Nur wenige Anwälte dürfen sich ADAC-Vertragsanwälte nennen - erstaunlich viele von ihnen sind dabei zugleich Funktionäre des Automobilclubs. Außerdem in der Presseschau: der Gesetzentwurf zu "sicheren Herkunftsstaaten", Gesichtsschleier kann an Schulen verboten werden, Prozess um Bewertung eines Amazon-Verkäufers - und warum ein Tätowierer auf Anhieb gute Arbeit liefern sollte.
Thema des Tages
ADAC-Vertragsanwälte: Der Automobilclub ADAC hat bundesweit 650 Vertragsanwälte. Viele von ihnen sind zugleich ADAC-Funktionäre. Manche von diesen sind sogar für die Aufsicht über die ADAC-Vertragsanwälte zuständig. Einen Überblick über diese "Interessenskonflikte" gibt die Samstags-SZ (Bastian Obermayer). Selbst innerhalb der privilegierten Gruppe der Vertragsanwälte sollen manche ADAC-Funktionäre zu besseren Konditionen abrechnen können als normale Vertragsanwälte.
Rechtspolitik
Sichere Herkunftsstaaten: Am Mittwoch will das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) beschließen, wonach Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Dies soll die Bearbeitung aussichtsloser Asylanträge geringfügig beschleunigen, berichtet die Montags-taz (Christian Rath). Die Montags-SZ stellt vor allem die Kritik humanitärer Organisationen an dem Gesetzentwurf dar.
Geldwäsche: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat vorgeschlagen, die Strafen und Kontrollen gegen Geldwäscher zu verschärfen. Außerdem solle die "Eigengeldwäsche" des Vortäters auch unter Strafe gestellt werden. Schäuble reagiert damit auf Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering der Wirtschaftsorganisation OECD, berichtet die Montags-FAZ (Joachim Jahn). In einem separaten Kommentar kritisiert Joachim Jahn (Montags-FAZ) den "sinnlosen Aktionismus" und fordert Datenschützer auf, die "Schnüffelei" nicht länger zu ignorieren.
Investorenschutz: verfassungsblog.de (Justus von Daniels) spricht mit dem spanischen Juristen Juan Armesto, der hauptberuflich als Schiedsrichter in internationalen Schiedsverfahren tätig ist. Er erläutert, dass das System von ad hoc-Schiedsgerichten vor allem von den betroffenen Staaten bevorzugt werde. Solche Schiedsgerichte sollten sich aber auf den Schutz von Investoren vor mutwilliger Enteignung im engeren Sinne konzentrieren. Gegenüber den USA oder den EU-Staaten sieht er zum Schutz von Investoren keine Notwendigkeit für Schiedsgerichte.
Strafschärfung für Rassisten: Nun berichtet auch die Samstags-SZ (Robert Roßmann) über den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD), der für Taten aus rassistischen und menschenverachtenden Beweggründen explizit schärfere Strafen vorsehen will. Heribert Prantl (Samstags-SZ) glaubt, dass "ein paar neue Symbolwörter im Gesetz" nicht ausreichen, vielmehr seien Dienstanweisungen und Ermittlungsrichtlinien erforderlich; notfalls auch klar bezifferte Strafverschärfungen bei Hasskriminalität.
Vorratsdatenspeicherung: Thomas Stadler (internet-law.de) stellt acht angebliche Mythen der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung vor und beantwortet diese aus Sicht der Gegner. So gebe "es in keinem einzigen EU-Mitgliedsstaat empirische Belege dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung zu einer erhöhten Aufklärungsquote geführt hat".
Justiz
BayVGH zu Gesichtsschleier: Eine bayerische Berufsoberschule durfte einer muslimischen Schülerin das Tragen eines Gesichtsschleiers (Niqab) während des Unterrichts verbieten. Das entschied jetzt laut lto.de der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Der Gesichtsschleier, der nur die Augen freilässt, behindere die - auch nonverbale - Kommunikation im Unterricht zwischen Lehrer und Schülern.
LG Stuttgart zu Porsche: Das Landgericht Stuttgart hat die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den Ex-Finanzvorstand Holger Härter nicht zugelassen. Ihnen war im Zuge der geplanten Übernahme von VW Marktmanipulation durch Falschinformation vorgeworfen worden. Das Landgericht hielt dagegen die Behauptung der Manager für unwiderlegbar, dass die Dementis einer VW-Übernahme stets die Beschlusslage der Porsche-Gremien korrekt wiedergaben. Anhängig sind in dieser Sache noch zivilrechtliche Schadensersatzklagen. Es berichten die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) und die Samstags-SZ (Max Hägler/Hans Leyendecker).
LG Bremen zu Sportgerichtsbarkeit: Der Anwalt Hartmut H. Schneider stellt auf lto.de eine Entscheidung des Landgerichts Bremen vor. Dort hatte der Fußball-Verein SV Wilhelmshaven geklagt, dem auf Geheiß des Fußball-Weltverbands FIFA Punkte abgezogen worden waren, nachdem er sich geweigert hatte, eine Ausbildungsentschädigung für zwei südamerikanische Clubs zu zahlen. Das Landgericht Bremen wies die Klage des deutschen Vereins ab. Durch die Teilnahme am Spielbetrieb habe sich der SV Wilhelmshaven den Satzungsregelungen der Fußballverbände unterworfen.Schneider kann sich vorstellen, dass der Verein im Instanzenweg noch Erfolg hat, weil Ausbildungsentschädigungen für übernommene Jugendspieler rechtlich umstritten seien.
OLG München - Beate Zschäpe: Gisela Friedrichsen (Spiegel) wirft die Frage auf, ob Beate Zschäpe als Angeklagte im NSU-Prozess gut beraten ist, wenn sie weiter schweige. Bisher zeige das Gericht noch keine Zweifel an der von ihm zugelassenen Anklage. Friedrichsen diskutiert, ob Zschäpe eine Narzisstin ist, die sich vor Gericht in der Rolle als rätselhafte Angeklagte gefalle. Sie hält es für denkbar, dass Zschäpe von den Mordtaten ihrer beiden Gefährten wirklich nichts wusste und mit ihnen vor allem deshalb zusammenlebte, weil sie sich dort materiell gut aufgehoben fand.
LG Augsburg - Amazon-Bewertung: zeit.de (Ingo Pagalski) stellt einen Rechtstreit vor, der im Juni beim Landgericht Augsburg verhandelt wird. Dabei hatte ein Kunde, der via Amazons Marketplace ein Fliegenschutzgitter bestellt hatte, anschließend eine ungünstige Bewertung über den Verkäufer gepostet. Nachdem Amazon diesem das Verkäuferkonto gesperrt hat, verklagte der Verkäufer jetzt den Kunden auf 70.000 Euro Schadensersatz.
OLG Hamburg - Max Mosley: Der ehemaliger Autosport-Funktionär Max Mosley verlangt von Google, dass die Suchmaschine mit einem Filter verhindern soll, Bilder anzuzeigen, die Mosley bei einer SM-Orgie mit Prostituierten zeigen. Beim Landgericht Hamburg hatte Mosley weitgehend Erfolg, doch Google ging in Berufung zum Oberlandesgericht. Die Wams (Holger Kreitling) schildert den Konflikt ausführlich.
FG Kassel - Luftverkehrsabgabe: Seit 2010 verlangt der deutsche Fiskus für jeden Passagier, der in Deutschland mit einem Flugzeug startet, eine Abgabe. Dagegen haben ausländische Airlines geklagt, unter anderem beim Finanzgericht Kassel. In einem Gutachten für das Finanzministerium sollte der Luftverkehrsrechtler Elmar Giemulla belege, dass die Abgabe völkerrechtskonform ist. Er kam aber zum Ergebnis, dass die Abgabe gegen das Chicagoer Abkommen über die Zivilluftfahrt verstößt. Nun hat das Finanzministerium den Vertrag mit Giemulla gekündigt, berichtet der Spiegel (Gerald Traufetter, Zusammenfassung).
Heino - Nazi? Durfte der Rapper Jan Delay den Schlagersänger Heino als "Nazi" titulieren? Heino verlangt Unterlassung und hat Strafanzeige gestellt. Thomas Stadler (internet-law.de) und Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) sehen die Äußerung im Ergebnis gerade noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Anlegeranwalt Klaus Nieding: Die FAS (Dennis Kremer) portraitiert den "bekanntesten Anlegeranwalt der Republik", Klaus Nieding. Dieser präsentiere sich "als Verteidiger der kleinen Leute gegen die mächtigen Firmenbosse da oben", habe aber auch "ein perfekt funktionierendes Geschäftsmodell entwickelt". Dabei nutze er seine Funktion als Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Recht in der Welt
Russland - Ukraine: Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) untersucht die Drohung Russlands, in der Ukraine Truppen zur Selbstverteidigung einzusetzen und kommt zum Schluss: "nach derzeitiger Lage wäre ein militärischer Angriff Russlands auf den Osten der Ukraine nicht durch das Selbstverteidigungsrecht zu rechtfertigen." Im Osten der Ukraine seien kürzlich zwar prorussische Separatisten getötet worden. "Doch sie sind offenbar keine russischen Staatsangehörigen. Die Rettung von Sympathisanten erlaubt das Völkerrecht nicht."
Großbritannien - Genitalverstümmelung: Seit 1985 ist Genitalverstümmelung in Großbritanien verboten. Nun gibt es zum ersten Mal eine Anklage, betroffen sind zwei Ärzte. Die Montags-taz (Daniel Zylbersztayn) berichtet.
Sonstiges
Vergewaltigung: Nun kritisiert auch Henning-Ernst Müller (blog.beck.de) die Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zum Rückgang der Verurteilungen wegen Vergewaltigung. Müller vermutet, dass die Zunahme von Strafanzeigen im Nahbereich zu einem höheren Anteil an Fällen mit Beweisproblemen geführt hat.
Kontenabfrage: Joachim Jahn (Samstags-FAZ) findet es unproblematisch, dass sich die Zahl der Kontenabfragen beim Bundeszentralamt für Steuern im Vergleich zu 2012 verdoppelt hat, denn der Anstieg gehe fast vollständig darauf zurück, dass nun auch Gerichtsvollzieher solche Auskünfte einholen können. Er erinnert daran, dass dabei "keine Buchungen abgefragt werden können, sondern nur die simple Tatsache, wer wo ein Konto besitzt".
WM 2014: Mit der Fußball-WM in Brasilien können nicht nur Sponsoren werben. Der Anwalt Fabian Reinholz beschreibt auf lto.de die Rechtslage. Danach darf nur nicht der Eindruck erweckt werden, der Werbende sei offizieller Sponsor des Turniers. So dürften zwar nur Lizenznehmer des Fußballverbandes Fifa die offiziellen Logos verwenden. Abgewandelte Logos und Bezeichnungen seien aber nicht geschützt. Eine Fifa-Lizenz sei auch erforderlich, wenn WM-Spiele öffentlich gegen Eintritt übertragen werden.
Klaus Volk: Die Montags-SZ (Heribert Prantl) portraitiert den emeritierten Strafrechtsprofessor und Strafverteidiger Klaus Volk zum 70. Geburtstag an diesem Dienstag: "Er kann sehr komplizierte Dinge sehr einfach erklären" und für "seine Mandanten aus Hochfinanz und Wirtschaft kann er die Paragrafen zum Tanzen bringen, bis den Sitzungs-Staatsanwälten schwindlig wird".
Das Letzte zum Schluss
Missglücktes Tattoo: Wenn ein Tätowierer schlecht arbeitet, hat er keinen zweiten Versuch frei. Das entschied laut lawblog.de (Udo Vetter) das Oberlandesgericht Hamm. Bei Arbeiten, die körperliche Schmerzen verursachen, sei Vertrauen erforderlich. Deshalb könne der Tätowierer keine Möglichkeit zur Nachbesserung verlangen. Im konkreten Fall wurde der betroffenen Kundin ein Schmerzensgeldanspruch und die Kosten für eine fachmännische Beseitigung des Tattoos bei einem Fachmann ihrer Wahl zugesprochen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. - 28. April 2014: ADAC-Sumpf mit Vertragsanwälten – Mehr "sichere Herkunftsstaaten" – Schulen ohne Gesichtsschleier . In: Legal Tribune Online, 28.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11803/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag