Der Korruptionsskandal erschüttert die Türkei und stellt den Rechtsstaat auf die Probe. Außerdem in der Presseschau: BAG-Präsidentin zu Leiharbeit und Quote, Kritisches zur Fünf-Prozent-Hürde, Bundesanstalt contra Amtsgericht, Schavan zu Plagiatsprozess, Apartheid-Klage gegen Daimler abgewiesen – und schräge Töne zum Strafrecht.
Thema des Tages
Türkei – Korruptionsskandal: Der Korruptionsskandal um die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan weitet sich aus. Nachdem Erdoğan zehn seiner Minister habe ersetzen müssen, habe die Istanbuler Staatsanwaltschaft weitere Festnahmen vorbereitet, berichtet die SZ (Christiane Schlötzer). Jedoch weigere sich die Polizei, diese zu vollziehen. In einem weiteren Artikel erläutert Christiane Schlötzer die Korruptionsvorwürfe, während Tim Neshitov den laut Erdoğan hinter den Ermittlungen steckenden, in den USA lebenden Imam Fethullah Gülen porträtiert. Die taz (Jürgen Gottschlich) schildert in einer Reportage aus Istanbul die Stimmung im Land, die machtpolitischen Hintergründe der Korruptionsaffäre und die Rolle der "Gülen-Bewegung".
Die taz (Deniz Yüzel) führt ein Interview mit Vertretern der kritischen Polizistenvereinigung "Gruppe Polizeireform" über das Innenleben der Polizei und ihre Rolle bei den Korruptionsermittlungen und im Machtgefüge der Türkei.
Rechtspolitik
BAG-Präsidentin für Leiharbeit-Regulierung und Frauenquote: Einer Meldung der SZ zufolge hat sich die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, öffentlich für eine stärkere Regulierung der Leiharbeit ausgesprochen. Neben "Sanktionen gegen Missbrauch beim Dauereinsatz von Leiharbeitern" seien auch "präzisere Bestimmungen bei den Lohnansprüchen" notwendig. Ungeklärt seien insbesondere Ansprüche auf "Urlaub oder Weihnachtsgeld sowie auf Zuschläge aller Art". Laut taz hat sie sich dabei auch für eine gesetzliche Frauenquote im öffentlichen Dienst ausgesprochen.
Minderheitenrechte im Bundestag: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erwartet laut FAZ (Günter Bannas) eine Vereinbarung im Bundestag, die sicherstellt, "dass die unverzichtbaren Minderheitsrechte nicht von der unverbindlichen Zusage einer großen Mehrheit abhängig sind". Dabei gehe es vor allem um Redezeiten und das Recht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Aufgaben des Parlaments: Gregor Kirchhof hofft im "Staat und Recht"-Teil der FAZ darauf, dass sich der neue Bundestag als Parlament "revitalisiere" und "dem Prozess der Entrechtlichung", insbesondere im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise, entgegenwirken könne. Dabei solle sich der Gesetzgeber mit dem Erlass allgemeiner Regeln begnügen. Kirchof beklagt, dass im Bundestag "insgesamt zu wenig grundlegende Debatten geführt" würden und damit eine Selbstentmachtung des Parlaments einhergehe. Mit Blick auf Europa befürwortet er den verstärkten Einsatz von Richtlinien, die den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume lassen.
Fünf-Prozent-Hürde: In der Zeit plädiert Thomas Drysch für "mehr Demokratie" und ein Abschaffen der Fünf-Prozent-Hürde. Er kritisiert die dieser Regelung zugrundeliegende "Parteienstaatsdoktrin" von Gerhard Leibholz, die in seinen Augen das freie Mandat und die Unabhängigkeit der Abgeordneten opfert. Er hat beim Bundestag Widerspruch gegen die Bundestagswahl eingelegt.
Justiz
VG Düsseldorf – Schavan-Plagiatsprozess: Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan spricht im Interview mit der Welt (Jochen Gaugele) über den bevorstehenden Plagiatsprozess vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Schavan wehrt sich gegen den Entzug ihres Doktortitels wegen "vorsätzlicher Täuschung" durch die Düsseldorfer Universität und empfindet diesen als "Unrecht".
BGH zum Mietrecht: Im "Mietmarkt"-Teil gibt die SZ (Andrea Nasemann) einen Überblick über die 2013 ergangenen mietrechtlichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Die Themen reichen von Haustierhaltung über Eigenbedarfskündigungen bis hin zu bunt bemalten Wänden.
PTB contra AG Aachen: Laut blog.beck.de (Carsten Krumm) "vollkommen unüblich" hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ausdrücklich zu einer Entscheidung des Amtsgerichts Aachen Stellung bezogen und dieser öffentlich widersprochen. In der Entscheidung hatte das Amtsgericht Zweifel an der Zuverlässigkeit des von der PTB zugelassenen Geschwindigkeitsmessgeräts "Poliscan Speed" geäußert und dabei die Zulassungstätigkeit der Anstalt kritisiert.
BAG zu Weihnachtsgeld: Auf lto.de stellt der Rechtsanwalt Christian Oberwetter anlässlich der Festtage drei Leitentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Weihnachtsgeld zusammen: Zur Stichtagsregelung, zur unwirksamen Bezeichnung als "freiwillige soziale Leistung" und zum Anspruch aus betrieblicher Übung.
Recht in der Welt
Ägypten – Muslimbruderschaft kriminalisiert: Nach einem Anschlag auf eine Polizeistation mit 16 Toten hat die ägyptische Regierung die Muslimbruderschaft zur Terrororganisation erklärt, berichten SZ (Sonja Zekri) und taz (Beate Seel). Laut zeit.de sind aufgrund der Entscheidung bereits Dutzende Mitglieder als Terroristen festgenommen worden.
USA – Apartheid-Klage abgewiesen: Die deutschen Unternehmen Daimler und Rheinmetall können nicht für die Übergriffe des südafrikanischen Apartheid-Regimes verantwortliche gemacht werden. Das hat fr-online zufolge eine New Yorker Bezirksrichterin auf die Klage mehrerer Regime-Opfer und deren Angehöriger entschieden.
Russland – Greenpeace-Verfahren eingestellt: spiegel.de zufolge hat die russische Justiz die gegen Greenpeace-Aktivisten wegen Rowdytum geführten Verfahren im Zuge der vom Parlament beschlossenen Amnestie eingestellt. Nur das Verfahren gegen einen italienischen Aktivisten sei wegen eines fehlenden Dolmetschers noch nicht eingestellt worden. Die Crew des Schiffes "Arctic Sunrise" war im September festgenommen worden.
Russland – Jukos-Verfahren/Chodorkowskij: Russlands Oberstes Gericht will die umstrittenen Jukos-Verfahren gegen Michail Chodorkowskij prüfen. Es lägen "neue Umstände" vor, zitiert spiegel.de den Gerichtssprecher. Der Vorsitzende des Gerichts habe den Überprüfungsantrag auch unter Hinweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestellt, der im Juli Verfahrensmängel kritisiert hatte. Bedeutung habe die Überprüfung für Chodorkowskij, weil dieser sich aufgrund der Urteile hohen Geldforderungen ausgesetzt sehe, die ihn an der Heimkehr hinderten. Auch die SZ (Frank Nienhuysen) berichtet und ergänzt, dass ein Moskauer Gericht auch die Verfahren gegen die unter Hausarrest stehenden bzw. inhaftierten Kreml-Gegner Sergej Udalzow und Leonid Raswoschajew zur Überprüfung an die Staatsanwaltschaft zurückgegeben habe. Allerdings werde nicht mit einer Einstellung der Verfahren gerechnet.
In der Zeit beschreibt Marieluise Beck (Grüne), die sich jahrelang für Chodorkowskij eingesetzt hat, wie sie Prozess, Haft und Entlassung erlebt hat – und ihr Wiedersehen mit dem Haftentlassenen in Berlin.
Internationale Verfolgung Homosexueller: In mehr als 70 Staaten weltweit werden laut Auswärtigem Amt Homosexuelle kriminalisiert. Dazu gehöre nach einer jüngsten Gerichtsentscheidung mit Indien auch "die größte Demokratie der Welt", berichtet die SZ (Ronen Steinke).
Sonstiges
Internet-Regulierung und Datenschutz: Nikolai Horn fragt im "Staat und Recht"-Teil der FAZ, warum das vom Bundesverfassungsgericht erst 2008 entwickelte IT-Grundrecht keine größere Rolle in der aktuellen Debatte über die Konsequenzen aus der Ausspähaffäre und die Vorratsdatenspeicherung spielt. In seinen Augen spiegele sich in diesem Grundrecht eine "Wertentscheidung der Bundesrepublik" für den "hohen Wert der informationstechnischen Integrität". Entscheidend sei aber auch die Überwindung der "digitalen Kluft", die dafür verantwortlich sei, dass "das Bewusstsein für die Verletzlichkeit der digitalen Bürgerrechte nicht ausreichend vorhanden ist".
Tierrechte: Auf der "Staat und Rechte"-Seite der FAZ beschäftigt sich der Medienrechtler Rolf Schwartmann mit dem Lebensrecht und der Würde von Tieren – weder das eine noch das andere käme ihnen indes zu. Allenfalls könne ein Mensch einem Tier durch Tierliebe "etwas von seiner Menschenwürde zuteil werden" lassen.
Das Letzte zum Schluss
Schräger Strafrecht-Song: Mehr schräg als schön – zu den besinnlichen Feiertagen ruft uns blog.strafrecht.jurion.de (Detleff Burhoff) den wohl nur auf Youtube hitverdächtigen "Strafrecht-Song" ins Gedächtnis. Selten wurde ein error in persona vel objecto so mitreißend vertont...
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. Dezember 2013: Korruptionsskandal erschüttert Türkei – BAG-Präsidentin pro Quote – Schräges zum Strafrecht . In: Legal Tribune Online, 27.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10471/ (abgerufen am: 21.05.2024 )
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