Der rauchende Mieter Friedhelm Adolfs muss nach 40 Jahren seine Wohnung verlassen, entschied das Landgericht Düsseldorf. Außerdem in der heutigen Presseschau: "Mein Kampf" soll mit bestehenden Gesetzen bekämpft werden, Diskussion um Fahrverbote für Steuersünder, das BAG billigt befristete Verträge für Betriebsräte, und warum exotische Fische an deutschen Körpern herumknabbern dürfen.
Thema des Tages
LG Düsseldorf zu rauchendem Mieter: Das Landgericht Düsseldorf hat die fristlose Kündigung eines 75-jährigen Mieters für rechtmäßig erklärt, weil dessen Rauch- und mangelndes Lüftverhalten zu Geruchsbelästigungen im Treppenhaus führte. Das Landgericht hat damit im wesentlichen ein Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf aus dem Vorjahr bestätigt. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ist allerdings zugelassen. Es berichten u.a. die FAZ (Reiner Burger) und wdr.de.
Roland Preuss (SZ) begrüßt das Urteil: "Tatsächlich ist der Mann nur Opfer seiner Sturheit geworden: Jahrelang hat er sich trotz Beschwerden von Hausbewohnern und Mahnungen der Vermieterin nicht dazu bewegen lassen, den Qualm ins Freie zu schicken". Die Mehrheit der Mieter sei nun gegen Rücksichtslose "besser geschützt". Andreas Borcholte (spiegel.de) kritisiert dagegen, das Urteil gebe "all jenen Recht und Präzedenz, die vordergründig auf das Wohl der Gesellschaft pochen, in Wahrheit aber eine freudlose Moral der Vernunft diktieren wollen, die nichts mit Liberalität oder Toleranz zu tun hat." Alan Posener (Welt) meint: "Dem Spießertum der Vermieter und der Gesundheitsfanatiker begegnet man nicht, indem man es verbietet, sondern
vor allem, indem man das Wohneigentum fördert. Das hilft zwar Herrn Adolfs
nicht. Aber wie man hört, hat er viele Angebote erhalten, anderswo zu rauchen."
spiegel.de (Gesa Mayr) stellt das aktuelle Urteil in den Zusammenhang anderer Rechtsprechung rund um rauchende Mieter. Die Welt (Berrit Gräber) geht etwas grundsätzlicher auf die Freiheit der Mieter ein und kommt zum Schluss: "das Mietrecht ist überraschend tolerant. Millionen Mieter können
in ihrer Wohnung und auf dem Balkon machen, was sie wollen – solange sie
niemanden massiv stören."
Rechtspolitik
Anwaltstag: Zum Beginn des Deutschen Anwaltstags bringt lto.de ein Interview mit Wolfgang Ewer, dem Vorsitzenden des Deutschen Anwaltvereins. Ewer kritisiert die mögliche Ausspähung von Anwälten durch die NSA und warnt vor der Schließung kleiner Amtsgerichte.
Wie die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet, sprach sich Ewer beim Anwaltstag für Bürgerklagen gegen die NSA-Überwachung aus. Verfassungsbeschwerden seien im Falle eines eventuellen "Ringtausches" möglich, wenn sich "US-Geheimdienste über ihre deutschen Partnerdienste unbefugt Daten über deutsche Staatsbürger beschafft haben, die sie selbst nicht abschöpfen dürfen".
Fahrverbot: Jan Bielicki (SZ) kommentiert den Vorschlag des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD), ein Fahrverbot u.a. "für Steuersünder" einzuführen. Als Hauptstrafe sei die Sanktion nicht geeignet, weil sie das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletze. Allenfalls könne es "eines von vielen Mitteln sein, gerade jungen Straftätern mit Urteilen zu begegnen, die auf ihre Person und ihre Lebensumstände zugeschnitten sind".
"Mein Kampf": Die FAZ (Frank Pergande) meldet, dass sich die Justizministerkonferenz nun doch nicht für eine Lex Hitler ausspricht. Die Minister gehen davon aus, dass das bestehende Strafrecht ausreicht, um auch ab 2015 die Publikation von Hitlers Buch "Mein Kampf" zu unterbinden. Ende 2015 endet das bei Bayern liegende Urheberrecht an dem Buch.
Mietpreisbremse: spiegel.de (Veit Medick/Annett Meiritz) stellt die Kritik der CDU/CSU am Entwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zur geplanten Mietpreisbremse dar. Maas' Gesetzentwurf sei nicht eindeutig genug, die Mietpreisbremse nicht zeitlich und örtlich begrenzt.
Tarifeinheit: Das Bundeskabinett will am kommenden Mittwoch Eckpunkte zur verfassungsrechtlich umstrittenen Wiedereinführung der Tarifeinheit in Betrieben beschließen. Dort heißt es laut Tagesspiegel (Alfons Frese) u.a.: "Soweit sich im Betrieb Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften überschneiden, kommt nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft zur Anwendung, die im Betrieb mehr Mitglieder hat." Im Herbst wolle Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.
Psychisch Kranke: Die Grünen im bayerischen Landtag haben den Entwurf für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) vorgelegt. Es sehe die "flächendeckende Versorgung mit Sozialpsychiatrischen Diensten sowie Krisendiensten" vor, berichtet die taz (Lisa Schnell). Wenn die Polizei in einschlägigen Fällen gerufen wird, soll immer ein Krisenteam mit dabei sein. Eine Zwangsunterbringung in der Psychiatrie soll bei Nicht-Straftätern auf sechs Wochen begrenzt sein.
Justiz
BAG zu Betriebsräten: Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass auch Betriebsräte im Rahmen von befristeten Verträgen beschäftigt werden können - wenn die Befristung nicht wegen der Betriebsratsarbeit erfolgt. Der Anwalt Jan Tibor Lelley stellt das Urteil auf lto.de vor und begrüßt die grundsätzliche Linie: "wer möchte schon, dass ungeeignete Kandidaten sich als Betriebsrat zur Wahl stellen, nur um einer auslaufenden Befristung zu entgehen?"
BVerwG zu Ruhestandsbeamten: Der Staat hat keinen Anspruch darauf, dass pensionierte Beamte ihm nach Übergang in den Ruhestand keine Konkurrenz machen. Geklagt hatte laut lto.de ein emeritierter Medizinprofessor, der pathologische Diagnoseleistungen nun auf eigene Rechnung anbot.
BGH zu Gewaltschutzverfahren: blog.beck.de (Hans-Otto Burschel) stellt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Februar vor. Dabei hatte eine Ehefrau nach heftigen Auseinandersetzungen eine eigene Wohnung bezogen. Daraufhin hatte sich der Ehemann unter falschem Namen im gleichen Mietshaus eine Wohnung gemietet. Anders als die Vorinstanzen gab der BGH der Frau einen Anspruch gegen den Mann, diese Wohnung aufzugeben. Rechtsgrundlage sei nicht das Gewaltschutzgesetz, das sich auf eine gemeinsame Wohnung beziehe, sondern die §§ 823, 1004 BGB analog.
VG München zu Organ-Warteliste: Das Verwaltungsgericht München verhandelte am Donnerstag eine Klage gegen die Münchener Uniklinik. Diese hatte eine nierenkranke Frau von der Warteliste für Organtransplantationen gestrichen, weil sie "nicht-transplantabel" sei. Das Vertrauensverhältnis sei gestört, nachdem ihr Mann in einer E-Mail zu unverschämt geworden war. Das VG hat die Klage nun aus formalen Gründen abgelehnt, weil die Frau damals aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich "nicht-transplantabel" war und inzwischen eine Niere erhalten hat. Die SZ (Christina Berndt) schildert Fall und Verfahren.
LG Halle zu rechtsradikalem Angriff: Das Landgericht Halle hat fünf Angehörige der rechten Szene nach einem Angriff auf Punks in Sangershausen wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung verurteilt. Die beiden Haupttäter erhielten Haftstrafen von bis zu drei Jahren und drei Monaten, die anderen drei Bewährungsstrafen, meldet spiegel.de.
OLG München - NSU: Im NSU-Verfahren befasste sich das Oberlandgesgericht München mit dem Anschlag auf ein Lebensmittelgeschäft in Köln. Der Täter, der damals den Sprengsatz deponierte, sah weder Uwe Böhnhardt noch Uwe Mundlos ähnlich, sehr wohl aber einem anderen, örtlichen Neonazi. Die Nebenkläger wollen nun wissen, warum diese Spur nicht konsequent verfolgt wurde, berichten zeit.de (Tom Sundermann) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
Die Welt (Per Hinrichs) zitiert umfangreich aus Anträgen der Angeklagten Beate Zschäpe zu ihrem Haftalltag. Der Ton der Eingaben werde immer gereizter.
LG Köln - Kachelmann: Der vom Vorwurf der Vergewaltigung frei gesprochene Ex-Wettermoderator Jörg Kachelmann fordert von Bunte, Bild und Focus zusammen über drei Millionen Euro Schadensersatz wegen "Falschberichterstattung, Privat- und Intimsphärenverletzungen in Wort und Bild, Schmähkritik, Vorverurteilungen". lto.de (Constantin van Lijnden) sprach darüber mit Kachelmanns Anwalt Ralf Höcker. Soweit ähnliche Klagen bisher erfolglos waren, hält Höcker die Urteile für falsch.
Recht in der Welt
USA - Handy-Auswertung: Der US-Supreme Court hat beschlossen, dass die amerikanische Polizei einen richterlichen Beschluss benötigt, wenn sie das mitgeführte Mobiltelefon einer festgenommenen oder angehaltenen Person auswerten will. Das berichten die SZ (Nicolas Richter).
USA - Argentinien: Die SZ (Peter Burghardt) erläutert den Streit zwischen Argentinien und Hedgefonds, die die Schuldenschnitte des Landes nicht akzeptiert hatten und laut US-Gerichtsurteilen nun Anspruch auf volle Rückzahlung der Schulden haben. Argentinien verhandele jetzt mit dem zuständigen US-Richter über einen Aufschub in letzter Sekunde. In einem zweiten Text beschreibt die SZ (Simone Boehringer), dass von insgesamt rund 15 Mrd. Dollar ungekürzter argentinischer Altschulden rund 1 Mrd. Dollar von deutschen Gläubigern gehalten werden.
EGMR - Leihmütter: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass Frankreich die Kinder von Leihmüttern als französische Staatsbürger anerkennen muss, auch wenn die Leihmutterschaft verboten ist. Voraussetzung ist, dass ein Elternteil Franzose oder Französin ist, meldet die FAZ (Michaela Wiegel).
Das Letzte zum Schluss
VG Gelsenkirchen zu Knabberfischen: Wie lawblog.de (Udo Vetter) meldet, hat ein Kosmetiksalon Anspruch auf eine Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Halten von Kangal-Fischen. Diese Fische knabbern an der menschlichen Haut und reinigen sie dabei. Auch für kosmetische Zwecke seien Erlaubnisse nach dem Tierschutzgesetz möglich.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. Juni 2014: Wer raucht, muss auch lüften - keine "Lex Hitler" - Hautpflege mit Knabberfischen ist zulässig . In: Legal Tribune Online, 27.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12371/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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