Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, steht vor einer Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs. Wohl auch, weil er ein Bußgeld nicht akzeptieren wollte. Außerdem in der Presseschau: EU-Binnenmigration soll begrenzt werden, BVerfG zu Hausdurchsuchungen, türkisches Gericht hebt Twitter-Sperre auf, SWR macht Publikum zum Richter und ein Mord im hohen Alter.
Thema des Tages
StA München – Deutsche Bank: Die SZ (Klaus Ott) berichtet ausführlich über das vom Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, ausgeschlagene Angebot der Staatsanwaltschaft München, bei Zahlung einer Geldbuße auf eine Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs im Kirch-Prozess zu verzichten. Nun laufe es wohl auf eben eine solche Anklage gegen Fitschen und seine Vorgänger hinaus. Laut Handelsblatt (Laura de la Motte/Peter Köhler) gehöre zu den Indizien, die der Staatsanwaltschaft vorliegen, unter anderem ein interner Bericht der Bank, aus dem hervorgehe, dass "einige Aussagen vor Gericht nicht der Wahrheit entsprachen". In einem weiteren Artikel stellt das Handelsblatt (Laura de la Motte) die mittlerweile drei Ermittlungsverfahren wegen versuchten Prozessbetrugs vor, von denen das gegen die Bank-Vorstände nur eines sei; die anderen beiden richteten sich gegen weitere Zeugen aus dem Kirch-Prozess sowie gegen für die Prozessführung verantwortliche Bank-Mitarbeiter und Rechtsanwälte.
Andrea Rexer (SZ) meint, der "Zocker in eigener Sache" habe sich diesen Schritt wohl "sehr gut überlegt", riskiere damit aber womöglich seinen Verbleib an der Spitze des Geldhauses.
Rechtspolitik
Sexuelle Ausbeutung von Kindern: Die Unionsfraktion hat Eckpunkte für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung verabschiedet. Wie die SZ (Robert Rossmann) berichtet, enthalte das "Opferschutzpaket" Vorschläge zum Vorgehen gegen "Cyber-Grooming", also dem sexuell motivierten Kontaktieren von Kindern im Internet, und ein generelles Handels- und Tauschverbot für Nacktbilder von Kindern. Dazu sollten Verjährungsfristen einschlägiger Delikte deutlich verlängert werden.
EU-Binnenmigration: Im Zusammenhang mit dem am gestrigen Mittwoch offiziell vorgestellten Bericht des Staatssekretärausschusses zur "EU-Binnenmigration" versucht die FAZ (Corinna Budras) Antworten auf die "wichtigsten Fragen" zum Thema "Armutszuwanderung" zu geben und geht dabei auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein. Von den Staatssekretären werde eine Befristung des Aufenthaltsrechts für Arbeitssuchende aus dem EU-Ausland gefordert.
Reinhard Müller (FAZ) konstatiert zwar, dass es eine "europäische Selbstverständlichkeit" sei, dass "Freizügigkeit ihren Preis" habe, diese aber gleichzeitig "nicht schrankenlos" gelte und es "nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen Interesse" sei, "gegen Missbrauch von Sozialleistungen vorzugehen".
Fluglärm: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert Nachbesserungen beim Schutz gegen Fluglärm. Es gelte "erhebliche Regelungsdefizite" im Zusammenhang mit der Festlegung von Flugrouten zu beheben, berichtet die taz (Christian Rath).
Bundesdatenschutzbeauftragte im Interview: lto.de (Claudia Kornmeier) spricht mit der seit Februar amtierenden Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff (CDU) über ihre Befürwortung der Vorratsdatenspeicherung, ihre positiven Erwartungen hinsichtlich der EU-Datenschutzreform und ihre Wünsche nach mehr Transparenz bei der Schufa.
Steuerhinterziehung: Nach einem Bericht der SZ (Klaus Ott) haben sich die Finanzminister der Länder im Vorfeld eines Treffens am heutigen Donnerstag darauf verständigt, von Steuerhinterziehern nach Selbstanzeigen höhere Zuschläge zur Steuerschuld zu verlangen. Markus Söder (CSU) fordere zudem eine Obergrenze für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige.
Justiz
BVerfG zu Hausdurchsuchungen: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf eine Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hin, die "zum wiederholten Male" betone, dass die Durchsuchung einer Wohnung den auf konkrete Tatsachen gegründeten Verdacht einer Straftat voraussetze. Insbesondere dürfe die Durchsuchung nicht erst der Ermittlung eben solcher Tatsachen dienen. Stadler zieht eine Parallele zum Fall Edathy, bei dem er eben diese Voraussetzung als nicht gegeben einschätzt.
OLG München – NSU-Prozess: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München wurde die ehemalige Freundin des Mitangeklagten Ralf Wohlleben als Zeugin vernommen. Die SZ (Tanjev Schultz) berichtet über die Vernehmung, die einmal mehr von Erinnerungslücken der Zeugin geprägt gewesen sei, schließlich aber unerwartet sogar zu einer Belastung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe geführt habe. Auch spiegel.de berichtet.
OLG Düsseldorf zu versagter Fusion: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat laut lto.de die Milliarden-Schadensersatzklage eines dänischen Unternehmens wegen einer vom Bundeskartellamt rechtswidrig versagten Fusion abgewiesen. Die Rechtsauffassung der Behörde sei "zumindest vertretbar" gewesen.
LG Ulm – Scala: Am kommenden Montag wird vor dem Ulmer Landgericht über die Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Sparkasse Ulm verhandelt. Die Zeit (Meike Schreiber) bringt einen Vorbericht über den auch als "Scala"-Verfahren bekannten Prozess, bei dem es um Bemühungen der Sparkasse gehe, Kunden aus lukrativ verzinsten alten Verträgen zu drängen.
StA Berlin – Bushido: Im Feuilleton der Zeit beschäftigt sich Yassin Musharbash mit der vom Amtsgericht Tiergarten im November letzten Jahres zurückgewiesenen Anklage der Berliner Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung gegen Homosexuelle. Neben der "ausufernden" Interpretation des Bushido-Songs "Stress ohne Grund" durch die Behörde geht es auch um eine mögliche Einflussnahme des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) auf das Verfahren.
ArbG Bochum zu "Schnupper-Praktikum": Das Arbeitsgericht Bochum hat entschieden, dass eine über acht Monate lang unentgeltlich als "Schnupper-Praktikantin" in einem Rewe-Markt beschäftigte 19-Jährige Anspruch auf entgangenen Lohn hat. Über den Fall berichtet spiegel.de (Helene Endres).
BVerfG zu ZDF-Staatsvertrag: In einem ausführlichen Artikel beschäftigt sich die Zeit (Alina Fichter) mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag – und bezeichnet es als "süßen Sieg" für den Ex-ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Auf verfassungsblog.de befasst sich die Rechtsprofessorin Sophie-Charlotte Lenski mit dem Urteil und gibt im Zusammenhang mit der geforderten "Staatsferne" zu bedenken, dass es in Deutschland neben dem Parteienwettbewerb kein "kein gefestigtes gesellschaftliches Instrument" gebe, um eine Vertreterauswahl zu bewerkstelligen. Auch juwiss.de (Frederik Ferrau/Thomas Wierny) beschäftgt sich mit der Entscheidung.
LG Wiesbaden zu Ehrenmord: Heute berichtet auch die Welt (Hannelore Crolly) über das Urteil des Landgerichts Wiesbaden im Ehrenmordprozess und spricht von einem "Kulturbonus" für den Täter.
Recht in der Welt
Türkei – Twitter-Sperre: Ein türkisches Gericht hat die Sperrung des Kurznachrichtendienstes Twitter durch die Regierung für rechtswidrig erklärt. Das meldet unter anderem die FR.
Peter Sturm (FAZ) begrüßt das Urteil und sieht darin ein mögliches Signal, dass in der Justiz trotz der Entwicklungen der letzten Monate "noch nicht alle nach der Pfeife des Ministerpräsidenten tanzen".
USA – bin-Laden-Schwiegersohn verurteilt: In New York ist Abu Gheith, Schwiegersohn des getöteten al-Qaida-Führers Osama bin Laden, wegen seiner Führungsrolle im Terrornetzwerk verurteilt worden. Ihm drohe nun lebenslange Haft, berichtet spiegel.de.
Hinrichtungen: 2013 ist es ist es einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International weltweit wieder zu mehr Hinrichtungen als im Vorjahr gekommen. Das teilt die taz (Bernd Pickert) mit.
Sonstiges
Grundrechtsdogmatik: Im Feuilleton der FAZ bespricht Ex-Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde das Buch "Zur Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik" von Camila de Oliveira. Es verfolge das Ziel, die Abwehrdimension der Grundrechte wieder stärker zur Geltung zu bringen und verdiene "ein hohes Lob".
Publikum als Richter: lto.de (Claudia Kornmeier) führt ein Interview mit Frank Bräutigam, dem Moderator der am gestrigen Mittwoch erstmals ausgestrahlte SWR-Sendung "Ihr Urteil, bitte!", in der das Publikum über reale juristische Fälle befinden soll. In der ersten Sendung gehe es um Strafrecht und die Grenzen der Notwehr.
Das Letzte zum Schluss
93-jähriger Mörder: Im französischen Reims ist laut SZ ein 93-jähriger Mann verurteilt worden, weil er eine 82 Jahre alte Frau getötet haben soll. Der Grund für die Tat: Zurückgewiesene Zuneigung.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. März 2014: Fitschen vor Anklage – Türken dürfen wieder twittern – Publikum als Richter . In: Legal Tribune Online, 27.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11462/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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