Das DFB-Sportgericht hat den Einspruch der TSG Hoffenheim zurückgewiesen, das Phantomtor durchs Außennetz zählt auch vor Gericht. Außerdem in der Presseschau: Autohilfe schreibt sich eigene Verordnung, Richterbund will mehr Personal, Grenzen der Bundesanwaltschafts-Ermittlungen, News of the World vor Gericht – und wann ein Halloween-Scherz ein Fall für den Staatsanwalt wird.
Thema des Tages
DFB-Sportgericht zu Phantomtor: Wie weithin erwartet worden war, hat das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes eine Wiederholung des Bundesligaspiels Hoffenheim gegen Leverkusen abgelehnt. Die Kraichgauer hatte Einspruch eingelegt, weil der Leverkusener Mannschaft ein Treffer zuerkannt worden war, obwohl der Ball nur durch ein Loch im Außennetz ins Tor gelangt war. Über das sportlich "unhaltbare" aber rechtlich wohl alternativlose Urteil berichtet ausführlich die SZ (Philipp Selldorf). spiegel.de sammelt die gemischten Reaktionen von Sportrechtlern.
Den DFB-Richter Hans E. Lorenz portraitiert auch spiegel.de (Lukas Rilke). Dieser sei bekannt "für Klartext und Sprüche" – was bei der Phantomtor-Verhandlung der Leverkusener Spieler Stefan Kießling zu spüren bekommen habe.
Claudio Catuogno (SZ) fragt danach, was hinter der Fixierung auf die einsame Entscheidung eines "künstlich dumm" gehaltenen Referees stecke – und vermutet dort die Angst der Funktionäre davor, durch den Einsatz "unbestechlicher Kameratechnik" selbst Einfluss zu verlieren. Holger Kreitling (Welt) kombiniert derweil Rechts- und Fußballphilosophie: "Die normative Kraft des Faktischen ist aufm Platz." Uwe Marx (FAZ) kommentiert: Ein "alternativloses Urteil".
Rechtspolitik
Parlamentsvorbehalt: Die SPD will in den Koalitionsverhandlungen auf einer Beibehaltung des Parlamentsvorbehalts für Bundeswehreinsätze bestehen. Das berichtet die FAZ (Majid Sattar) und zeichnet die Debatte um eine verstärkte Zusammenarbeit in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik nach, die hinter der Unions-Forderung nach einer Einschränkung des Parlamentsvorbehalts für EU-Einsätze stehe.
Günther Nonnenmacher (FAZ) hält das Thema für zu wichtig, um es schnell zu "beerdigen". Es müsse in Ruhe beredet werden.
Lobby schreibt Verordnung: Offensichtlich hat die deutsche Automobillobby massiven Einfluss auf den Erlass einer Rechtsverordnung für die Kennzeichnung des Pkw-Spritverbrauchs genommen. Wie die taz (Malte Kreutzfeldt) unter Berufung auf Dokumente des Wirtschaftsministeriums berichtet, deren Herausgabe die Deutsche Umwelthilfe zuvor gerichtlich durchgesetzt hatte, stammte der erste Entwurf der Verordnung "komplett von der Industrie". Die Umwelthilfe hat unterdessen laut zeit.de (Matthias Breitinger) die EU-Kommission aufgefordert, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in die Wege zu leiten.
Die Autobranche sei "in Deutschland so sakrosankt, dass sie ihre Gesetze selber schreiben darf", kommentiert bissig Richard Rother (taz).
Justiz
Richterbund will mehr Personal: Der Deutsche Richterbund hat sich in einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Beamtenbund und dem Bundeswehrverband für mehr Personal in der Richterschaft ausgesprochen. Es fehlten mehr als 2.000 Richter und Staatsanwälte, Nullrunden in der Besoldung lockten keine Spitzenkräfte an, zitiert die FAZ (Dietrich Creutzburg) den Richterbund-Vorsitzenden Christoph Frank.
Bundesanwaltschaft – Spionage-Affäre: Die SZ (Hans Leyendecker) beschäftigt sich mit dem Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft zur mutmaßlichen Überwachung des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Ermittler hätten nun Nachrichtendienste, zuständige Ministerien und das Bundeskanzleramt um Auskünfte gebeten. Vom eigentlich für Spionageabwehr zuständigen Bundesamt für Verfassungsschutz sei dabei "nicht viel zu erwarten", weil es verbündeten Diensten nicht misstraut habe. Das gleiche gelte für die Ministerien. "Kein einfacher Fall" für den Generalbundesanwalt.
Nach einem Bericht der taz (Astrid Gerlen/Christian Rath) gibt es rechtlich kaum Möglichkeiten, gegen die in der US-Botschaft vermuteten Abhöranlagen oder sie betreibende Personen vorzugehen. Das Botschaftsgelände dürfe aufgrund des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen nur mit Zustimmung des US-Botschafters betreten werden; das diplomatische Personal genösse zudem umfassende Immunität.
BGH zu Rechtsanwaltskosten bei Zurückverweisung: blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer) erwähnt einen Beschluss des Bundesgerichtshof aus dem September, in dem dieser sich mit den kostenrechtlichen Konsequenzen der Zurückverweisung eines Rechtsstreits zur erneuten Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht befasst. Im Ergebnis fielen Terminsgebühr und Auslagenpauschale für die Rechtsanwälte erneut an.
LG Augsburg – Polizistenmord: Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Mörder eines Augsburger Polizisten könnte eingestellt werden. Wie spiegel.de (Julia Jüttner) berichtet, erwäge das Gericht eine Einstellung wegen des schlechten Gesundheitszustands des Angeklagten. Nach den Angaben seines Verteidigers sollen 15 Monate Isolationshaft seinen "Gesundheitszustand ruiniert" haben. Die Leitung der Untersuchungshaftanstalt bestreite dies.
LG Braunschweig – Porsche-Verfahren vertagt: Das Landgericht Braunschweig hat nach einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) alle fünf dort anhängigen Schadensersatzverfahren gegen den Autobauer Porsche vertagt. Zunächst müsse über einen Antrag der Kläger entschieden werden, eine Entscheidung des Landgerichts Stuttgart zur Zulassung einer von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anklage wegen Kursmanipulation abzuwarten.
Kaum Nutzung alternativer Streitbeilegung: Einem Bericht des Handelsblatts (Catrin Gesellensetter) zufolge sei in Deutschland "systematisches Konfliktmanagement" die Ausnahme und würden alternative Wege der Streitbeilegung wenig genutzt. Auch das Mediationsgesetz habe keinen nennenswerten Effekt gezeitigt. Das ergebe sich aus einer dem Handelsblatt exklusiv vorliegenden aktuellen Studie des Bucerius Center on the Legal Profession und der Kanzlei Taylor Wessing.
Recht in der Welt
Großbritannien – News of the World: Vor einem Londoner Gericht hat am Montag das Verfahren gegen ehemalige Führungsfiguren des im Mittelpunkt der Affäre um illegale Recherchepraktiken stehenden und inzwischen eingestellten Boulevardmagazins News of the World begonnen. Den Angeklagten werde unter anderem Irreführung der Justiz und illegales Abhören von Handy-Mailboxen vorgeworfen, berichtet das Handelsblatt (Carsten Herz). Auch die taz (Ralf Sotschek) begleitet den Prozessauftakt mit einem ausführlichen Artikel.
Großbritannien – Formel 1-Prozess: Am heutigen Dienstag beginnt vor dem Londoner High Court of Justice ein Schadensersatzprozess gegen Formel 1-Chef Bernie Ecclestone. Die Constantin Medien AG fordert 171 Millionen US-Dollar Schadensersatz, weil im Jahr 2005 Anteile durch Schmiergeldzahlungen unter Wert verkauft worden seien. Die bei diesem Verlauf mutmaßlich ebenfalls geschädigte BayernLB verfolge den Prozess aufmerksam, berichtet das Handelsblatt (Carsten Herz/Kerstin Leitel). Auch die FAZ (Marcus Theurer/Henning Peitsmeier) berichtet über den "rechtlichen Nebenkriegsschauplatz" des Bestechungsskandals, der aber für Ecclestone trotzdem riskant sei – wenn neue Details ans Licht kämen, die ihn strafrechtlich belasten könnten.
Thailand – Ex-Regierungschef bald vor Gericht: Thailands ehemaligem Regierungschef Abhisit Vejjajiva soll laut Staatsanwaltschaft bald der Prozess wegen seiner Mitverantwortung am Tod zahlreicher Menschen während einer Demonstrationen vor drei Jahren gemacht werden, sein Stellvertreter werde ebenfalls angeklagt. Vejjajiva ist aktuell Oppositionsführer und genießt als Abgeordneter Immunität, meldet die SZ.
Ägypten – Verfassungsreform: Sonja Zekri (SZ) wirft einen kritischen Blick auf den Verfassungsreformprozess in Ägypten. Einerseits sei mit deutlich säkulareren Regelungen zu rechnen, andererseits gäbe es unter bürgerrechtlichen Gesichtspunkten Anlass zur Sorge – insbesondere mit Blick auf die gestärkte Rolle des Militärs, die in der Immunität des Verteidigungsministers gipfele.
Südafrika – Privater Gefängnis-Betreiber soll foltern: Der weltweit agierende britische Sicherheitskonzern G4S sieht sich Foltervorwürfen ausgesetzt: In einem von ihm betriebenen südafrikanischen Gefängnis sollen "Gefangene verprügelt, mit Elektroschocks gefoltert und gegen ihren Willen mit Psychopharmaka ruhiggestellt" worden sein, berichtet die FAZ (Marcus Theurer).
Sonstiges
Überwachungsbefugnisse der NSA: Thomas Stadler widerspricht auf internet-law.de der in den Medien oft wiedergegebenen These des Historikers Josef Foschepoth, dass die Abhörtätigkeit amerikanischer Geheimdienste in Deutschland aufgrund eines Zusatzvertrags zum Nato-Truppenstatut von 1959 ganz legal sei. Dies sei juristisch "schlicht falsch". Jeder Eingriff in das Post- und Fernmeldegeheimnisses bedürfe eines Gesetzes, ein solches sei der erwähnte Zusatzvertrag aber nicht. Außerdem enthalte der Vertrag auch gar keine Regelung, die Überwachungsbefugnisse verleihe.
Bitcoins: Im Interview mit lto.de (Claudia Koornmeier) erklärt der Anwalt Julian Schneider die virtuelle Währung "Bitcoins". Wie diese rechtliche einzuordnen seien, hinge von den betroffenen Rechtsgebieten ab – bankenaufsichtsrechtlich etwa seien sie Rechnungseinheiten im Sinne des Kreditwesengesetzes, im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches hingegen "nicht existent", da ihnen keine Forderung zugrundeliege.
Das Letzte zum Schluss
Halloween für den Staatsanwalt: Wann wird aus dem Halloween-Spaß strafrechtlich relevanter Ernst? Die FR geht dieser Frage nach und erklärt, wann ein harmloser Scherz zur Nötigung oder Sachbeschädigung wird – und was eine Haftpflichtversicherung noch bezahlt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Oktober 2013: Phantomtor bleibt Volltreffer – Selbstbedienung bei Sprit-Verordnung – Nötigung an Halloween . In: Legal Tribune Online, 29.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9915/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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