Small Talk mit Philipp Guttmann, Jurist und DAWUM-Gründer

"An drei Tagen pro­duk­tiver als in Voll­zeit"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 7 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Philipp Guttmann, Datenschutzrechtler und Nachhilfelehrer, über seine verschiedenen Jobs – und wie er die Wahlumfrage-Plattform DAWUM entwickelte.  

LTO: Herr Guttmann, was machen Sie beruflich?  

Philipp Guttmann: Ich bin Digital Privacy Law Specialist bei der ISiCO Datenschutz GmbH, die insbesondere mittelständische und große Unternehmen zu allen Fragen rund um den Datenschutz berät: vom Datenschutzmanagement und Risikoanalysen bis hin zu Fragen, wie man Websites datenschutzkonform gestalten kann und wie Unternehmen mit Datenschutzvorfällen und Betroffenenanfragen umgehen können. Bei ISiCO arbeite ich in Teilzeit, Montag bis Mittwoch. 

Und was machen Sie donnerstags und freitags? 

Da arbeite ich bei der Schülerhilfe als Nachhilfelehrer für Mathe, Deutsch und Englisch. Ich habe nach dem Abitur damit angefangen, mache das jetzt also seit über zehn Jahren. Beim Bewerbungsgespräch bei ISiCO habe ich gesagt, dass ich gerne in Teilzeit arbeiten würde, weil ich daneben noch Nachhilfe geben möchte. Das war kein Problem.  

Philipp Guttmann …

… ist hauptberuflich Datenschutzrechtler 

… hat sich das Programmieren selbst beigebracht 

… hat die Plattform DAWUM entwickelt 

… wollte ursprünglich Politik studieren 

… gibt nebenbei Nachhilfe in Mathe, Deutsch und Englisch 

Wie ist das denn, wenn Sie sich mittwochs nach Feierabend von Mandanten auf Schüler umstellen müssen? 

Manchmal nehme ich die Gedanken aus dem Datenschutzrecht mit oder stelle donnerstags oder freitags noch etwas fertig, aber grundsätzlich funktioniert dieser Wechsel gut.  

Während das Datenschutzrecht sehr dynamisch ist, ändern sich die Themen bei der Nachhilfe nicht so oft: Mathe bleibt gleich, da gibt es keine neuen Erfindungen. In Deutsch und Englisch können sich natürlich die Texte unterscheiden, aber die Grundstrukturen wie Grammatik und Rechtschreibung stehen fest. 

Allerdings ist jedes Kind anders. Manche haben Beeinträchtigungen oder sind mitten in der Pubertät, da muss man dann erstmal einen Zugang finden. Die Nachhilfe ist mir aber ein Herzensanliegen – und Kinder und Jugendliche geben nochmal ein ganz anderes Feedback als Mandanten. Natürlich freue ich mich auch hier über positive Rückmeldungen, aber wenn mir ein Kind sagt, dass es dank mir eine Zwei statt einer Vier geschrieben hat, ist das schon etwas Besonderes. Es macht auch Spaß, die Entwicklung der Kinder zu sehen. 

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"Ich kann mit dem Ersten Staatsexamen das machen, was ich möchte" 

Wieso haben Sie sich gegen eine "klassische" Jura-Karriere entschieden? 

Nach dem langen Studium und dem Ersten Staatsexamen wollte ich gerne in die Praxis und mich den Themen widmen, die mich interessieren. Das Jurastudium ist ja sehr generalistisch. Man kann sich im Schwerpunktbereich spezialisieren, aber zumindest an meiner Uni kam das Datenschutzrecht zu kurz. Ich habe mich aber privat schon länger dafür interessiert und mich dann einfach beworben – und das hat funktioniert. Im Job habe ich mich dann intensiver in das Datenschutzrecht eingearbeitet. 

Natürlich hatte ich die ganze Zeit im Hinterkopf, dass ich theoretisch noch das Zweite Staatsexamen machen könnte, aber ich hatte einfach nicht das dringende Bedürfnis. Mein Job macht mir Spaß, ich kann mich selbst weiterentwickeln und habe ein tolles Team. Auch "nur" mit dem Ersten Staatsexamen kann ich das machen, was ich möchte.  

Sie entwickeln außerdem noch Websites. Das lernt man ja nun nicht im Jurastudium… 

Damit habe ich in der zehnten Klasse angefangen. Mein älterer Bruder hat sich selbst das Programmieren beigebracht. Das wollte ich auch – und habe angefangen, eigene Websites zu entwickeln, zunächst eine Website mit Testberichten über Hardware. Die Hersteller haben mir Produkte zum Testen gesendet. Danach habe ich einen Testbericht für meine Website geschrieben und die Produkte zurückgeschickt. Das war eine sehr spannende Zeit – und ich war überrascht, dass die Hersteller mit einem Schüler sprachen, der gerade noch sein Abi macht und mir die Produkte zukommen ließen. Das Projekt ist später ein bisschen eingeschlafen, aber es war ein Anfang.  

"Ich habe DAWUM von Anfang an selbst entwickelt" 

Danach haben Sie vor allem DAWUM entwickelt, eine Plattform für Wahlumfragen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? 

Ich interessiere mich sehr für Politik und wollte ursprünglich auch Politikwissenschaften studieren – aber wegen des NC wurde es dann Jura. Rückblickend war das auch eine gute Entscheidung, da Recht und Programmieren tatsächlich viel miteinander zu tun haben – beides basiert auf einem systematischen und strukturierten Denken. Und Datenauswertung und -visualisierung fand ich auch schon immer spannend.  

Wahlumfragen eignen sich gut, um Daten auszuwerten. Man kann die Umfragen auf unterschiedliche Weisen darstellen und die Umfragewerte weiterverarbeiten. Und ich konnte ein Informationsangebot schaffen, das viele Menschen interessiert und erreichen kann. Im Jahr 2016 habe ich mich nach einigen Landtagswahlen gefragt, wie sich die tatsächlichen Wahlergebnisse von den Umfragen vor der Wahl unterschieden haben. Das wollte ich dokumentieren und auswerten. Ich habe es zunächst mit Excel versucht, aber das war zu umständlich. Dann habe ich Schritt für Schritt versucht, das zu vereinfachen, um den Arbeitsaufwand zu reduzieren. 

Als Vorbild diente mir die Seite Wahlrecht.de, die ich sehr zu schätzen weiß. Diese enthält unter anderem eine umfangreiche Datenbank zu Wahlumfragen und Wahlergebnissen, aber es gibt auf der Website keine Visualisierungen oder Auswertungen, sondern nur Tabellen. Ich wollte mehr aus den Daten herausholen: Automatisieren, Durchschnittswerte berechnen, Umfragen auswerten, in Social Media teilen und eine Schnittstelle schaffen, die andere nutzen können. Und das habe ich dann mit DAWUM gemacht.  

Wie sind Sie bei der Entwicklung der Seite vorgegangen? 

Es fing sehr klein an – und sah anfangs auch nicht wirklich schön aus. Ich habe kein Baukastensystem genutzt, sondern die Website von Anfang an selbst entwickelt. Ich wollte die Designentscheidungen selbst treffen und auf das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer der Website eingehen. Zunächst gab es nur wenige Funktionen, dann kamen immer mehr Funktionen dazu und ich habe einzelne überarbeitet. 

"Ich möchte kein Geld mit DAWUM verdienen" 

Welche zum Beispiel? 

Es gibt einen Bereich, in dem ich die Ergebnisse der Wahlumfragen eintrage. Die Umfragen werden dann in Balken- und Kreisdiagrammen ausgewertet und präsentiert. Auch gibt es Kartendiagramme mit den Umfragewerten einer Partei für die Bundesländer. Außerdem wird automatisch der Durchschnitt berechnet, falls es schon mehrere Umfragen gibt. Und man kann die Umfragewerte vor einer Wahl mit dem tatsächlichen Wahlergebnis vergleichen. So sieht man auch, wie gut die Qualität der Wahlumfragen ist. Und es wird ein Verlauf der letzten Jahre als Liniendiagramm angezeigt.  

Zuletzt habe ich noch eine Tabelle hinzugefügt, aus der die Stimmenverteilung der Koalitionen der verschiedenen Landesregierungen und der Parteien im Bundesrat hervorgeht. Dabei wird berechnet, wie groß der Anteil einer Partei ist und inwieweit sie beispielsweise Gesetze blockieren kann. 

Ich biete eine API-Schnittstelle an, über die andere Websites auf die Daten zugreifen und sie weiterverarbeiten können. Zudem ist DAWUM in vielen sozialen Netzwerken vertreten – zuletzt kam Mastodon dazu. 

Wo wollen Sie mit DAWUM noch hin? 

Ich möchte die Seite weiterentwickeln und weitere Funktionen hinzufügen. Derzeit habe ich durchschnittlich vier Millionen Klicks und 20 Millionen Impressionen pro Jahr über die Google-Suche – und ich würde mich freuen, wenn es noch mehr werden. 

Es wäre zum Beispiel schön, wenn mehr Unternehmen meine Schnittstelle nutzen würden, um die Datenbank von DAWUM auf ihren Websites einzubinden. Ich hatte auch schon Anfragen von Unternehmen, die Werbung auf meiner Seite schalten wollten, aber das habe ich immer abgelehnt. Ich möchte damit kein Geld verdienen, es ist mein Freizeitprojekt, in das ich gerne viel Zeit investiere und das mich auszeichnet. Wenn man bei Google nach Wahlumfragen sucht, lande ich auf der ersten Seite der Suchergebnisse. Darauf hat mich ein Freund aufmerksam gemacht und da habe ich erst gemerkt, was ich da eigentlich geschafft habe.  

Datenschutzrechtler, Nachhilfelehrer, Webdesigner – haben Sie überhaupt noch Freizeit? 

Die habe ich – das ist mir auch als Ausgleich wichtig. Jedoch würde ich auch das Programmieren und Pflegen meiner Websites als Freizeit bezeichnen, selbst wenn das manchmal viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber es lohnt sich, zu sehen, wie sich etwas entwickelt, in das man seine Energie reingesteckt hat. 

Vom Datenschutzrecht zu binomischen Formeln 

Also wollen Sie auch in Zukunft bei Teilzeit bleiben, um weiterhin Zeit für Ihre Websites zu haben? 

Definitiv. Ich bin schon oft gefragt worden, ob ich Vollzeit arbeiten möchte, aber ich habe mich bisher immer dagegen entschieden. Es gibt bestimmt viele, die sich nur auf einen Job konzentrieren möchten, aber ich mag gerade diese Abwechslung. Ich arbeite hauptsächlich im Datenschutzrecht, aber kann mich dann auch schnell umstellen und erkläre plötzlich quadratische Funktionen oder binomische Formeln. Ich glaube auch, dass ich in den drei Tagen produktiver bin, als wenn ich in Vollzeit arbeiten würde.  

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich mit meinem Teilzeitmodell gut leben kann. Menschen in anderen Berufen müssen leider in Vollzeit arbeiten, um über die Runden zu kommen: vor allem in so wichtigen sozialen Berufen wie der Pflege und der Erziehung. Gesellschaftlich muss noch viel passieren, damit diese Menschen die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.  

Zum Schluss fragen wir immer gerne nach Empfehlungen für Bücher, Filme oder Podcasts – haben Sie eine für uns? 

Wenn Zeitschriften auch dazu zählen, kann ich das Reportagemagazin GEO empfehlen. Ich habe es seit zehn Jahren abonniert und schätze die aufwendigen Recherchen und die Auswahl der Themen.  

GEO veröffentlicht auch Beiträge zu umstrittenen Themen, bei denen man sich genau überlegen muss, wie man sie aufbaut und welche Inhalte man präsentiert, ohne jemanden zu verprellen. Und ich finde, das gelingt ihnen echt gut: In ihren Beiträgen kann sich jeder wiederfinden, was bei bestimmten Themen gar nicht so einfach ist. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

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