Der EuGH soll darüber entscheiden, ob bereits die bloße Behauptung der Diskriminierung eines Stellenbewerbers genügen kann, um Auskunft über eine Arbeitsplatzbesetzung zu fordern. Bejaht das Gericht einen solchen Anspruch, stellt dies nicht nur Personalabteilungen vor Probleme. Es drohen arbeitgeberseitige Vorratsdatenspeicherung und Missbrauch.
Hat ein abgelehnter Stellenbewerber Anspruch darauf, zu erfahren, ob und aufgrund welcher Kriterien der von ihm angestrebte Arbeitsplatz besetzt wurde? Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschl. v. 20.05.2010, Az. 8 AZR 287/08) nun dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.
Grundlage eines solchen Anspruchs könnte die Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie sein. In dem vorgelegten Rechtsstreit behauptet die Klägerin, sie sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft sowie ihres Alters von Mitte vierzig nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Die Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllte die in Russland geborene Klägerin.
Ein Indiz, welches für eine Diskriminierung spräche, kann die Klägerin nicht benennen. Gerade das Fehlen solcher Anhaltspunkte ist – so absurd dies zunächst klingt – jedoch Voraussetzung des fraglichen Auskunftsanspruchs. Bestehen nämlich Hinweise auf eine Diskriminierung, bürdet bereits § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dem Arbeitgeber die Last des Nachweises auf, dass keine Diskriminierung erfolgte.
Nicht wenige Unternehmen schaffen selbst solche Indizien. Dies gilt beispielsweise für die erstaunlich weit verbreitete Praxis, auch ohne konkrete Notwendigkeit Blut- oder Urinproben von Bewerbern zu fordern. Eine schwangere Bewerberin, die nach Abgabe einer solchen Probe eine Absage erhält, hat gute Chancen, in den Genuss der Beweislastumkehr zu gelangen. Obwohl die Anforderungen also relativ gering sind, konnte die Klägerin diese nicht erfüllen.
Diskriminierung von real bis normal
Den in Frage stehenden Anspruch deshalb als unzulässigen Generalverdacht abzutun, wäre indes zu kurz gedacht. Dass es zu Diskriminierungen kommt, ist nicht zu leugnen. Ein Bewerber, der nie die Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch erhält, weil er bereits zuvor aufgrund seines Alters oder ausländischen Namens ausgesiebt wird, kann kaum Indizien für eine Diskriminierung benennen.
Die Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung wegen des Alters oder einer Schwerbehinderung ist letztlich sogar allgemein anerkannt. Sozialpläne sehen – zu Recht und ganz selbstverständlich – wegen der schlechteren Chancen älterer und schwerbehinderter Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt für diese in der Regel höhere Abfindungen vor.
Trotz aller Berechtigung des Diskriminierungsschutzes würde ein Auskunftsanspruch ohne das Indiz einer Diskriminierung jedoch mehr Probleme aufwerfen als lösen.
Die Schattenseiten: Datenschutzfragen, großer Aufwand für Unternehmen, AGG-Hopping
Vorprogrammiert ist ein Konflikt mit dem ebenfalls hohen Gut des Datenschutzes. Arbeitnehmer müssten, selbst wenn sie ein Unternehmen schnell wieder verlassen, mit der Aufbewahrung und Weitergabe ihrer persönlichen Daten rechnen. Der mit dem derzeit diskutierten Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz angestrebten Erhöhung des Schutzniveaus läuft dies zuwider.
Würde ein Auskunftsanspruch zuerkannt, bedeutete dies zudem einen von vielen Personalabteilungen kaum mehr zu bewältigenden administrativen Aufwand. Schließlich zu befürchten wäre ein Aufblühen des derzeit auf Einzelfälle beschränkten AGG-Hoppings – des Bewerbens allein mit dem Ziel, eine Zahlung nach dem AGG zu erhalten.
Bis zur Entscheidung des EuGH wird es noch einige Zeit dauern. Bereits jetzt ist aber zu empfehlen: Sprechen die "harten Fakten" nicht für sich, sollten Personalverantwortliche bei der Auswahlentscheidung zwischen Bewerbern stets Notizen zu ihren Auswahlüberlegungen fertigen. Sich hierbei an Soft Skills wie Teamfähigkeit, Engagement oder freundlichem Auftreten zu orientieren, ist zulässig.
Die Autorin Dr. Gudrun Germakowski ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht einer internationalen Sozietät am Standort Düsseldorf.
Gudrun Germakowski, Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber: . In: Legal Tribune Online, 09.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/935 (abgerufen am: 31.10.2024 )
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