In Berlin wurden Israel-Fahnen verbrannt. Sind schärfere Gesetze nötig? Außerdem in der Presseschau: Amtsrichter stellt sich vor Deutschland, Franck Ribéry wirft Ex-Berater Fälschung vor, Donald Trump respektiert das Völkerrecht meistens.
Thema des Tages
Antisemitische Kundgebungen: Der Zentralrat der Juden fordert eine Verschärfung des Demonstrationsrechts. Antisemitische Versammlungen sollten nicht "genehmigt" werden können. Wenn die Polizei nach derzeitiger Gesetzeslage nicht einschreiten könne, solle die Bundesregierung "mögliche Gesetzesänderungen prüfen", zitiert spiegel.de den Zentralratsvorsitzenden Josef Schuster.
Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) lehnt Verschärfungen des Versammlungs- und des Strafrechts ab. Das Strafrecht dürfe nicht da anfangen, wo der gesellschaftliche Konsens endet. Das Verbrennen von mitgebrachten Fahnen fremder Staaten solle nicht bestraft werden, weil sich sonst auch der Tibeter, der die chinesische Fahne anzündet, strafbar machen würde.
Die SZ (Jana Anzlinger) erklärt die Rechtslage: Ausländische Fahnen dürfen verbrannt werden. Deutsche Fahnen dürfen nicht öffentlich verbrannt werden, das wäre eine Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Das Verbrennen einer Netanjahu-Puppe wäre eine Beleidigung.
Rechtspolitik
NetzDG: Der Bundestag diskutierte über Gesetzentwürfe von AfD und FDP, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wieder abzuschaffen, berichtet die SZ (Mike Szymanski). Union, SPD und Grüne hielten dagegen. Das NetzDG verpflichtet Facebook und andere Internet-Plattformen, ein effektives Beschwerdemanagement gegen strafbaren Hass einzuführen.
§ 219a StGB: Die wegen "Werbung für Abtreibungen" verurteilte Gießener Frauenärztin Kristina Hänel hat mit Unterstützerinnen 150.000 Unterschriften für die Abschaffung von § 219a Strafgesetzbuch gesammelt. Bei der Übergabe sprachen sich Politikerinnen von SPD, FDP, Grünen und Linken für die Streichung aus, berichtet die taz (Dinah Riese).
Teilzeit/Vollzeit: Der Anwalt Hans-Peter Löw argumentiert in der FAZ gegen den von der SPD geforderten Rechtsanspruch, von Teilzeit auf Vollzeit wechseln zu dürfen. Dieser sei unnötig, weil Arbeitgeber sowieso Vollzeit bevorzugen (deshalb sei ursprüchlich auch der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit eingeführt worden). Wenn ein Teilzeit-Beschäftigter jederzeit in Vollzeit wechseln könnte, würden allerdings die zum Ausgleich der Teilzeit geschaffenen neuen Stellen nur noch mit Befristung eingerichtet, was auch nicht erwünscht sei.
DDR-Opfer: Die ostdeutschen Bundesländer fordern, dass DDR-Verfolgte auch noch nach 2019 einen Antrag auf Rehabilitierung stellen können. Am Freitag wird der Antrag im Bundesrat eingebracht, berichtet die taz (Michael Bartsch).
Anwaltsgerichtsbarkeit: Der akademische Rat Christian Deckenbrock unterstützt im FAZ-Einspruch die Forderung von Klaus Rennert (Präsident des Bundesverwaltungsgerichts), die Anwaltsgerichtsbarkeit künftig von der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verlagern. Die jetzige Struktur der Anwaltsgerichtsbarkeit sei ohnehin reformbedürftig. Unterschiedliche Rechtswege für Disziplinarverfahren und verwaltungsrechtliche Anwaltssachen (wie etwa die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung) seien inkonsistent und nur durch historische Zufälle zu erklären. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei für Verwaltungssachen ohnehin besser geeignet, aber auch heute schon bei vielen Berufen für Disziplinarsachen zuständig.
Sonntagsöffnung: Handelsverbände und Kommunen fordern landesgesetzliche Ausweitungen der Zahl verkaufsoffener Sonntage. Sie stützen sich auf ein Gutachten, das mit Blick auf verfassungsgerichtliche Vorgaben noch Spielraum nach oben konstatiert. Diskutiert wird auch, verkaufsoffene Sonntage unabhängig von konkreten Anlässen wie Messen zuzulassen. Nach Darstellung von FAZ-Einspruch (Helmut Schwan) werden die Anforderungen der Rechtsprechung an Prognosen über den von solchen Anlässen ausgelösten zusätzlichen Besucherandrang immer anspruchsvoller und seien kaum noch zu erfüllen.
Geoblocking: Das Europäische Parlament stimmte mehrheitlich gegen den Plan der EU-Kommission, das Geoblocking von Filmen und Fernsehserien in Mediatheken und Mediendiensten zu beseitigen. Konkret geht es um die Überarbeitung der Kabel- und Satellitenrichtlinie (CabSat). Wie netzpolitik.org (Thomas Rudl) darlegt, wäre aber auch bei einem Erfolg der Kommission die Möglichkeit, die Lizenzierung vertraglich auf einzelne Staaten zu beschränken, erhalten geblieben.
Justiz
Amtsrichter Stephan Zantke: Die Welt (Cornelia Karin Hendrich) stellt den Zwickauer Amtsrichter Stephan Zantke vor. In der Verhandlung gegen einen libyschen Flüchtling, der unter anderem ein siebenjähriges Kind mit einer Bierflasche beworfen haben soll, hatte dieser "Scheißdeutschland" gesagt. Darauf erwiderte der Richter: "Wenn es bei uns so scheiße ist, warum sind Sie dann hier?" Zantke will für seine Reaktion nur Lob erhalten haben. Er verurteilte den Libyer zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe, die Staatsanwaltschaft hatte lediglich 15 Monate auf Bewährung gefordert.
BSG zu Rentenversicherungspflicht: Das Bundessozialgericht hat es Ärzten, Tierärzten und Apothekern erleichtert, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen, wenn sie nicht in einer Praxis, Klinik, Apotheke oder im öffentlichen Dienst arbeiten, sondern zum Beispiel in der Industrie oder im Handel. Auch Tätigkeiten, für die keine Approbation benötigt wird, könnten laut BSG berufsspezifisch sein, so der Anwalt Martin W. Huff in der FAZ.
EuGH zu Taricco II: Die niederländischen Rechtsprofessorinnen Christina Peristeridou und Jannemieke Ouwerkerk kritisieren auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) das Anfang Dezember verkündete Tarricco II-Urteil des EuGH zur nationalen Verfassungsidentität. Aus strafrechtlicher Sicht sei das Urteil "alles andere als klar".
VGH München – Ultimate Fighting Fernsehen: An diesem Freitag wird die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) entscheiden, ob sie gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München eine Landesverfassungsbeschwerde einlegt. Der VGH München hatte einen Bescheid der BLM gegen den Sender Sport 1 beanstandet, wonach einzelne bereits genehmigte Formate der Ultimate Fighting Championship aufgrund des hohen Gewaltpotentials aus dem Programm genommen werden sollten. Der VGH vermisste eine Rechtsgrundlage für derartige nachträgliche Beanstandungen. Geklagt hatte die englische Produktionsfirma der Sendungen, die sich auf ihre Berufsfreiheit berief. Der emeritierte Rechtsprofessor Herbert Bethge stellt im FAZ-Einspruch das Verfahren dar. Dabei erläutert er auch die Besonderheiten des bayerischen Privatfunks, der nur in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft ausgestrahlt werden darf.
BVerfG – NC: Am 19. Dezember wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum numerus clausus für Medizinstudienplätze verkünden. FAZ-Einspruch (Hendrik Wieduwilt) schildert das Problem, dass hervorragende Abiturnoten einen extrem hohen Einfluss auf den Hochschulzugang haben, während andere Interessenten zu taktischen Vorgehensweisen gezwungen seien, die nur noch Spezialanwälte durchschauen. Einer der Kritikpunkte sei inzwischen aber politisch durch einen neuen Staatsvertrag bereits erledigt: Künftig werden als Wartezeit nur noch Zeiten anerkannt, in denen sich jemand aktiv um einen Studienplatz bemühte.
BGH – Shariah Police: Am 14. Dezember wird der Bundesgerichtshof über die Frage verhandeln, ob das strafbewehrte versammlungsrechtliche Uniformverbot verletzt wurde, als eine Gruppe von Salafisten 2014 mit orangefarbenen Warnwesten durch Wuppertal zog. Die Warnwesten trugen die Aufschrift "Shariah Police". Das Landgericht hatte die Männer freigesprochen, weil die Warnwesten nicht einschüchternd wirkten. FAZ-Einspruch (Alexander Haneke) schildert den Vorfall und das bisherige Verfahren.
EuGH - Bafin/Berufsgeheimnis: Behörden der Finanzmarktaufsicht (z.B. die Bafin) dürfen Informationen, die sie bei ihrer Arbeit erlangt haben, nicht an Privatpersonen herausgeben. Das gelte auch für Bafin-Prüfberichte über eine Bank, die Anleger mit einem Schneeballsystem betrog. Das unionsrechtlich geregelte Berufsgeheimnis sei eng auszulegen, argumentierte Generalanwalt Yves Bot, laut lto.de.
LG München I – Ribéry: Vor dem Landgericht München I streitet Fußballer Franck Ribéry mit einem ehemaligen Berater, der von ihm 3,45 Millionen Euro aus einem Vertrag von 2006 haben will. Ribéry behauptet, er habe den Vertrag nicht unterzeichnet, seine Unterschrift unter dem Vertrag müsse gefälscht sein. Die Richterin wies darauf hin, dass der Zivilprozess für beide Seiten strafrechtliche Folgen haben kann, entweder wegen Urkundenfälschung oder wegen falscher Aussage. Das Urteil soll am 16. Januar verkündet werden, berichtet die FAZ.
LG Köln – Raser: Der Raser-Prozess am Landgericht Köln ist vorerst geplatzt, weil ein Schöffe Kontakte in die Raser-Szene hatte, berichtet spiegel.de. Das Gericht gab Befangenheitsanträgen von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage statt. Der Prozess, der vorige Woche begonnen hatte, muss jetzt neu starten. Es geht um die Frage, ob zwei Raser, die den Tod einer Radfahrerin verursacht hatten, Bewährungsstrafen erhalten können, was der Bundesgerichtshof in Frage gestellt hatte.
LG Paderborn – Höxter: Das Landgericht Paderborn hat nun wie erwartet den bisherigen Sachverständigen für die Begutachtung des Hauptangeklagten Wilfried W. von seinen Pflichten entbunden. Der Sachverständige hatte sich in Widersprüche verwickelt und dann krank gemeldet. Die neue Sachverständige hat laut Meldung von spiegel.de auch schon W.s Ex-Frau und Mitangeklagte Angelika W. begutachtet.
GBA – Franco A.: Der Generalbundesanwalt hat Anklage wegen Vorbereitung einer schweren staatsfeindlichen Gewalttat gegen den Bundeswehroffizier Franco A. erhoben, berichtet taz.de (Konrad Litschko). Gegen zwei andere Soldaten, die zunächst als Mittäter galten, bestehe kein hinreichender Tatverdacht. Die Anklage gegen Franco A. komme überraschend, da der Bundesgerichtshof Ende November den Haftbefehl gegen Franco A. wegen Unstimmigkeiten aufgehoben hatte.
Recht in der Welt
USA – Trump und Völkerrecht: Rechtsprofessor Oliver Dürr untersucht im FAZ-Einspruch ausführlich, ob die Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump mit dem Völkerrecht vereinbar ist und kommt zu folgenden Ergebnissen: Beim Rückzug aus internationalen Verträgen wie der Klima-Konvention und Organisationen wie der Unesco mache die USA von ihrem völkerrechtlichen Gestaltungsrecht Gebrauch. Das militärische Eingreifen gegen den IS in Syrien sei völkerrechtswidrig, habe aber nichts mit der populistischen Trump-Regierung zu tun, sondern entspreche der bisherigen US-Außenpolitik. Rein verbale Drohungen gegen Nordkorea seien noch nicht völkerrechtswidrig. Der Einreisebann für Staatsangehörige bestimmter Staaten entspreche der völkerrechtlichen Souveränität. Er wäre nur unzulässig diskriminierend, wenn es keinen sachlichen Grund gäbe (wie etwa die mangelnde Anti-Terror-Kooperation der jeweiligen Herkunftsstaaten). Die Todesstrafe sei im Internationalen Recht nicht generell verboten. Der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko entspreche der staatlichen Souveränität, zu der auch Entscheidungen über die Art der Grenzsicherung gehören. Protektionistische Politik verstoße nicht automatisch gegen Welthandelsverträge, wenn deren Ausnahmeklauseln genutzt werden.
USA – Kalifornien gegen Trump: Die FAZ (Marlene Grunert) schildert, wie der von den Demokraten dominierte Bundesstaat Kalifornien mit Gesetzen und Klagen gegen die von Präsident Trump geprägte Bundespolitik vorgeht.
USA – Netzneutralität: Am morgigen Donnerstag wird die US Federal Communications Commission die Netzneutralität (die Gleichbehandlung aller Daten im Internet) abschaffen, kündigt die SZ (Bernd Graff) an. Indem Internet-Provider rechtlich anders klassifiziert werden, verlieren alle unter der Obama-Regierung beschlossenen Regelungen zur Netzneutralität ihre Anwendbarkeit.
Polen – Justizreform: Nach der unteren Kammer (Sejm) hat jetzt wohl auch die obere Kammer (Senat) die polnischen Gesetze zur Justizreform gebilligt, prognostiziert die SZ (Florian Hassel). (Die Entscheidung fiel nach Redaktionsschluss der SZ.) Die Gesetze bringen das Oberste Gericht und den Landesjustizrat unter die Kontrolle von Regierung und Parlament. Außerdem kann künftig eine "Außerordentliche Kammer" auf Antrag des Justizministers jedes Urteil der vergangenen zwei Jahrzehnte aufheben, wenn es der "sozialen Gerechtigkeit" widerspricht.
EU – Polen/Ungarn: Constantin van Lijnden (FAZ-Einspruch) hält es angesichts des blockierten EU-Rechtsstaatsverfahrens für eine gute Strategie, die kooperationsunwilligen EU-Staaten Polen und Ungarn in Einzelfällen mit Vertragsverletzungsverfahren zu verklagen, so dass diese am Ende "Strafen" bzw. Zwangsgelder bezahlen müssen, die weh tun.
Ukraine – Saakaschwilli: Ein Gericht in Kiew hat die Freilassung des in Ungnade gefallenen ehemaligen Gouverneurs Micheil Saakaschwilli verfügt. Die FAZ (Konrad Schuller) interpretiert die überraschende Gerichtsentscheidung so: Teile des Staatsapparats hielten es wohl für möglich, dass Präsident Poroschenko nicht mehr lange an der Macht ist. Möglicherweise wollte die zuständige Richterin vermeiden, dass sie nach einer eventuellen Wende wegen willkürlicher Freiheitsberaubung zur Verantwortung gezogen wird.
Argentinien – Anschlag auf jüdisches Gemeindezentrum: Ein argentinischer Bundesrichter hat Haftbefhel gegen Ex-Präsidentin Christina Kirchner, Ex-Außenminister Héctor Timerman und andere Regierungsmitglieder erlassen. Sie sollen die Aufklärung des Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum von Buenos Aires, bei dem 1994 mehr als achtzig Menschen starben, aus Rücksicht auf den Öllieferanten Iran behindert haben. Kirchner genießt als gewählte Senatorin aber noch Immunität, berichtet die FAZ (Matthias Rüb).
Sonstiges
Grenzen: Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof assoziiert im FAZ-Einspruch über den Begriff der "Grenze", der maßgeblich sei für Demokratie, Freiheit, Schutz, Kooperation der Staaten und die Gewährung von präzise bestimmten Rechten.
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lto/chr
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Die juristische Presseschau vom 13. Dezember 2017: Antisemitische Kundgebungen verbieten? / Franck Ribéry vor Gericht / Donald Trump und das Völkerrecht . In: Legal Tribune Online, 13.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25983/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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