicht. Ebenso wenig übrigens wie die Gunst des Chefs, so dass Personaler, die im vermeintlich wohlverstandenen Interesse des Unternehmens in diese Richtung tätig werden, mit empfindlichen persönlichen Nachteilen rechnen müssen.
Andererseits muss kein Arbeitgeber das Interesse an der Wahl eines Betriebsrats fördern – und kann auf Passivität seitens der Belegschaft hoffen. Aber Achtung: Auch wenn Betriebsräte regelmäßig nur alle vier Jahre zwischen März und Mai und damit das nach der aktuellen Wahl turnusmäßig erst 2018 gewählt werden: Ein betriebsratsloser, aber zugleich betriebsratsfähiger Betrieb darf jederzeit einen Betriebsrat wählen.
Der Autor Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeits- & Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg und regelmäßiger Referent zu arbeitsrechtlichen Themen.
Michael Fuhlrott, Betriebsratswahlen 2014: Alle vier Jahre wieder . In: Legal Tribune Online, 06.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11245/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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