Die Frauenquote für Aufsichtsräte soll 2016 kommen. Darauf haben sich am gestrigen Dienstag die Koalitionsparteien geeinigt. Außerdem in der Presseschau: Ist der Kohleausstieg verfassungskonform? Sind die geheimen TTIP-Verhandlungen demokratiewürdig? Wann darf sich der Betriebsrat einen Anwalt nehmen? Wie sollte das Jurastudium ausgestaltet sein? Und wann man neben einem Knöllchen eine Anzeige wegen Beleidigung riskiert.
Thema des Tages
Frauenquote: Spitzenpolitiker der Union und SPD haben sich beim Koalitionsgipfel am gestrigen Dienstag über die Frauenquote geeinigt, nachdem es in den letzten Tagen zu Konflikten bezüglich der konkreten Ausgestaltung gekommen war. Wie unter anderem welt.de (Sabine Menkens) und focus.de melden, soll es bei dem ursprünglichen Vorschlag von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Justizminister Heiko Mass (SPD) bleiben. Der Gesetzentwurf soll am 11. Dezember vom Bundeskabinett beschlossen werden und die Quote ab 2016 gelten. Börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen müssen danach eine Frauenquote von 30 Prozent in ihren Aufsichtsräten vorweisen. Wird die Quote nicht erfüllt, sollen die Positionen unbesetzt bleiben. Die Union habe sich mit der Forderung nach Ausnahmeregelungen für den Fall, dass keine geeignete Person gefunden werden kann, nicht durchsetzen können. Dagegen sollten die Berichts- und Dokumentationspflichten eingeschränkt werden.
Heribert Prantl (SZ, sueddeutsche.de) spricht sich für die gesetzliche Einführung der Quote aus. Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte habe gezeigt, dass sich durch freiwillige Selbstverpflichtungen wenig ändere. Die gesetzliche Einführung der Quote sei notwendig als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebots der Gleichberechtigung.
Rechtspolitik
Länderfinanzausgleich: Die Reform des Solidarpakts und des Bund-Länder-Finanzausgleichs sollte am 11. Dezember beschlossen werden, doch sei eine Einigung unter den Länderchefs bisher nicht absehbar, berichtet die FAZ (Jasper von Altenbockum). Der Beitrag diskutiert die aktuellen Vorschläge wie eine mögliche Beteiligung der Länder an der Erhebung der Einkommenssteuer und die Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten für Arbeitslose, die derzeit von Kommunen getragen werden.
Kohleausstieg: Um die Klimaschutzziele 2020 noch erreichen zu können, sollen nach Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums die Quoten für Treibhausgasemissionen von Kohlekraftwerken gesenkt werden. Professor Felix Ekardt bespricht bei lto.de die verfassungs- und europarechtlichen Voraussetzungen eines Ausstiegs aus der Kohleverstromung, der etwa über die Einführung von Treibhausgasgrenzwerten oder über eine nachträgliche Befristung der Kraftwerksgenehmigungen erfolgen könnte. Der Autor bestimmt diese Maßnahmen als Inhaltsbestimmung des Eigentums und nimmt eine Abwägung mit den Klimaschutzbelangen vor.
Vergaberecht: Ein Erlass der Bundesinnenministeriums verpflichtet Unternehmen, die in einem Vergabeverfahren als Bieter auftreten, zur Abgabe einer Eigenerklärung. Darin sollen die Bieter versichern, dass sie nicht gegenüber Dritten, beispielsweise ausländischen Sicherheitsbehörden, zur Herausgabe vertraulicher Informationen verpflichtet sind. Die Rechtsanwälte Marc Gabriel und Wolfgang Fritzemeyer kritisieren den Erlass in der FAZ als unvereinbar mit den Prinzipien des Vergaberechts. Die Eigenerklärung stelle eine an die allgemeine Unternehmensführung gerichtete Ausführungsbedingung dar, die einer gesetzlichen Grundlage entbehre. Zudem verletze sie den Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz.
TTIP: Die Europäische Kommission will die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP transparenter gestalten und mehr Abgeordneten die Einsicht in die Dokumente gewähren. Sie dürfen die Dokumente in einem gesonderten Lesesaal einsehen, aber keine Notizen und Kopien machen. Heribert Prantl (SZ) findet die Geheimhaltung der Verhandlungen "einer Demokratie unwürdig". Die Dokumente "sollten wirklich öffentlich gemacht werden – nicht bruchteils-öffentlich in einem geheimen Leseraum."
Justiz
BVerfG – Bundeswehreinsatz in Libyen: Wie die Welt meldet, wird das Bundesverfassungsgericht am 28. Januar die Verfassungsklage der Grünen-Fraktion gegen einen Einsatz der Bundeswehr zur Evakuierung von EU-Bürgern aus Libyen im Jahr 2011 verhandeln. Geklärt werden soll, ob der Bundestag dem Einsatz hätte zustimmen müssen.
BGH zu Lehman-Zertifikaten: Der Bundesgerichtshof hat am gestrigen Dienstag zwei Käufern von Zertifikaten der insolventen Bank Lehman Brothers Schadensersatzansprüche gegen die Bethmann Bank zugesprochen, die ihnen die Zertifikate verkauft hatte. Die SZ (Wolfgang Janisch) und das Handelsblatt (Frank M. Drost) stellen das Urteil dar. In beiden Fällen habe es sich um Garantiezertifikate gehandelt, bei denen eine hundertprozentige Rückerstattung des Einlagekapitals zugesichert worden war. Im Anlageprospekt sei zwar ein Sonderkündigungsrecht für den Insolvenzfall aufgeführt worden, doch wurde dieses den Anlegern nicht vorgelegt. Damit habe die beratende Bank gegen die Aufklärungspflicht verstoßen und sei schadensersatzpflichtig.
BAG zu Betriebsratskosten: Anhand einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Juni dieses Jahres erläutert Rechtsanwalt Bernd Weller auf blog.handelsblatt.com das Verhältnis von § 40 Betriebsverfassungsgesetz und § 80 Abs. 3 BetrVG. Beide Vorschriften sind für die Frage relevant, unter welchen Umständen der Betriebsrat einen Anwalt zur Rate ziehen darf und der Arbeitgeber hierfür aufkommen muss. Im entschiedenen Fall hatte der Betriebsrat auf Zustimmung des Arbeitgebers zur Mandatierung des Anwalts nach § 80 Abs. 3 BetrVG geklagt. Das BAG urteilte, dass der Betriebsrat keinen Anspruch auf Zustimmung habe, weil es sich um eine konkreten Konflikt über den Umfang von Mitbestimmungsrechten gehandelt habe und somit § 40 BetrVG einschlägig sei.
OLG Köln zu CC-Lizenzen: netzpolitik.org (Leonhard Dobusch) bespricht ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln zur Nutzung von "Creative Commons"-Lizenzen. Im entschiedenen Fall hatte das öffentlich-rechtliche Deutschlandradio ein als "Non-Commercial" gekennzeichnetes Bild eines Fotografen genutzt, das dieser bei "flickr" hochgestellt hatte. Das OLG habe unter anderem noch einmal festgestellt, dass es für die Beurteilung, ob eine nicht-kommerzielle Nutzung vorliegt, alleine auf die konkrete Nutzung des Werkes und nicht auf das allgemeine Aufgabengebiet des Nutzers ankomme.
LG Hamburg zu Yagmur: Am gestrigen Dienstag hat das Landgericht Hamburg die Mutter der getöteten Yagmur wegen Mordes zur lebenslanger Haft verurteilt. Die Mutter habe die dreijährige Tochter misshandelt, bis diese ihren Verletzungen erlegen sei. Die Welt (Insa Gall) und die SZ (Thomas Hahn) berichten von der Urteilsverkündung und stellen den Fall ausführlich dar.
Rückabwicklung von Lebensversicherungen: Eine fehlerhafte Belehrung beim Abschluss von Policen über eine Lebensversicherung hat nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs dazu geführt, dass die Policen noch Jahre nach der angegebenen Frist widerrufen werden konnten, stellt die SZ (Friederike Krieger) dar. Jedoch habe das Oberlandesgericht Stuttgart den Klägern in vielen Fällen einen geringeren Betrag bei der Rückabwicklung zugesprochen als erhofft, weil die Kosten für Risikoschutz und Provisionen seitens der Versicherer abgezogen werden konnten.
Recht in der Welt
EuGH zum Zauberwürfel: Laut lto.de hat der Europäische Gerichtshof gestern bestätigt, dass der "Rubik's Cube" als Marke schutzfähig ist und keine technische Lösung darstellt, wie der Kläger behauptet hatte.
Burkina Faso – Verfassungsreform: Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers in Burkana Faso, Blaise Compaoré, ist eine Nationalversammlung zusammengetreten, die eine neue Verfassung herausarbeiten soll. Anne Winter erläutern auf juwiss.de die Verfassungsänderungen unter dem alten Präsidenten und die verfassungsrechtlichen Fragen nach seinem Sturz.
USA – Keine Anklage in Ferguson: Die "Grand Jury" in Ferguson hat am gestrigen Dienstag entschieden, dass gegen den Polizisten, der den Jugendlichen Michael Brown in Ferguson erschossen hat, keine Anklage erhoben werden soll. Die taz (Bernd Pickert) erläutert die Zusammensetzung und Aufgabe der Jury. Das Justizministerium prüfe zudem eine Verletzung von Bundesgesetzen, jedoch sei auch hier kein Prozess zu erwarten. Ferner könnten die Eltern einen zivilrechtlichen Prozess gegen den Polizisten anstrengen. blog.beck.de (Henning Ernst Müller) vergleicht die Anklagequote von Polizisten in den USA mit der Verurteilungsquote von Polizisten in Deutschland. In beiden Fällen lasse sich eine geringere Quote gegenüber "Normalbürgern" feststellen und bleibe erklärungsbedürftig.
Juristische Ausbildung
Jurastudium: Professor Peter Oestmann beschäftigt sich in der FAZ mit der Ausgestaltung des Jurastudiums. Notwendig sei ein Ausbau von Fachhochschulen, um Studierende aufzunehmen, die an einer Professionalisierung interessiert seien. An der Universität sollte dagegen die Auseinandersetzung mit den Hintergründen des Rechts gefördert werden. Bereits jetzt könnten etwa fachfremde Veranstaltungen zum Pflichtstoff oder Klausuren durch Seminare ersetzt werden.
Sonstiges
Google-Entflechtung: Am heutigen Mittwoch debattiert das EU-Parlament über eine mögliche Entflechtung der Google-Suchmaschine von anderen Google-Diensten. Rechtsanwalt Christoph Wagner erläutert im Handelsblatt die deutsche Rechtsgrundlage zur Entflechtung von Großunternehmen. Die 2013 eingeführte Generalklausel, die das Bundeskartellamt zu Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art ermächtige, sei unzureichend, um internationale Konzerne zu entflechten. Auf EU-Ebene sollte ein Beirat eingerichtet werden, der die "Suchmaschinen-Neutralität und den diskriminierungsfreien Datenzugang gewährleistet".
Gurlitt-Erbe: Die Vereinbarung zwischen dem Berner Kunstmuseum als Erben der Gurlitt-Sammlung und deutschen Behörden zur Einrichtung einer Taskforce zur Untersuchung und Identifizierung von möglichen Raubkunstgegenständen, kommentiert dessen ehemaliger Anwalt Hannes Hartung in der Welt. Er beklagt insbesondere einen Mangel an respektvollem Umgang mit dem Erbe: "Das Kunstmuseum Bern hat bislang jede Chance vertan, sich seines Erbes als würdig zu erweisen und selbst Verantwortung bei der Aufarbeitung der Sammlung zu übernehmen."
Das Letzte zum Schluss
Beleidigung von Hilfspolizisten: Einen unklugen Umgang mit dem Ärger über Strafzettel hat strafrecht-bonn.blogspot.de (Michael E. Kurth) auf Bonner Straßen ausgemacht. Auf der Heckscheibe eines Kfz sei ein Aufkleber mit folgender Botschaft angebracht gewesen: "Fick dich, Zettelpuppe!". Wird der Aufkleber vom jeweiligen Mitarbeiter wahrgenommen, stehe auch eine Strafbarkeit wegen einer Beleidigung nach § 185 StGB im Raum.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. November 2014: Einigung über die Frauenquote – Ausstieg aus der Kohleverstromung – keine Anklage in Ferguson . In: Legal Tribune Online, 26.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13921/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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