Die Anwälte Sturm, Heer und Stahl müssen Beate Zschäpe weiterhin verteidigen. Außerdem in der Presseschau: Sexualstrafrechtsreform, BVerfG verkündet Betreuungsgeld-Urteil und Schadensersatzklagen gegen KPMG und BDO.
Thema des Tages
OLG München – NSU: Beate Zschäpes ursprüngliches Pflichtverteidiger-Trio ist mit dem Entpflichtungsantrag vor dem Oberlandesgericht München gescheitert. Unter anderem die FAZ (Helene Bubrowski/Karin Truscheit), die SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz), spiegel.de (Gisela Friederichsen) und zeit.de (Tom Sundermann) stellen die Auseinandersetzung vor Gericht und die Begründung des Entbindungsantrags dar. Die Anwälte haben sich lediglich auf schwerwiegende Gründe berufen und die Nennung konkreter Angaben vemieden. Der Vorsitzende Manfred Götzel hat die Anträge deshalb mangels Substantiierung abgelehnt.
Im Leitartikel konstatiert Per Hinrichts (Welt), Manfred Götzel sei gezwungen, das Verfahren weiterzuführen, sonst geriete es zum "kafkaesken Schauspiel ohne Sinn und Ziel". Reinhard Müller (FAZ) kommentiert, das Verhältnis zwischen dem Verteidiger-Team und der Angeklagten sei zwar gestört, der Rechtsstaat schulde den Opfern jedoch die Aufklärung der ungeheuerlichen Morde. Konrad Litschko (taz) moniert, dass die inhaltlichen Fragen des Prozesses mit dem "Gezänk" in den Hintergrund geraten.
Die SZ (Heribert Prantl) beschreibt die Voraussetzungen der Entbindung von Pflichtverteidigern als voraussetzungsvoll. "Für Pflichtverteidiger gilt: Nomen est omen." Strafverteidiger Michael Rosenthal erklärt im Interview mit der Badischen Zeitung (Christian Rath), dass eine Entpflichtung nicht zwangsläufig zum Neubeginn des Verfahrens führen müsse. Zudem könne das Gericht bei wiederholten Anträgen einzelne Verteidiger entbinden.
Rechtspolitik
Kulturschutzgesetz: Rechtsanwalt Sebastian Graf von Wallwitz erläutert auf lto.de die geplante Novelle zum Kulturschutzgesetz, mit der das Lizenzverfahren für Kunstwerke auch auf Ausfuhren in das EU-Ausland ausgeweitet werden soll. Das Gesetz soll dazu dienen, den Zugang zum internationalen Kunstmarkt abzuschneiden und den Ankauf durch die öffentliche Hand zu einem günstigeren Preis zu ermöglichen.
Sexualstrafrecht: Die taz (Christian Rath) führt ein Interview mit der Rechtsprofessorin Tatjana Hörnle zur geplanten Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Strafrechtswissenschaftlerin begrüßt zwar, dass die Novelle einige Verbesserungen mit sich bringt und bisher straflose Handlungen ahndet. Sie kritisiert jedoch, dass das Gesetz weiterhin Widerstand des Opfers als Grundregel fordert. Strafbar müsse vielmehr unabhängig von der Konstellation sein, dass sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt. Die SZ (Robert Rossmann) beschreibt die geplante Änderung.
Ehe für alle: Christian Bommarius argumentiert in der Berliner Zeitung für die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Die Einführung einer Ehe für alle würde dem Wandel des Ehe-Begriffs und der Ernsthaftigkeit des Eheversprechens entsprechen. Er zitiert aus der Entscheidung des Supreme Courts zur gleichgeschlechtlichen Ehe: "Anzunehmen, dass diese Männer und Frauen die Idee der Ehe nicht respektieren, würde ihnen nicht gerecht. Sie respektieren sie, sie respektieren sie so sehr, dass sie diese Erfüllung für sich selbst wünschen."
Urteilsveröffentlichungen: Wie die FAZ (Jochen Zenthöfer) berichtet, planen mehrere Landesjustizministerien die Regelungen zur Veröffentlichung von Gerichtsurteilen zu überarbeiten. Dem vorausgegangen waren einige Fälle, in denen die Justiz die Veröffentlichung verzögerte, wie etwa im Fall von Uli Hoeneß. In Bayern sei geplant, die Veröffentlichung erst mit Eintreten der Rechtskraft zu erlauben und die Nennung von Richtern und Staatsanwälten im Internet einzuschränken.
Cannabis-Legalisierung: Jugendrichter Andreas Müller begrüßt im Interview mit der SZ (Elena Adam) den Vorstoß von Bremens Oberbürgermeister Carsten Sieling (SPD) den Cannabiskonsum zu legalisieren: "Ein freier und ehrlicher Umgang mit der Droge Cannabis würde dazu führen, dass man früher problematische Konsumenten entdeckt und ihnen helfen könnte."
Justiz
BVerfG – Betreuungsgeld: Am heutigen Dienstag verkündet das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Betreuungsgeldes. Die 2013 durch ein Bundesgesetz eingeführte Leistung könnte an einem Kompetenzverstoß scheitern, erklärt die SZ (Wolfgang Janisch/Ulrike Heidenreich). Im Falle der Nichtigkeit könnten die Leistungsbescheide jedoch bestehen bleiben und die Länder die Leistung zudem durch Landesgesetze wiedereinführen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe bereits angekündigt, an der Auszahlung des Betreuungsgeldes festzuhalten, berichtet auch die FAZ (Joachim Jahn).
LG Frankfurt/Düsseldorf - Arcandor: Nach Informationen der SZ (Uwe Ritzer/Georg Wellmann) hat der Arcandor-Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch Schadensersatzklagen in Höhe von 98 Millionen Euro gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften KPMG und BDO eigereicht. Er wirft ihnen vor, dem Arcandor-Konzern pflichtwidrig Sanierungsfähigkeit bescheinigt zu haben, obwohl der Konzern bereits zahlungsunfähig war. Sie hätten die Risiken nicht ausreichend untersucht und beim Management zu wenig nachgehackt.
EuGH zu Massenentlassungen: Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer bemängelt im Handelsblatt, dass der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung zu Massenentlassungen vom 9. Juli dieses Jahres den europäischen Arbeitnehmerbegriff weitergeführt und einen GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer einordnet habe, was nach § 14 Kündigungsschutzgesetz gerade ausgeschlossen wird. Damit werde bei der Anwendung des KSchG kein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff mehr verwendet.
GBA – NSA: blog.beck.de (Henning Ernst Müller) gibt zu bedenken, dass der Generalbundesanwalt im Falle der Wiederaufnahme der Ermittlungen diese wegen außenpolitischer Motive einstellen könnte. Hans Leyendecker (SZ) meint dagegen, die Bundesanwaltschaft gebe keine gute Figur ab. "Sie prüft sorgfältig, wie sie immer schon in Angelegenheiten von US-Behörden sorgfältig geprüft hat, bevor sie dann am Ende nichts macht."
Recht in der Welt
Tschad/Senegal - Hissène Habré: Über das Tribunal der Afrikanischen Union gegen den ehemaligen Diktator von Tschad Hissène Habré schreibt die taz (Dominic Johnson). Seit diesem Montag muss sich der Ex-Diktator in Senegal wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter verantworten. Er verweigere vollständig die Zusammenarbeit und sei nach Tumulten beim Auftakt des Prozesses wieder aus dem Saal entfernt worden. Die FAZ (Thomas Scheen) und die SZ (Tobias Zick) fassen die Vorwürfe gegen Habré zusammen.
EGMR – Russisches Verfassungsgericht: Nun schildert auch die FAZ (Friedrich Schmidt) die Begründung des Russischen Verfassungsgerichts in St. Petersburg, mit der das Gericht die Verbindlichkeit von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einschränkte. Bei Kollision eines EGMR-Urteils mit der Verfassung sei dieser Vorrang einzuräumen.
Griechenland – Schuldenschnitt: Der Jurist Armin Steinbach kommentiert im Handelsblatt die Diskussion zum Schuldenschnitt für Griechenland. Ein Schuldenschnitt würde das "Bail-out"-Verbot verletzen und ein Forderungsverzicht der Europäischen Zentralbank das Verbot monetärer Staatsfinanzierung.
Sonstiges
Europäische Genossenschaft: Die Rechtsanwälte Dirk Jannott und Paul Caesar Rode erläutern auf lto.de die Grundlagen der 2006 eingeführten "Europäischen Genossenschaft". Sie sei zwar noch kaum genutzt worden, biete jedoch zahlreiche Vorteile gegenüber der nationalen Rechtsform.
NSU-Untersuchungsausschuss: Die taz (Alina Leimbach) berichtet von der Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters des Hessischen Verfassungsschutzes und Leiters der Abteilung für Rechts- und Linksextremismus Peter S. vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Hessen. Die NSU-Morde hätten nicht in das Schema des Verfassungsschutzes zum Rechtsterrorismus gepasst, auch sei der Schwerpunkt damals auf Islamismus und Ausländerkriminalität gelegt worden.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. Juli 2015: Verteidigerzwist im NSU-Prozess – BVerfG zu Betreuungsgeld – Tribunal gegen Ex-Diktator . In: Legal Tribune Online, 21.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16301/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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