Die Alternative für Deutschland verkauft goldene Deutsche-Mark-Münzen. Dabei geht es weder um die Euro-kritische Position noch um die eher kleinen Gewinne aus dem Edelmetall. Die umstrittene Partei erhält so vor allem mehr Geld aus den Töpfen der staatlichen Parteienfinanzierung. Die müsste dringend reformiert werden, meint Sebastian Roßner.
Die Alternative für Deutschland (AfD) hat jetzt die deutsche Parteienlandschaft um diese ungewöhnliche Figur bereichert. Verkaufsschlager ist eine goldene Ein-DM-Münze aus dem Jahr 2001, dem letzten also, bevor der bei der AfD wenig geliebte Euro eingeführt wurde.
Solche Deutsche Mark-Devotionalien zu verkaufen, transportiert auch eine politische Aussage. Das ist aber nicht das Hauptmotiv der AfD, Aktivitäten als Edelmetallhändlerin zu entfalten. Es geht nicht um Gold, sondern um Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung.
Tatsächlich können die Münzverkäufe der AfD dabei helfen, mehr Mittel aus dem Steuersäckel zu erhalten. Grund dafür sind Fehler in der Konstruktion des deutschen Parteienrechts.
Staatliche Parteienfinanzierung: nah der Gesellschaft, fern vom Staat
Lange Zeit wurde die staatliche Subventionierung der Parteien als Wahlkampfkostenerstattung getarnt. 1991 brach das Bundesverfassungsgericht mit diesem frommen Schwindel und ließ eine allgemeine staatliche Parteienfinanzierung zu (BVerfG, Urt. v. 26.11.1991, Az. 2 BvE 2/89). Leistungen aus öffentlichen Mitteln sollten nun an den Erfolg bei Wahlen und an die Mitgliedsbeiträge und Spende geknüpft werden, welche die Partei einnahm.
Allerdings zog das Gericht mit seiner neuen Auslegung von Art. 21 GG dem erwarteten Geldhunger der Schatzmeister zwei Grenzen, um die Parteien als Werkzeuge der Bürger zu sichern, mit denen diese staatliche Entscheidungen steuern können. Dafür müssen die Parteien in der Gesellschaft verwurzelt und staatsfrei bleiben, d.h. sie sollen nicht durch den Staat gesteuert und insbesondere nicht von ihm finanziell abhängig werden.
Für die Verwurzelung in der Gesellschaft sahen es die Richter in Karlsruhe als hilfreich an, wenn die Parteien gezwungen wären, sich bei den Bürgern um Geld zu bemühen. Das BVerfG deckelte also den Gesamtbetrag, den der Staat an die Parteien verteilen darf (absolute Obergrenze) und es bestimmte, dass keine Partei mehr staatliche Mittel erhalten soll, als sie selbst erwirtschaftet (relative Obergrenze).
Je mehr eine Partei bekommt, desto weniger bleibt für die anderen
Der Gesetzgeber hat diese Vorgaben in den Vorschriften der §§ 18 ff. Parteiengesetz (PartG) verarbeitet, die allerdings gegenwärtig in Karlsruhe auf dem Prüfstand stehen. § 18 Abs. 2 gewährt vereinfacht gesprochen für jede gewonnene Stimme bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen 0,70 Euro an Bruttofinanzierungsansprüchen gegen den Staat gewährt. Hinzu kommen weitere 0,38 Euro für jeden Euro an Spenden und Mitgliedsbeiträgen, der der jeweiligen Partei zufließt.
In einem zweiten Berechnungsschritt werden die Bruttoansprüche, die sich daraus für die Parteien ergeben, zunächst auf das nach der relativen Obergrenze erlaubte Maß gestutzt, § 19a Abs. 5 S. 1 iVm §§ 18 Abs. 5 S. 1, 24 Abs. 4 Nr. 1 bis 7 PartG. Der Finanzierungsanspruch jeder Partei wird in diesem Berechnungsschritt also auf den Betrag gekürzt, welcher der Summe entspricht, die sie selbst erwirtschaftet hat.
Anschließend wird die absolute Obergrenze angewandt, § 19a Abs. 5 S. 1 iVm § 18 Abs. 5 S. 2, Abs. 2 S. 1 PartG. Die Gesamtsumme der staatlichen Parteienfinanzierung, die gegenwärtig auf ca. 154 Millionen Euro limitiert ist, wird in diesem letzten Berechnungsschritt proportional zu den gekürzten Bruttoansprüchen auf die Parteien verteilt, die sich durch Anwendung der relativen Obergrenze ergeben haben. Wird die Gesamtsumme ausgeschöpft, was meist der Fall ist, handelt es sich also um ein Nullsummenspiel. Je mehr eine Partei bekommt, desto weniger bleibt für die anderen.
2/2 AfD: Kleiner Gewinn, aber der Umsatz steigert die Staatsgelder
Mit ihren Goldhandelsaktivitäten nutzt die AfD einen Konstruktionsfehler in den Vorschriften aus, nach denen für die Anwendung der relativen Obergrenze die Eigenmittel der Parteien berechnet werden. § 24 Abs. 4 Nr. 1 bis 7 PartG, stellen nur auf die Einnahmen ab, die eine Partei erzielt. Der Aufwand, der dafür nötig ist, wird bei der Berechnung nicht berücksichtigt, wie § 26 Abs. 1 PartG klarstellt.
Für die Einnahmen aus Beiträgen und Spenden ist die Erfassung der bloßen Zuflüsse ohne entscheidende wirtschaftli-che Bedeutung. Bei diesen Einkommensquellen, welche § 24 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 PartG regelt, fallen typischerweise die Ausgaben im Verhältnis zu den Einnahmen nicht sehr ins Gewicht. Anders bei den Nummern fünf bis sieben der Vor-schrift: Hier geht es um Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit, aus Veranstaltungen, verlegerischer Tätigkeit und aus sonstigen mit Einnahmen verbundenen Aktivitäten. Bei solchen Tätigkeiten zehren die Kosten häufig einen großen Teil der Einnahmen wieder auf oder übersteigen sie sogar.
Auch die AfD erhält nach Angaben zum Beispiel des Tagesspiegels für ihre Goldverkäufe lediglich 1,5 Prozent Provision. Der Gewinn bleibt da schmal. Aber die Summe der erwirtschafteten Eigenmittel erhöht sich beträchtlich, nämlich um den gesamten Umsatz aus dem Goldhandel.
Der springende Punkt ist, dass für die AfD gegenwärtig jeder Euro Umsatz einen Euro an staatlicher Finanzierung wert ist. Die Partei leidet daran, dass sie zwar erhebliche Wahlerfolge feiern konnte, aber als neue Partei mit einer noch schmalen Mitgliederbasis und ohne nennenswertes Vermögen viel weniger eigene Mittel erwirtschaftet, als sie nach ihren Wählerstimmen an staatlichen Zuwendungen erhalten könnte. Dabei soll es nach Meldungen des Deutschlandfunks um eine Differenz von immerhin zwei Millionen Euro gehen.
Umsätze aus dem Goldhandel können in dieser Situation fehlende Einnahmen der AfD aus Mitgliedsbeiträgen, Spen-den, unternehmerischer Tätigkeit oder investiertem Vermögen ersetzen und dazu führen, dass sie ihr Potential an staatli-chen Zuwendungen ausschöpfen kann.
Kreative AfD-Anwendung führt Parteienfinanzierung ad absurdum
Diese kreative Anwendung der parteienrechtlichen Vorschriften durch die AfD darf aber nicht fortgesetzt werden. Ziel der relativen Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung ist ja, die Parteien zu hindern, finanziell zu sehr vom Staat abhängig zu werden und sie zu zwingen, sich um Unterstützung aus der Bevölkerung zu bemühen.
Das Gold-Modell der AfD führt diese Ziele ad absurdum. Bei den Edelmetallgeschäften geht es gerade nicht darum, durch erwirtschaftete Gewinne finanziell weniger abhängig vom Staat zu werden, sondern darum, die staatlichen Zuwendungen zu erhöhen.
Auch das zweite Ziel des derzeitigen Modells der Parteienfinanzierung in Deutschland verfolgt der Goldhandel nicht. Der Erfolg beim Verkauf von Goldmünzen zu annähernden Marktpreisen weist nämlich nicht nach, dass die Partei in der Bevölkerung verwurzelt wäre. Die Käufer erbringen kaum ein finanzielles Opfer zugunsten der AfD, sondern inves-tieren einfach in Gold. Zudem sind es nur wenige Kunden, die relativ große Umsätze bewirken. So meldet Focus.de, lediglich 800 Käufer hätten für einen Umsatz von bislang 1,6 Millionen Euro gesorgt.
Das Problem lässt sich nicht einfach durch eine bessere Auslegung der parteienrechtlichen Vorschriften beheben. Dage-gen sprechen nicht nur der klare Wortlaut des Parteiengesetzes, sondern vor allem die bisherige Praxis. Auch bei den anderen Parteien wurden die bloßen Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit als selbst erwirtschaftete Mittel akzeptiert, ohne dass jemand nachgeprüft hätte, wie hoch der erzielte Gewinn war oder wie viele Kunden die Partei von ihren Angeboten überzeugen konnte. Die AfD darf nicht anders behandelt werden.
Das Gesetz muss nachgebessert werden – und das gleich mehrfach
Wenn man in Zukunft unterbinden will, dass Parteien ihre Einnahmen künstlich aufblähen, bleibt nur eine Gesetzesän-derung. Einnahmen, die für die relative Obergrenze angerechnet werden können, müssten zumindest eines der beiden Kriterien erfüllen: Entweder müssen sie ein Beitrag zur finanziellen Unabhängigkeit der Partei sein oder als Nachweis der Unterstützung bei den Bürgern dienen.
Bei den Spenden und Beiträgen (§ 24 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 PartG) besteht insofern kein Änderungsbedarf. Aber als Mittel, welche die Parteien selbst aus unternehmerischer Tätigkeit, aus Veranstaltungen, aus verlegerischer Tätigkeit und aus sonstigen mit Einnahmen verbundenen Aktivitäten erwirtschaften. dürfen in Zukunft nur die Überschüsse aus diesen Aktivitäten zählen, die dann von der Partei jeweils nachgewiesen werden müssten. Ein aufwändiger Weg.
Es gibt aber noch mehr Änderungsbedarf bei der Parteienfinanzierung, denn die AfD weist mit ihrem Goldhandel auf ein weiteres Problem hin. Es ist ein typisches Problem erfolgreicher neuer Parteien, dass fehlende selbst erwirtschaftete Mittel durch die relative Obergrenze eine Kürzung der staatlichen Zuwendungen nach sich ziehen, wie auch die Pira-tenpartei vor einiger Zeit erfahren musste. Die geltenden Vorschriften verzerren so den Wettbewerb zugunsten der etab-lierten Parteien. Will man das System der staatlichen Parteienfinanzierung nicht grundlegend ändern, könnte an eine Karenzzeit für Parteien gedacht werden, die das erste Mal staatliche Zuwendungen erhalten. Sie wären dann für einige Jahre von der relativen Obergrenze zu befreien, um ihnen Zeit zu geben, eigene Strukturen aufzubauen.
Eine Reform des Parteiengesetzes sollte jedenfalls nicht zu einer Lex Anti-AfD verkommen, sondern die deutlich gewordenen Probleme insgesamt angehen.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und europäisches Parteienrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Sebastian Roßner, Handel mit Deutsche-Mark-Münzen: Gold für die Anhänger, Geld für die AfD . In: Legal Tribune Online, 10.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13754/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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