Das globalisierungskritische Netzwerk attac ist laut FG Kassel gemeinnützig. Außerdem in der Presseschau: Der Verleih von E-Books wird einfacher und Trump kann doch nicht alles alleine machen.
Thema des Tages
FG Kassel zu attac: Das globalisierungskritische Netzwerk attac ist nach einem Urteil des Hessischen Finanzgerichts Kassel wieder gemeinnützig. Das Finanzamt Frankfurt hatte der Organisation 2014 die Gemeinnützigkeit mit der Begründung entzogen, dass attac keine Bildungsarbeit, sondern politische Kampagnen durchführte. Das Gericht folgte jedoch einem weiten Bildungsbegriff, zu dem es auch gehöre, Alternativmodelle vorzustellen und zu erläutern. Der Einsatz für Sozialstaat und Steuergerechtigkeit falle zudem unter den Begriff der "Förderung des demokratischen Staatswesens". Die taz (Christian Rath) und spiegel.de stellen das Urteil und die Hintergründe vor.
Heribert Prantl (SZ) begrüßt in einem Kommentar die Entscheidung. Der Versuch, die Globalisierungskritiker "schachmatt" zu setzen, sei gemein gewesen. Gemeinnützig sei hingegen die Entscheidung des Gerichts, dass politische Bildung auch dann förderungswürdig ist, "wenn sie kritisch ist und nicht in einer Akademie stattfindet". Wer Rassismus propagiere, dürfe jedoch keine steuerliche Förderung erhalten.
Rechtspolitik
Sicherheitsgesetze: Das Kabinett hat sich auf schärfere Sicherheitsgesetze geeinigt. Das melden die FAZ (Eckart Lohse) und die SZ (Robert Roßmann). Danach sollen unter anderem die Videoüberwachung ausgeweitet, die Strafen für Einbruchsdiebstahl und Angriffe auf Polizisten verschärft und die elektronische Fußfessel zur Überwachung von Straftätern eingeführt werden. Keine Einigkeit konnte erzielt werden bezüglich der Verschärfung des Aufenthaltsrechts und dem Entzug der Staatsangehörigkeit für Terroristen mit doppelter Staatsangehörigkeit. In einem Kommentar gibt Reinhard Müller (FAZ) zu bedenken, dass in Gesetzespaketen wie diesem "meist eine Mischung aus Entschlossenheit und Hilflosigkeit steckt". Das nächste Paket solle der Durchsetzung des geltenden Rechts gewidmet sein.
Familiennachzug: Linke und Grüne haben Gesetzentwürfe eingebracht, mit denen der befristet ausgesetzte Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder ermöglicht werden soll. Auch Abgeordnete der SPD fühlen sich nicht mehr an ihren Beschluss vom Februar gebunden, da sich die Verwaltungspraxis bezüglich syrischer Flüchtlinge geändert hat, berichtet die taz (Barbara Dribbusch).
Abschöpfung: Die Bundesregierung will die Abschöpfung von kriminell erlangten Vermögenswerten erleichtern. Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass ein Absehen von der Abschöpfung nur noch in Ausnahmefällen möglich ist und die Herkunft des Vermögens aus einer konkreten Tat nicht mehr nachgewiesen werden muss. Der Bundesrat will noch weitergehende Beweiserleichterungen durchsetzen, schreibt das Hbl (Heike Anger).
Religiöse Symbole im Gerichtssaal: Über die Pläne des baden-württembergischen Justizministers Guido Wolf (CDU), religiöse Symbole aus dem Gerichtssaal verbannen, schreibt jetzt auch die taz (Benno Stieber).
Justiz
EuGH zu E-Books: Der Europäische Gerichtshof hat es öffentlichen Bibliotheken erleichtert, E-Books zu verleihen. Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 legt fest, dass Autoren und Verlage das Recht haben, den Verleih von Büchern zu erlauben oder verbieten. Jedoch können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass dieses Recht eingeschränkt wird, wenn es um den Verleih durch öffentliche Bibliotheken geht und eine angemessene Vergütung gezahlt wird. Diese Regel soll laut EuGH auch für E-Books gelten, vorausgesetzt, dass diese wie analoge Bücher nur an eine Person gleichzeitig verliehen werden. Die Entscheidung stellen die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und Rechtsprofessor André Niedostadek auf lto.de vor.
BGH zu Kundus: Die Habilitandin Paulina Starski analysiert und kritisiert auf verfassungsblog.de die mittlerweile vorliegenden Entscheidungsgründe des Bundesgerichtshof zu den abgelehnten Schadensersatzansprüchen von Kundus-Opfern gegen die Bundesrepublik. Der BGH zeige einen Hang zum Anachronismus und berücksichtige nicht hinreichend die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Auch in Ausnahmesituationen müssten die aus den Grundrechten fließenden Amtshaftungsansprüche greifen.
VG Minden zu Radarfalle: Das Verwaltungsgericht Minden hat nach einer Meldung der SZ entschieden, dass das Tempolimit und die Radarfalle am Bielefelder Berg rechtmäßig sind. Auf der dortigen A2 werden pro Tag durchschnittlich 400 Fahrer erfasst, was der Stadt Bielefeld seit 2008 55 Millionen Euro eingebracht hat. Der Anwalt des Klägers hatte argumentiert, dass die Tempobeschränkung von 100 Kilometer pro Stunde auf der dreispurigen Straße nicht erforderlich sei.
LG Traunstein – Zugunglück bei Bad Aibling: Der Prozess gegen den Fahrdienstleiter, dem vorgeworfen wird, das Zugunglück bei Bad Aibling verursacht zu haben, hat mit einem Geständnis begonnen. Der wegen fahrlässiger Tötung in zwölf Fällen und wegen fahrlässiger Körperverletzung in 89 Fällen Angeklagte bat zu Prozessauftakt bei den Opfern und deren Angehörigen um Entschuldigung und gab zu, während der Arbeitszeit mit seinem Smartphone gespielt zu haben. Sein Anwalt betonte jedoch, dass unklar sei, ob diese Pflichtverletzung ursächlich für den Unfall gewesen ist. Den ersten Prozesstag schildern Welt (Gisela Friedrichsen), SZ (Annette Ramelsberger), FAZ (Karin Truscheit), taz (Margarete Moulin) und spiegel.de (Julia Jüttner).
Recht in der Welt
USA – Wahlsystem: Donald Trump hat nach derzeitigem Stand weniger Stimmen bekommen als Hillary Clinton und trotzdem die Wahl gewonnen. Wie das amerikanische Wahlsystem das ermöglicht, erläutern die SZ (Andrea Bachstein/Sebastian Jannasch) und spiegel.de (Almut Cieschinger u.a.).
USA – Hillary Clinton: Nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten stellt sich die Frage, ob er seine Drohung, Hillary Clinton hinter Gitter zu bringen, wahr machen wird. Die Welt (Anna Kröning) weist darauf hin, dass das rechtlich nicht ohne weiteres möglich ist und dass Barack Obama eine Strafverfolgung verhindern könnte, indem er Clinton während seiner letzten Tage im Amt begnadigt.
USA – Trump im Rechtsstreit: spiegel.de (Katharina Peters) gibt einen Überblick über die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, in die Donald Trump verwickelt ist. Möglicherweise wird er schon bald in einem Prozess in San Diego in den Zeugenstand gerufen.
USA – Befugnisse des Präsidenten: Die taz (Bernd Pickert) stellt dar, welche Befugnisse Donald Trump als Präsident der USA hat und wo er auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen ist. Auch zeit.de (Patrick Beuth) befasst sich mit den Kompetenzen des Präsidenten, insbesondere in Hinblick auf Überwachungsmaßnahmen.
Palästina – Scheidungsanwältin: spiegel.de (Karin Laub/Mohammed Daraghmeh) stellen die Scheidungsanwältin Reema Shamasneh und ihre Arbeit in Palästina vor. Vor den dortigen Gerichten zähle das Wort einer Frau nur halb so viel wie das eines Mannes.
EuGH – Apple: Irland hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission eingelegt, die von Apple Steuernachzahlungen in Höhe von 13 Milliarden Euro fordert. Irland will das Geld nicht, weil es um seine Attraktivität als Wirtschaftsstandort fürchte, schreiben die taz (Ralf Sotschek) und tagesschau.de. Richard Rother (taz) bezeichnet das Verhalten Irlands in einem Kommentar als "unfairer Steuerwettbewerb auf Kosten der EU-Partner".
Sonstiges
Befugnisse des Bundespräsidenten: Die FAZ (Reinhard Müller) berichtet von einer Veranstaltung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen, bei der der Staatsrechtler Hermann Butzer die Befugnisse des Bundespräsidenten darlegte. Würde der Bundespräsident seine Befugnisse intensiver nutzen, könnte er die Regierung erheblich stören.
Gebäude des Bundesjustizministeriums: Das Bundesjustizministerium hat die Geschichte seines Gebäudes untersuchen lassen. Das Gebäude in der Mohrenstraße sei von 59 jüdischen Betrieben genutzt worden, bevor diese während der Zeit des Nationalsozialismus vertrieben wurden. Von der Vorstellung der Studie berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt).
Gesellschaft für Freiheitsrechte: Die SZ (Johannes Boie) stellt die neu gegründete Gesellschaft für Freiheitsrechte vor. Die von Juristen und Bürgerrechtlern gegründete Organisation will durch strategische Prozessführung die Grundrechte verteidigen.
Liberal Constitutionalism: Die Debatte um Liberal Constitutionalism auf verfassungsblog wird mit englischsprachigen Beiträgen von David Abraham, Frank Cranmer, Lorenzo Zucca, Massimo Fichera und Robert Howse fortgesetzt.
"Terror" im Radio: Der NDR strahlt am Sonntag ein Hörspiel von Ferdinand von Schirachs "Terror" aus. Anders als im Theater und im Fernsehen sollen die Zuhörer am Ende nicht abstimmen können, meldet die SZ (Stefan Fischer).
Tagung zum Migrationsrecht: An diesem Wochenende findet in Stuttgart-Hohenheim die zehnte Herbsttagung des Netzwerks Migrationsrecht statt. Zum Auftakt einer Serie von Blog-Einträgen stellen Kevin Freddy Hinterberger und Maximilian Oehl auf juwiss.de das Netzwerk vor und geben einen Überblick über die inhaltlichen Schwerpunkte der diesjährigen Tagung.
Das Letzte zum Schluss
Fünf Minuten zu früh: Vor dem Amtsgericht Bonn haben sich ein Tätowierer und sein Kunde auf einen Vergleich geeinigt, der 1.500 Euro Schadensersatz für den Kunden vorsieht. Dieser hatte ein Tattoo in Auftrag gegeben, das eine Uhr mit der Geburtszeit seines Sohnes zeigen sollte. Statt 11.14 Uhr stach der Tätowierer jedoch 11.09 Uhr. Jetzt muss er zahlen, wie bild.de berichtet.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Novermber 2016: attac gemeinnützig / E-Books sind Bücher / Trumps Befugnisse . In: Legal Tribune Online, 11.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21128/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag